Porsche 911 GT3 RS und GT3 R von Manthey-Racing
Was passiert, wenn das Porsche-Werksteam Manthey-Racing sein mit dem Rennwagen GT3 R gesammeltes Rennsport-Know-how in einen 911 GT3 RS steckt? Protokoll eines ultraschnellen Testtages auf dem Kleinen Kurs.
Champagner-Dusche für das lilafarbene Lackkleid, Sieger-Donuts vor der Südtribüne oder ausgelassene Driftwinkel in der Senke? Der Manthey-Porsche 911 GT3 RS MR entscheidet sich für letztere Siegerpose. Warum der Kurvenheld heute allen Grund zum Feiern hat? Mit einer Rundenzeit von 1.05,8 Minuten kürt sich dieser RS zum schnellsten Porsche mit Straßenzulassung auf dem Kleinen Kurs von Hockenheim. Dabei lässt er sogar den Supersportler 918 Spyder eine halbe Sekunde hinter sich.
Zurück in die Box, schnell mal einen Blick in unsere Datenbank werfen, um die Fabelzeit einsortieren zu können. Der Manthey-GT3-RS-MR ist nicht nur 2,7 Sekunden schneller als der Serien-RS, sondern das zweitschnellste je von sport auto auf dem Kleinen Kurs getestete Fahrzeug mit Straßenzulassung. Lediglich ein gewisser Mosler Concept EXP/1 (2,0 kg/ PS) war mit 1.03,7 Minuten noch schneller als der modifizierte RS. Wir erinnern uns zurück: Der Mosler wurde 2013 von Raeder Motorsport entwickelt.
Die Top-10-Liste verrät, welches Querdynamik-Wunder mit dem RS von Manthey gelungen ist. Mit einem Leistungsgewicht von 2,9 kg/PS ist er dabei leistungstechnisch übrigens fast das schwächste Fahrzeug in der Bestenliste der ersten zehn; zu diesen gehören noch: Lotus 3-Eleven 1.06,2 min (2,1 kg/PS), Porsche 918 Spyder 1.06,3 min (1,9 kg/PS), Ferrari 488 GTB 1.07,0 min (2,3 kg/PS), McLaren 675LT 1.07,2 min (2,0 kg/PS), Gumpert Apollo 1.07,2 min (2,1 kg/PS), Corvette Z06 1.07,3 min (2,5 kg/PS), Lamborghini Huracán 1.07,5 min (2,6 kg/PS), Radical SR3 SL 1.08,1 (3,1 kg/PS).
911 GT3 MR – vom Motorsport auf die Straße
Wie schnell die neue Hammerzeit ist, verdeutlicht nachfolgende Anekdote. Beim DTM-Rennen 1988 auf dem Kleinen Kurs von Hockenheim hätte der straßenzugelassene Manthey-GT3-RS-MR für Krokodilstränen im DTM-Starterfeld gesorgt. Mit 1.05,8 Minuten hätte er mit knapp fünf Sekunden Vorsprung vor dem BMW M3 E30 DTM gestanden, den der von mir hochverehrte Pole-Setter Harald Grohs lenkte. Schöne Grüße nach Mallorca an dieser Stelle, lieber Harald. Hätte, wäre, wenn – Motorsport im Konjunktiv ist einfach ein herrlicher Zeitvertreib.
Apropos Motorsport: Neben dem straßenzugelassenen GT3 RS MR hat die Mannschaft aus Meuspath am Nürburgring auch noch „Grello“ mit nach Hockenheim gebracht. Der Spitzname „Grello“ (Mix aus „Green“ und „Yellow“) steht für den GT3 R, der 2016 das Sechs-Stunden-Rennen gewonnen hat. „Den Rennwagen GT3 R betreuen wir als Porsche-Werksteam. Wir stecken dadurch in der Materie und der Technik des GT3 R sehr tief drin. Parallel kam das Straßenauto GT3 RS.
Die Aufgabenstellung für unsere Ingenieure ist gleich – bei Manthey-Racing ist es egal, ob an dem Auto ein Nummernschild dran ist oder nicht. Hauptsache, das Fahrzeug ist schnell. Der GT3 RS ist als Straßenauto schon so viel Rennwagen, dass zwischen diesen beiden Fahrzeugen ein Technologietransfer sehr gut funktioniert“, erklärt Geschäftsführer Nicki Raeder, der zusammen mit Bruder Martin das Unternehmen Manthey-Racing leitet. Was heißt „ Technologietransfer“ in diesem Fall genau? Ab Werk vereint den GT3 RS und den GT3 R nicht nur die Zentralverschlusstechnik, sondern unter anderem auch das Vierliter-Aggregat sowie die Radhausentlüftungen in den vorderen Kotflügeln. Der Clou bei Manthey-Racing: Die Technologie und der Aufbau der Dämpfer des GT3 RS MR sind dieselben wie beim GT3 R.
Technologietransfer von R zu RS
„Wir haben ganz einfach versucht, unser Know-how, das wir mit den Rennfahrzeugen gesammelt haben, auf den GT3 RS zu transferieren. Der Rennwagen, der dem GT3 RS am ähnlichsten ist, ist der GT3 R. Wir haben den Dämpfer des GT3 R auf dem Dämpferprüfstand so lange verändert und auch so lange umgebaut, bis wir nachher auf der theoretischen Kennlinie für den GT3 RS lagen. Das Resultat ist, dass die Kennung für das Straßenauto rund 12 Prozent weicher ist als beim Rennwagen“, erklärt Patrick Arkenau, WEC-Renningenieur und Leiter Performance bei Manthey-Racing.
Und auch beim Thema Ingenieursleistung läuft der thematisierte Technologietransfer. Das mittlerweile 100-köpfige Unternehmen hat eine Ingenieursabteilung mit zehn Ingenieuren, von denen zwei hauptsächlich auf die Entwicklung der Straßenfahrzeuge spezialisiert sind. Die Renningenieure, die in der WEC, in Le Mans und in der VLN an den Rennwagen aktiv sind, arbeiten aber auch an den Straßenautos mit. Langsam vervollständigt sich das Puzzle, das hinter der Fabelzeit des 911 GT3 RS MR steckt.
Und wie fühlt es sich jetzt genau an, wenn der Kurvenkönig zum Kurvenkaiser wird? 8.600, 8.700, 8.800 – während der RS mit frenetischem Drehzahlkreischen die Reifen auf den 12,6 Kilo leichteren Manthey-Magnesium-Rädern aufwärmt, bleibt noch kurz Zeit für weitere Infos und einen Herzenswunsch. Wir wünschen uns, dass die Porsche-GTAbteilung noch lange an der Faszination Saugmotor festhält. Diese Gier nach Drehzahl, dieses bissige Ansprechverhalten, dieses Hochdrehzahlkonzert – wieder einmal injiziert ein GT3 RS eine Überdosis Faszination, die süchtig macht.
Den Vierliter mit einer Nennleistung von 500 PS ließ Manthey-Racing übrigens völlig unangetastet. Ein Besuch auf dem von uns im Supertest traditionell genutzten Maha-Leistungsprüfstand von „Müller prüft“ in Backnang attestierte dem Manthey-GT3-RS-MR eine Motorleistung von genau 496,9 PS.
Weder durch eine Leistungsspritze noch durch einen superweichen Sportreifen à la Corvette Z06 oder Mercedes-AMG GT R holt der 911 GT3 RS MR die schnelle Rundenzeit. Manthey setzt bewusst auf den identischen Michelin Pilot Sport Cup 2 wie auf dem Serien-RS. So ist die Rundenzeit nicht hauptsächlich auf den Reifen zurückzuführen, der nur zwei oder drei schnelle Runden hält. Der RS MR glänzt wie auch der Serien-RS mit lange konstanten Rundenzeiten. Während des Tests reproduzierte der GT3 RS MR mehrfach eine Rundenzeit von 1.06,2 Minuten. Bei der absolut schnellsten Rundenzeit von 1.05,8 Minuten wurde vorab natürlich ein brandneuer Cup-2-Satz aufgezogen und der Reifenpeak sehr gut ausgenutzt.
Wie sich das anfühlt? In einem Wort zusammengefasst: grandios! Sowohl beim Anbremsen als auch beim Einlenken nickt beziehungsweise rollt der Manthey-RS spürbar weniger als das Serienmodell um die Quer- beziehungsweise Längsachse. Der Serien-RS kippt beim Einlenken immer ganz leicht über die Vorderachse in die Kurve rein und setzt quasi die Lenkbewegung am Lenkrad erst mit einem Versatz in ein Einlenkverhalten um. Puh, irgendwie fühlt man sich gerade ganz schlecht, wenn man die RS-Ikone so kritisiert. Bitte dabei nicht vergessen: Wir jammern hier gerade auf extrem hohem Querdynamikniveau.
Der GT3 RS MR von Manthey lenkt viel präziser ein und bleibt während des gesamten Einlenkvorgangs immer perfekt ausbalanciert. Wahnsinn, wie gelassen der modifizierte RS auch aggressiv überfahrene Curbs, wie jenen im Scheitelpunkt der Nordkurve oder in der Ameisenkurve, locker wegsteckt. Der MR reagiert weder mit übertriebenem Springen noch mit spürbarem Nachwippen. Schnell ausfedern, schnell einfedern, fertig – hier wird der Ideallinienbesuch kaum gestört. Und das Schöne an diesem ruhigen Fahrverhalten im Grenzbereich? Es gibt dir Gottvertrauen ins Auto und macht dich dadurch „sauschnell“.
„Der Kunde ist kein Profi-Rennfahrer, und ich bin auch kein Profi-Rennfahrer. Wenn das Auto von einem Vollprofi abgestimmt wird, kann es oft auch nur von einem Vollprofi perfekt beherrscht werden. Die Abstimmung, mit der ich mich wohlfühle, passt sehr gut zum typischen Trackday-Fahrer“, erklärt Christoph Breuer, Projektleiter Straßenfahrzeuge bei Manthey-Racing, der mit dem GT3 RS MR in der Entwicklungsphase jeweils rund 100 Runden auf der Nordschleife und auf dem Kleinen Kurs gedreht hat.
Von Spezialisten für Spezialisten
Zurück zur Kurvendiskussion: Wenn man im Serien-RS auf das ganz leichte Einlenkuntersteuern mit Lastwechseln reagiert, drückt das Auto in langsamen und mittelschnellen Kurven zügig mit dem Heck. Insgesamt verhält sich der 911 GT3 RS MR von Manthey wesentlich unempfindlicher bei Lastwechseln. Meine Lieblingsstreckenpassage mit dem Spezial-RS aus der Eifel auf dem Kleinen Kurs: der Highspeed-Linksknick der Querspange und die anschließende enge Rechtskurve Ausgang Querspange.
In dieser Kurvenkombination spürst du, dass der MR nicht nur viel mehr mechanischen Grip, sondern auch eine gehörige Portion mehr aerodynamischen Grip haben muss. Während der Serien-RS im Linksknick auf maximal 185 km/h kommt und sich der Grenzbereich mit den bereits beschriebenen Karosseriebewegungen ankündigt, hetzt der Manthey-RS mit 194 km/h stabil durch die Mutkurve des Kleinen Kurses. Sowohl die Geschwindigkeit als auch das ruhige Fahrverhalten dabei sind absolute Champions League.
Während man im Serien-RS nach dem Anbremsen und beim anschließenden Umsetzen in die enge Rechtskurve ganz konzentriert darauf achten muss, keinen zeitraubenden Heckschwenk durch einen Lastwechsel zu provozieren, kann man im Manthey-RS dank beeindruckender Traktion wieder viel früher herausbeschleunigen.
Boxenstopp, weiter geht das Fachsimpeln mit den RS-Spezialisten von Manthey-Racing. „Die Fahrhöhe beeinflusst Schwerpunkt und Abtrieb. Die Fahrhöhe ist bei dem Heckmotorkonzept ein ganz wichtiger Punkt. Je tiefer das Auto vorne ist, desto mehr Abtrieb generiert man vorne. Das haben wir hinten mit dem steiler gestellten Heckflügel und dem Diffusor des 911 R kompensiert. Dadurch hat unser RS rund 20 Prozent mehr Abtrieb als der Serien-RS“ , verrät Nicki Raeder. Auf der Nordschleife fährt Manthey mit dem GT3 RS MR 10 Millimeter und in Hockenheim 15 Millimeter tiefer als der Serien-RS.
Für das massiv gesteigerte mechanische Gripniveau ist vor allem auch der erhöhte Negativsturz verantwortlich. Der Manthey-RS tritt auf dem Kleinen Kurs rundum mit 3,5 Grad Negativsturz an (Supertest-RS: Vorderachse –1°30', Hinterachse –1°40'). Aber auch wenn der modifizierte RS keinesfalls als TÜV-Prüfer-Schreck wie einst der Rekord-Mosler daherrollt, sollten Interessenten nicht vergessen, dass auch der Manthey-RS ein Auto von Spezialisten für Spezialisten ist.
„Angesichts der erhöhten Sturzwerte ist unser Fahrzeug halt nicht mehr die Eier legende Wollmilchsau wie der RS ab Werk. Von längeren Autobahnfahrten mit 300 km/h raten wir aufgrund dieser extremen Sturzwerte ganz klar ab. Vorher sollte das Set-up an solche Highspeed-Fahrten wieder angepasst werden. Wir besprechen mit jedem Kunden individuell den Einsatzzweck seines Autos“, erklärt Michael Grassl, Fachbereichsleiter Beratung und Verkauf bei Manthey-Racing.
Was sagt eigentlich Porsche zu der RS-Kreation von Manthey? Fans haben an dem Böblinger Nummernschild längst erkannt, dass es sich bei dem Manthey-RS um ein offizielles Erprobungsfahrzeug handelt, das Manthey-Racing zu Entwicklungszwecken von Porsche zur Verfügung gestellt wurde. „Für mich ist diese Geschichte so interessant, weil das große Potenzial des RS deutlich wird. Wenn der Kunde nur auf der Rennstrecke fahren will, ist es für uns von Porsche völlig legitim, dass er zu Manthey-Racing geht und sein Fahrzeug da rennstreckenspezifisch vorbereiten lässt. Die rennstreckenambitionierten Kunden sollen optimal betreut werden. Da stehen wir voll dahinter. Das ist für uns eine Win-win-Situation. Wir lassen mit unseren Fahrzeugen natürlich nicht absichtlich ein Stück Performance liegen, damit Manthey das dann erschließen kann. Das Auto ab Werk muss überall, auf allen Rennstrecken und auch im Alltag, funktionieren. Das ist eine ganz andere Entwicklungsaufgabe“ , erklärt Andreas Preuninger, GT-Projektleiter bei Porsche, die gute Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch von Porsche und Manthey.
Kein Wunder, Porsche und Manthey sind ja jetzt schon länger miteinander verwandt: Ende 2013 hat Porsche die Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent an der Manthey-Racing GmbH erworben. Die Entwicklung erinnert schwer an eine andere Erfolgsgeschichte: Manthey-Racing könnte quasi das für Porsche werden, was AMG für Mercedes geworden ist.
Raus aus dem RS-Carbonschalensitz, rein in den Rennschalensitz des GT3 R. Sechspunktgurte festzurren, Ignition-Kippschalter auf „ on“ kippen, Startknopf drücken. Boxern, mahlen, sirren, rasseln – der Renner GT3 R treibt das süchtig machende Vierliter-Hochdrehzahlkonzert auf die absolute Spitze.
Kleiner Kurs in 59,5 Sekunden
Ein kleiner Kipphebel mit der Aufschrift „Launch“ hilft, dass es mit der Blamage bei Tracktests vorbei ist. „Du kannst einfach Vollgas geben und die Kupplung kommen lassen“, hatte Renningenieur Arkenau vorab gesagt.
Gesagt, getan. In leichtem Drift sprintet der GT3 R los und malt sein Michelin-Autogramm in die Boxengasse. Nicht nur an der abwürgeresistenten Anfahrautomatik, sondern auch an der guten Fahrbarkeit merkt man schon auf den ersten Metern, dass der GT3 R sowohl für Vollblutprofis als auch für ambitionierte Amateure entwickelt wurde.
9.200, 9.300, 9.400 Touren, klack – sequenziell prügelt das Sechsgang-Klauengetriebe die Gänge rein. Im Vergleich zum Straßen-RS dreht der Vierliter noch höher und der GT3 R lenkt gefühlt per Gedankenübertragung ein. Kein Wunder, bei 4,7 Grad Negativsturz an der Vorderachse und 3,7 Grad an der Hinterachse sowie walzenartiger Slickbereifung. Was hätte ich jetzt Lust auf eine richtig schnelle Runde mit dem Präzisionsgerät, doch das Risiko, mit knapp über einer halben Million Euro im Grenzbereich zu jonglieren, überlassen wir lieber einem, der den GT3 R wie seine Westentasche kennt.
Fahrerwechsel nach fünf lockeren Runden. Sven Müller ist nicht nur Porsche-Werksfahrer, sondern auch amtierender Champion der Porsche-Markenpokalserien Carrera Cup und Supercup. Weitere fünf Runden später steht „Grello“ wieder vergnügt knisternd in der Box. In 59,5 Sekunden haben Werkskutscher und GT3 R den Kleinen Kurs abgefrühstückt.
High-Downforce-Set-up mit VLN-Flics, niedrigste homologierte Fahrhöhe, 1.238 Kilo plus 30 Liter Sprit, 590 PS – heute darf sich der GT3 R mal ganz ohne BOP-Zügel austoben. Rundenzeiten knapp unter einer Minute sind sie zuletzt in der DTM 2001 auf dem Kleinen Kurs gefahren.
Die Rundenzeit unter einer Minute ist spektakulär, doch noch mehr beeindruckt, dass der Straßen-RS von Manthey-Racing nur sechs Sekunden langsamer ist als der von einem Werksfahrer gelenkte GT3 R im absoluten Angriffsmodus. Nicht erst jetzt wird klar, wer der Held des heutigen Testtages ist.