Fahrbericht Porsche 911 Carrera S (2015)
Mal eben 20 PS mehr Leistung und 60 Nm mehr Drehmoment - dafür nimmt man doch gerne in Kauf, dass im Porsche 911 Carrera S jetzt ein Turbo- statt eines Saugmotors wütet, oder?
Jetzt. Vergiss alles andere. Ach ja, und vergiss bitte auch den Saugmotor. Ab sofort arbeiten in jedem Elfer-Heck Turbo-Triebwerke, selbst wenn Carrera draufsteht. Mit der Modellpflege stellt Porsche eine neue Generation von Sechszylinder-Boxermotoren vor, die über drei Liter Hubraum verfügen und mit zwei Turboladern ausgerüstet. Puh, da vergisst die Fangemeinde doch glatt, sich über Änderungen beim Design oder den höheren Stellenwert von Infotainment und Assistenzsystemen aufzuregen. Dazu nur so viel: Das eine fällt überschaubar aus, das andere muss niemand mit bestellen.
Allerdings schadet beides dem Elfer auch nicht – ebenso wenig wie das neue, schicke Dreispeichenlenkrad. Und darauf kommt es ja schließlich an, natürlich auch das, was da noch so alles dran hängt. Wie immer, weckt die linke Hand per Schlüssel-Dings-Dreh das Triebwerk auf, das tiefer grantelnd als bislang aufwärmt. Neben der Einlassnockenwelle verfügt nun auch die Auslassseite über variable Steuerzeiten, was das Ansprechverhalten verbessern soll. Doch eigentlich wundert es wohl niemanden, dass das Sechszylinder-Aggregat geradezu ungeduldig auf Gaspedalbefehle reagiert, die beiden Lader so fix Druck aufbauen, als wären sie damit schon beschäftigt gewesen, noch bevor der Motor gestartet wurde.
Porsche 911 Carrera S mit feinem Klang
Physikalischer Unfug, natürlich, das Bild hängt schief, trifft aber die Charakteristik am besten. Bereits bei 1.700 Umdrehungen entwickelt der Dreiliter-Boxer in der S-Ausführung sein maximales Drehmoment von 500 Newtonmeter, die Leistung von nunmehr 420 PS liegt bei 6.500/min. Er kann also noch immer drehen? Und wie? Bis 7.500 Touren sogar, was in Anbetracht der schnell ansteigenden Leistungskurve entbehrlich erscheint, zugleich aber anmacht, denn die Porsche. haben ihrer Cash-Cow wieder einen herrlichen Klang einkomponiert. Ja, das die Spitzen des heiseren Schreiens beim Ausdrehen schleifen die beiden Lader zwar ab, addieren dafür ein paar Bassfrequenzen sowie vielsagendes Pfeifen, gewiss aber keinen glattgeföhnten Pop.
Gleichmäßig turnt das Triebwerk die Drehzahlskala empor, liefert jenen Extra-Schub, den der Sauger erst jenseits von 5.000/min. lieferte, von Beginn an, klingt dabei ernst, drohend, ein bisschen rotzig vielleicht. Sollte dennoch Drama fehlen, bitteschön, in der Aufpreisliste steht eine Sportauspuffanlage. Sie putscht den Sound noch ein bisschen auf, verzichtet netterweise aber auf die selbst beim Elfer etwas halbstark wirkenden vier Endrohre – ihr reichen zwei, eher mittig orientierte. Ebenfalls optional: Das Doppelkupplungsgetriebe, bei dem nun endlich zum Hochschalten der Hebel gezogen, zum Runterschalten gedrückt werden darf – so wie beim GT3.
In Verbindung mit dem Sport Plus-Modus (Bestandteils des aufpreispflichtigen Sport-Chrono-Paketes) soll der Carrera S damit in 3,9 Sekunden von null auf 100 km/h toben. Ohne Sport Plus dauert’s 4,1 und mit manuellem Siebengang-Getriebe 4,3 Sekunden, sagt Porsche. Und noch ein aus dem GT3 und Turbo bekanntes Extra kann nun für die Carrera-Modelle bestellt werden: Die Hinterachslenkung. Im Testwagen fehlte sie. Nein, sie fehlte eigentlich nicht, sie war eben nur nicht an Bord. Denn nachwievor braucht der 911 dieses Feature nicht, um mit der unverblümt direkten Standard-Lenkung eine authentische Agilität auf den Asphalt zu zaubern, die in dieser Form nur wenige Wettbewerber kopieren können.
Natürlich trägt dazu ebenso entscheidend das Fahrwerk bei – übrigens jetzt immer serienmäßig mit adaptiven Dämpfern und 10 Millimeter Tieferlegung. Und auch wenn Porsche behauptet, der Elfer könne nun aufgrund stärker gespreizter Kennlinien geradezu geschmeidig abrollen, bleibt es doch eher bei Sportwagen-typisch straffen Federungskomfort. Wer hatte etwas anderes erwartet? Eben. Mal abgesehen davon: Bereits vor der Modellpflege hat sich die Fahrwerksabstimmung nun auch nicht gerade als Folterknecht für Bandscheiben einen Namen gemacht.
Neuer Porsche 911 Carrera S ist ein Kurvenräuber
Wie immer also packt der 911 seinen Fahrer, zieht ihn gierig mit in die Kurven hinein, klinkt sich in deren Radius ein, boxt sich druckvoll aus ihnen heraus. Und da der Druck durch den Turbomotor deutlich zunahm, verfügt das PSM genannte Stabilitätsprogramm über eine Zwischenstufe, die etwas mehr Schlupf zulässt, aber vor Drehern schützt – soweit die Physik das eben zulässt. So will der Porsche sein früh anliegendes Drehmoment auch bei Nässe möglichst geschickt verwalten, ohne dem Fahrer zu früh in die Suppe zu spucken.
Auf trockener Fahrbahn reicht allerdings der mechanische Grip locker, und so schwingt der Carrera S lässig von Kurve zu Kurve, dort gehört er hin, auch wenn er natürlich lässig geradeaus läuft, groß genug ist er ja inzwischen. Natürlich bleibt die Modellpflege mit der erweiterten Ausstattung (neben PASM zählt nun auch ein modernes Navigationssystem zum Serienumfang) nicht ohne Auswirkungen auf den Preis.
Mit 110.766 Euro kostet der Carrera S nun 5.583 Euro mehr als bislang, den Carrera gibt es ab 96.605 Euro (plus 6.188 Euro). Von der gerne mal etwas unverschämten Preisgestaltung Porsche. ließen sich Elfer-Interessenten seit jeher nur selten beeindrucken. Für sie ist die Welt hinterm Sportlenkrad einfach in Ordnung. Nach der Modellpflege vielleicht so sehr wie noch nie.