Ford Escort 1.6i, Opel Astra 1.6, VW Golf 1.8
Weder der Opel Astra noch der Ford Escort konnten bislang den VW Golf vom Thron des erfolgreichsten deutschen Autos stoßen. Doch die Verfolger geben nicht auf, wie der Ford mit der dritten Version des Escort beweist.
Der VW Golf beherrscht die Hitparade der deutschen Bestseller seit Jahren mit jener traumwandlerischen Sicherheit, mit der Steffi Graf lange Zeit die Weltrangliste der Damen anführte. Doch das Beispiel des deutschen Tennisstars zeigt, daß jede Vormachtstellung einmal zu Ende gehen kann. Bislang mußte sich VW um die Position des Golf keine Sorgen machen, doch jetzt sucht auch hier die Konkurrenz erneut die Auseinandersetzung: Ford präsentiert den bis heute abgeschlagen hinter Golf und Astra rangierenden Escort mal wieder in neuer Form.
Nach der Präsentation 1990 und einem Facelift 1992 ist dies bereits der dritte Versuch, im deutschen Prestige-Dreikampf Boden zu gewinnen. Um das Niveau der Konkurrenz zu erreichen, änderte Ford nicht nur das Design, sondern modifizierte auch das Fahrwerk und verbesserte das Geräuschverhalten des nicht eben als Leisetreter bekannten Escort. Zusätzlichen Anreiz soll eine bereits von Mondeo und Scorpio bekannte Offensive schaffen: Der Kombi wird zum gleichen Preis wie die viertürigen Stufen- und Schrägheckversionen angeboten. Auch im Vergleich der Limousinen ergibt sich ein Preisvorteil für den Escort gegenüber Golf und Astra: Er kostet als 1.6 (88 PS) in der umfangreich ausgestatteten Luxusversion Ghia 30 150 Mark und bringt neben Airbags, Servolenkung, Gurtstraffern, Kopfstützen hinten und Wegfahrsperre auch noch ein elektrisches Schiebedach, elektrische Fensterheber vorne, elektrisch verstellbare Außenspiegel sowie ein mit Wurzelholzimitation verziertes Armaturenbrett mit.
Der Golf 1.8 (90 PS) kostet in der GL-Ausstattung als Viertürer nur 29 460 Mark. Dafür müssen die Airbags mit 400 Mark und die Fondkopfstützen mit 195 Mark ebenso extra gezahlt werden wie das elektrische Schiebedach (1325 Mark) und die beim Viertürer nur im Paket für vorne und hinten lieferbaren elektrischen Fensterheber (1170 Mark) – all das ergibt eine Preisdifferenz zugunsten des Escort, die sich ausstattungsbereinigt auf rund 2400 Mark beläuft. Opel bietet den Astra in dieser Klasse in einer 100 PS Version (1,6 Liter Hubraum) an, die als GLS 29 165 Mark kostet und die ebenfalls weit schlechter ausgestattet ist als der Escort Ghia: Elektrische Fensterheber (662 Mark), elektrisch verstellbare Außenspiegel (319 Mark), Kopfstützen hinten (195 Mark) und Schiebedach (1130 Mark) stehen auf der Optionsliste. Preisvorteil für den Escort: rund 1300 Mark. Das erste Spiel geht also an die Ford-Neuentwicklung, deren äußerliche Veränderungen mit Retuschen an Kühlergrill, Motorhaube und Flanken sehr dezent ausgefallen sind.
Ganz anders liegen die Dinge dagegen im Innenraum, der im Zeichen der Ford-Pflaume komplett neu gestaltet wurde. Egal, wohin man schaut, das Oval ist überall zu finden: Seien es die Türgriffe, die Uhr oder die Schalter für die beheizbaren Scheiben – Ford spielt mit dieser Form konsequent im gesamten Innenraum, was aber nur auf den ersten Blick davon ablenkt, daß für das Armaturenbrett nach wie vor billiges Hartplastik verwendet wird. Der Opel Astra versprüht mit seinem nüchternen Cockpit im schwarz glänzenden Plastiklook den Charme einer Kunststoff- Einbauwand aus den siebziger Jahren, während der VW Golf mit seinem Vollschaum- Armaturenbrett den Eindruck von Hochwertigkeit und Solidität hinterläßt.
Zu den Stärken des Dauerbrenners aus dem VW-Konzern gehörte schon immer mehr gute Qualität als ausgefallenes Styling, daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Verarbeitung im Innenraum zählt genauso wie die Paßgenauigkeit von Türen und Hauben zum Besten, was in dieser Klasse geboten wird. Zwar hat der Escort stark aufgeholt, aber wie beim Astra sind weder Karosseriegeräusche zu überhören noch die an einigen Stellen schlecht zusammengefügten Gummidichtungen und Bleche zu übersehen. Auch hinsichtlich der Raumökonomie setzt der Golf immer noch den Maßstab in dieser Klasse. Er bietet nicht nur vorne den meisten Platz, sondern auch hinten die beste Kopffreiheit. Nur wegen der Größe des Kofferraums verliert er Punkte an die Konkurrenten: Der Escort faßt bei umgeklappter Rücksitzbank rund 50 Liter, der Astra 30 Liter mehr. Der Fortschritt des Ford macht sich vor allem im Komfort bemerkbar. Wer die alten Escort-Sitze kennt, wird überrascht sein, wie bequem es sich im neuen Modell sitzen läßt. Im dritten Anlauf hat es Ford endlich geschafft, dem Gestühl nicht nur eine ansprechende Polsterung und gute Konturierung mitzugeben, sondern dank neuer Bezugsstoffe auch für einen besseren Klimakomfort zu sorgen.
Dank der modifizierten McPherson-Vorderachse, an der jetzt Gasdruck-Stoßdämpfer zum Einsatz kommen, und der komplett neu entwickelten Verbundlenkerachse hinten konnte auch der Federungskomfort entscheidend verbessert werden. Auf groben Fahrbahnunebenheiten erreicht der Escort das Niveau des Golf, dessen schluckfreudige Federung nur kurze Bodenwellen besser wegfiltern kann. Eindeutiger Verlierer in diesem Kapitel ist der Astra, dessen Federung sich vor allem bei voller Beladung klar überfordert zeigt: Die Hinterachse teilt katapultartige Stöße aus. Besser schneidet der Opel hinsichtlich seiner Fahreigenschaften ab. Wie Escort und Golf läßt er sich in Kurven mit einem leicht untersteuernden Eigenlenkverhalten mühelos und sicher fahren. Die um die Mittellage nicht ganz präzise Lenkung macht ihn allerdings unhandlicher als den Golf. Verbesserungsspielraum gibt es auch beim Escort, der mit einer neuen Lenkung antritt. Kräftige Servounterstützung und direkte Übersetzung sorgen dafür, daß die Lenkung bereits auf den kleinsten Einschlag und etwas zu nervös reagiert. Zur ansonsten gebotenen Fahrsicherheit wollen allerdings die Bremsen bei keinem der drei Konkurrenten passen.
Daß die Anlage des Golf mit Trommelbremsen an der Hinterachse auf hohe Belastung mit erheblichem Fading (Bremsweg: 66,6 Meter aus 100 km/h) reagiert, ist ein gravierender, von auto motor und sport schon vielfach kritisierter Schwachpunkt dieses Autos. Der Astra schneidet zwar besser ab (Bremsweg: 51,4 Meter), bleibt aber ebenfalls vom Leistungsvermögen wirklich guter Bremsanlagen entfernt. Das traurige Schlußlicht des Trios bildet der Escort. Bei hoher Beanspruchung reagiert auch er mit erheblichem Fading (Bremsweg: 55,9 Meter). Noch schlimmer: Es gelangt zuviel Bremskraft an die Hinterräder, die dadurch trotz ABS die Blockiergrenze überschreiten, was die Richtungsstabilität gefährlich beeinträchtigt. Eine Überprüfung der Bremsanlage des Testwagens in der Werkstatt konnte keine Abhilfe schaffen.
Hinter der Konkurrenz fährt der Escort auch mit seinem 88 PS-Vierzylinder her. Wegen seiner langen Übersetzung und dem im Vergleich ungünstigsten Drehmoment fällt der Escort in der Beschleunigungselastizität stark ab. Der Golf kann mit dem zehn PS stärkeren Astra viel eher mithalten, weil die Übersetzung besser an die Leistungscharakteristik des Motors angepaßt ist. Beide Vierzylinder kommen allerdings nicht an die spontane Antrittskraft des Astra heran. Dem sportlichen Temperament des Opel-Aggregats steht eine unbefriedigende Laufkultur gegenüber: Bei hohen Drehzahlen dröhnt der Vierzylinder lautstark, und auf Lastwechsel reagiert er im unteren Drehzahlbereich mit unangenehmem Ruckeln. Auch der VWMotor, bei normaler Fahrweise erstaunlich laufruhig, brummt bei hohen Drehzahlen kräftig.
Beim Escort gesellen sich zum ebenfalls kernigen Geräuschpegel noch spürbare Vibrationen. Daß das VW-Triebwerk, das seit mittlerweile 23 Jahren gebaut wird, mit den neueren Vierventilern mühelos mithalten kann, spricht nicht gerade für die aufwendigen Opel- und Ford-Neuentwicklungen. Der Verbrauch fällt nur beim Astra geringfügig niedriger aus als beim Golf, der Escort benötigt einen guten halben Liter mehr. Mit Verbrauchswerten zwischen neun und zehn Litern auf 100 Kilometer weckt jedoch keiner der drei Begeisterung. Auch wenn sich an der Plazierung der Konkurrenten gegenüber früheren Vergleichstests nichts geändert hat: Der Abstand ist deutlich kleiner geworden. Nicht nur der Astra hat den letzten vier Jahren an Qualität gewonnen. Der Escort schafft in seiner neuesten Version hinsichtlich Verarbeitung, Komfort und Handlingeigenschaften den Anschluß. Doch weil der Golf in der Summe seiner Eigenschaften immer noch das beste Auto in seiner Klasse bleibt, heißt es auch diesmal für ihn: Spiel, Satz und Sieg.