Mehr als nur schickes Retro-Design?

Wer das knallige, aber schicke Zweifarbdesign mag, hat die Wahl zwischen Blau, Rot, Gelb oder dem etwas gediegeneren Silber.
Auf den beiden mittelgroßen 600er-Grundrissen ist erstmals ein optionales Schlafdach erhältlich. Reicht die Fahrzeuggröße fürs Campen zu viert? Der Supertest gibt Antworten.
Dass sich Trends wiederholen, ist nicht nur beim Blick auf die Mode kein Geheimnis. Ähnliche Bewegungen lassen sich auch in der 65-jährigen Geschichte des Eriba Touring ausmachen. So treten die beiden neuen 600er-Modelle in die Fußstapfen der Touring-Modelle Titan und Odin, die bereits in den 60er- bis 80er-Jahren die Sechs-Meter-Marke bei der Aufbaulänge rissen, damals allerdings noch bei einer Breite von nur 2,10 Meter. Der Aufbau der 2024er Neuzugänge ist 2,19 Meter breit, was ihnen zu harmonischeren Proportionen und natürlich mehr Wohnraum verhilft.
Während das Flaggschiff Touring 820 der erste Touring ohne Aufstelldach ist, feiert das vom Eriba Feeling bekannte Schlafdach nun Premiere auf beiden größeren Modellen. Auf Nachfrage, ob das Schlafdach auch für kompaktere Modelle denkbar sei, lässt Eriba verlauten, dass der Metallrahmen, der ja das Grundgerüst eines jeden Touring bildet, für die Belastungen extra verstärkt wurde und eine Adaption auf bestehende Modelle daher nicht so einfach umsetzbar sei.
Umsetzbar ist dagegen das fesche Zweifarbdesign, das in den letzten Jahren nur für die Sondermodelle Rockabilly und Ocean Drive zu haben war. Für 2024 ist mit Gelb noch eine dritte Farbkombination dazugekommen. Und ab dieser Saison sind die knalligen Farben für alle Touring-Modelle (außer 820) zu haben und lassen sich entweder im Paket oder als einzelne Option zubuchen.
Eriba Touring 630
- Grundpreis ab: 33.900 Euro
- Gesamtlänge/Breite/Höhe: 6,46/2,19/2,38 m
- Zul. GesamtgewichT: 1.600 kg
- Schlafplätze: 2+3
Wohnen
Wer sich für einen zweifarbigen Touring entscheidet, sollte nicht kontaktscheu sein, denn das knallige Retro-Design weckt die Neugier von Passanten und Mitcampern. Über eine manuelle Trittstufe geht es durch eine 50 Zentimeter schmale und 1,40 Meter niedrige Tür hinein in die gute Stube. Damit man im geschlossen 1,61 Meter hohen Inneren stehen kann, sind drei Handgriffe notwendig, die schnell zur Routine werden: 1. Sicherung lösen, 2. Dachentriegelung betätigen und Dach aufstellen sowie 3. dem Dachbett einen Schubs geben, damit es dämpferunterstützt nach oben unter die Dachschale gleitet. Erst jetzt erweitert sich die Kopffreiheit im Wohnraum von 1,61 auf 2,04 Meter. In der Serie trägt der Touring übrigens sein klassisches Hubdach.
Lässt man den Blick schweifen, fällt sofort die liebevolle Abstimmung des Colour-Concepts auf, dessen Farbe an Vorhängen, Garderobe und Polsterakzenten aufgegriffen wird. Hell und freundlich wird es durch das helle Möbeldesign Urban mit weißen Oberschrankklappen. Auf das luftige Raumgefühl zahlt auch der vergleichsweise breite Mittelgang ein.
Beengte Dinette
Eher beengt geht es dagegen in der wagenbreiten Dinette zu, welche im 630er den Bug füllt. Besonders in Fahrtrichtung links muss man sich zuerst zwischen Tisch und Kühlschrank hindurchfädeln, um in die Sitzgruppe zu gelangen. Der Sitzkomfort in selbiger ist okay. Zwar sind die Sitzflächen mit 54 Zentimetern angenehm tief, dafür fehlt es ihnen genau wie den zu niedrigen Rückenlehnen an Kontur. Bequemer wird es mit einem der beiden optionalen Kissen aus dem Colour-Paket als Lordosenstütze.
Dass es auch in einem Touring bequemer geht, beweisen die beiden eingestellten Sondermodelle Ocean und Rockabilly. Ihre Lederrückenlehnen waren beinahe doppelt so hoch. Der Einhängetisch zwischen den Bänken ist sehr stabil, lässt sich auch außen am Fahrzeug einhängen und verfügt über eine ausschwenkbare Erweiterung. Dennoch ist die Sitzgruppe für ein Fahrzeug mit optional bis zu fünf Schlafplätzen zu klein.
Viel Platz in der Küche
Die Küche punktet mit überdurchschnittlich viel Platz und Stauraum. Dass der gebräuchliche Dreiflammkocher und die Spülenabdeckung mit Schneidebrett mit 160 Euro respektive 65 Euro in der Preisliste stehen, sorgt angesichts des ohnehin hohen Grundpreises für Unverständnis. Wer gern kocht, sollte daher lieber direkt in die 790 Euro teure Herd-Backofen-Kombination investieren. Verbesserungspotenzial liefert auch die wenig praxisgerechte Positionierung der beiden Steckdosen.
Vorn auf Höhe der Spüle sind sie zu weit weg von der Stellfläche. Eine dauerhafte Kabelführung, beispielsweise für eine Kaffeemaschine, ist so nicht praktikabel. Pluspunkte sammelt die Kombüse dagegen mit einer guten Abdichtung, einer subjektiv ausreichenden Beleuchtung und einem Handtuchhaken nahe der Spüle. Der 133 Liter fassende Kompressorkühlschrank mit beidseitigem Türanschlag ist ein Ausstattungshighlight der 600er-Modelle. Wird allerdings die benachbarte Garderobe benutzt, lässt er sich nur noch zur Sitzgruppe hin vernünftig öffnen.
Das nach oben offene Bad hat ein eigenes Fenster und viel Staumöglichkeiten. Für mehr Privatsphäre hinter den nur 1,60 hohen Wänden hätten wir uns allerdings eine Sichtschutzlösung gewünscht, wie sie andere Hubdachmodelle mitbringen. Aus der Idee des tiefen, aber verschiebbaren sowie unbeleuchteten Spiegels ohne Arretierung sind wir nicht schlau geworden und haben daher beim Hersteller angefragt. Gut nutzbar eingepasst ist die solide Banktoilette, die sich aus dem Frischwassertank speist. Ihr Kassettenschacht lässt allerdings eine Abdichtung vermissen.
Mit 2,07 mal 1,55 Metern ist das Doppelbett im Heck angenehm groß und dank der zwölf Zentimeter dicken Kaltschaummatratze auf einem Holzlattenrost passt auch der Schlafkomfort. Ärgerlich ist, dass der Schlafbereich bei der Verteilung der Steckdosen anscheinend vergessen wurde. Weshalb das so ist, haben wir beim Hersteller angefragt, zumal der Elektroblock im benachbarten Schrank untergebracht ist.
Pluspunkte sammelt der geradlinige und solide verarbeitete Möbelbau. Lediglich die Haptik des Kunststoff-Badezimmertürgriffs passt nicht zum Rest der Ausstattung.
Beladen und Fahren
Beim Reisegepäck wandert Sperriges am besten in den Bettstauraum, der mit Zurrösen Möglichkeiten zur Ladungssicherung bereithält. Von innen ist das Beladen allerdings etwas umständlich, da das Bett nicht komplett hochklappt, sondern nur ein Ausschnitt. Service- und Heckklappe sind daher trotz Aufpreis empfehlenswert. Neben dem Bett stehen ein kompakter Nachttisch und ein Kleiderschrank für häng- oder stapelbare Klamotten bereit.
Störend ist in diesem Kontext allerdings die Position des Elektroblocks im Kleiderschrank: Zum einen verhindert er das knitterfreie Aufhängen von Jacken, zum anderen werden seine Kühlrippen durch die Textilien weitestgehend abgedeckt. Weiterer Stauraum findet sich in den zahlreichen Dachschränken. Sie sind, wie bei Hubdachmodellen üblich, unten angeschlagen und im Touring sogar mit Filzboden bestückt. Verriegelt werden sie allesamt über Schnapphaken.
Die Sitztruhen werden größtenteils von Heizung und Frischwassertank gefüllt. Dennoch reicht der verbleibende Platz für eine praktische Schuhklappe im Eingang. Hübsch anzuschauen, aber unpraktisch positioniert, ist die Garderobe vor dem Kühlschrank. Wird sie genutzt, lässt er sich nur noch umständlich in Richtung der Sitzgruppe öffnen. Vermisst haben wir auch eine Fixiervorrichtung für die Schlafdachleiter, die, lose im Bettstauraum gelagert, vermutlich schnell verkratzt.
Selbst unbeladen bringt der Touring 630 viel Stützlast mit, auf die auch Frischwassertank und Combi-Heizung vor der Achse einzahlen. In Kombination mit der langen Deichsel, die trotz Fahrradträger große Knickwinkel zulässt, ist das Fahrverhalten klasse. Das liegt freilich auch an den übersichtlichen Abmessungen, die das Rangieren und Manövrieren erleichtern.
Trotz größtmöglicher Auflastung auf 1.600 kg sind die Zuladungsreserven des Testwagens knapp, was auch an der üppigen Ausstattung liegt.
Technik
Auch die 600er-Modelle tragen den Touring-typischen Stahlrohrkäfig unter dem Alu-Blechkleid. Dabei ermöglicht seine verstärkte Ausführung erstmals ein Schlafdach. Und auch bei der restlichen Ausstattung gibt es einiges exklusiv für die Größten unter den Kleinen. Dazu gehören die Combi-4-Heizung, ein 45-Liter-Frischwassertank, eine Fußbodenerwärmung sowie der große 133-Liter-Kompressorkühlschrank. Neu ist auch das Bedienpanel, welches Auskunft über die Füllstände von Batterie und Frischwassertank gibt, die Wasserpumpe aktiviert und über einen praktischen 12-V-Hauptschalter verfügt.
Nicht überzeugt hat uns die Ausführung der Gasanlage: Wer keine Umschaltanlage ordert, deren Löcher schon zentral an der Rückwand des Gaskastens vorgesehen sind, hat die Hauptgasleitung links neben den beiden 5-kg-Flaschen, was ein Anschließen ohne das Abknicken der Gasleitung erschwert. Durch die große 4-kW-Heizung und den Kocher ist die Umschaltanlage bei den alternativlosen, kleinen Flaschen aber ohnehin empfehlenswert. Dass deren Haltebänder im produktionsfrischen Testwagen schon ausgefranst sind, ist hoffentlich ein Einzelfall.
Das Lichtkonzept bleibt auch nicht frei von Kritik, da es im Serientrimm nur eine einzelne Akku-Leseleuchte gibt, die man dann zwischen Bett und Sitzgruppe hin und her tragen darf. Das ist der Preisklasse nicht angemessen. Und auch das Ambientelicht, ohne das es im Touring ziemlich schummrig wäre, findet sich in der Aufpreisliste. Boden gut macht der 630 dagegen mit seiner multifunktionalen Vorzeltleuchte samt Bewegungsmelder.
Die Position der Zwangsbelüftung über dem Bett ist laut Hersteller alternativlos, wie Sie im "Nachgefragt" erfahren. Sie ist leider lichtdurchlässig und man hört teilweise den Wind in ihr pfeifen, was empfindlichen Personen den Schlaf rauben könnte. Lob verdient die Möblierung des Touring. Die Verarbeitung weist im Großen und Ganzen kaum Schwachstellen auf und wirkt solide. Das gilt auch für die Schlösser und Riegel. Luft nach oben lassen derweil die drehbare Tischerweiterung, die sich schon nach der zweiten Benutzung nicht mehr arretieren ließ, und das Bedienpanel, dessen zu große Aussparung dafür sorgt, dass es beim Fahren herausfallen kann.
Preise
Die Serienausstattung des 630ers ist stellenweise opulent, weist aber auch Lücken auf: Neben Trittstufe, 133-L-Kompressorkühlschrank, Combi-Heizung, Kaltschaummatratze und einem Autarkpaket ab Werk wird der Kunde für einen Dreiflammkocher, mehr Steckdosen oder eine Spülenabdeckung zur Kasse gebeten. Das Colour-Paket für 3.690 Euro macht den Touring innen und außen zum Hingucker. Fürs unbeheizte Schlafdach sind knapp 4.000 Euro fällig. Praktisch zum Beladen und schick zugleich ist die Kofferraumklappe im Heck für 490 Euro. Für die Fußbodentemperierung des Testwagens werden 790 Euro fällig. Auf Unverständnis stößt das Steckdosenpaket für 255 Euro, ohne das kein USB-Anschluss an Bord ist.
Grundpreis: 33.900 Euro
mit HU und Zulassungsbescheinigung II (165 Euro)
Testwagenpreis: 50.890 Euro
- ✘ Auflastung auf 1.600 kg: ✔ 455 Euro
- ✘ Colour-Edition Harbour Blue (15,5 kg): ✔ 3.690 Euro
- ✘Komfort-Paket (8,5 kg): ✔ 1.280 Euro
- ✘ ATC Antischlingerschutz (5 kg): ✔ 995 Euro
- ✘ Serviceklappe rechts (1,5 kg): ✔ 370 Euro
- ✘ Fußbodentemperierung (10 kg): 790 Euro
- ✘ Truma Mover Smart A (35 kg): 2.290 Euro
- ✘ Vorzeltsteckdose (1 kg): 285 Euro
- ✘ Schlafdach (35 kg): 3.990 Euro
- ✘ Spannbettlaken (2 kg): 120 Euro
- ✘ Heckklappe (1,5 kg): ✔ 490 Euro
- ✘ Stützrad mit Waage✔ 100 Euro
- ✘ Markise Thule Omnistor (35,5 kg): 1.550 Euro
- ✘ 3-Flamm-Gaskocher: ✔ 160 Euro
- ✘ Deichselfahrradträger Thule (10 kg): 550 Euro
Kosten und Service
- Steuer (1.200 kg zGG:) 59,68 Euro
- Dichtigkeitsgarantie/Kontrolle: 5 Jahre/12 Monate
- Servicestellen in Deutschland/Europa: 72/200
✘im Testwagen; ✔empfehlenswert; notwendige Ausstattung
Lichtcheck
angelehnt an DIN EN 12464-1
1. In der Sitzgruppe reicht die Lichtstärke inklusive der Akkuleuchte für grün.
2. Das Küchenarbeitslicht erreicht nicht alle Ecken, weshalb die Küche nur gelb schafft. Der Maximalwert ist dagegen top (grün)!
3. Die beiden Bad-Spots reichen nur für gelb. Das seitliche Streiflicht vorm Spiegel sogar nur für rot.
4. Über dem Bett gibt es einen sehr hellen Touch-Spot, der in Kombination mit den anderen Leuchten für Werte im grünen Bereich sorgt.
Das fiel uns auf
(+) Die Fahreigenschaften des kompakten und windschlüpfigen Eriba Touring sind einfach grandios.(+) Die hinteren Kurbelstützen sind 90 Grad gedreht montiert. Vorn und hinten ist die Erreichbarkeit top.(+) Ein Highlight des 630er ist seine überraschend geräumige Küche mit Arbeitsflächenerweiterung.
(+) (-) Die Spiegelarretierung fehlt (noch). Dafür gibt es einen magnetischen, abnehmbaren Schminkspiegel.
(-) Bei Wind neigen die beiden nicht lichtdichten Zwangsentlüftungen über dem Heckbett zum Pfeifen.(-) Jacken an der Garderobe erschweren den Zugang zum Kühlschrank. Zumindest von der Küche aus.(-) Im Testwagen ist der Ausschnitt fürs Bedienpanel zu groß. In Folge fiel es auf Fahrten mehrfach heraus.(-) Die seitliche Gasleitungsführung führt dazu, dass der Schlauch abknicken kann.
Die Baureihe
- Preise: 24.990–95.500 Euro
- Aufbaulängen: 3,71–7,08 m
- Gesamtgewichte: 900–2.500 kg
- Max. Auflastungen: 1.050–2.800 kg
- Grundrisse: 12
Der Touring ist im Grunde der Porsche 911 unter den Wohnwagen. Er ist kompakt, windschnittig, hochpreisig und sehr beständig im Design. Während der Urvater des Touring bereits 1957 produziert wurde, lief die Produktion des 911er erst 1963 an. Seit 2023 wurde die Touring-Baureihe mit den beiden mittelgroßen 600er-Modellen verstärkt. Neu sind dabei das optionale Schlafdach und die drei Zweifarbvarianten, die nun für alle Grundrisse außer dem Flaggschiff Touring 820 erhältlich sind. Bei den Grundrissen gibt es vom winzigen 310 bis zum 820 viel Varianz und mit dem 560 sogar ein Modell mit festem Etagenbett im Bug. Statt Einzelbetten gibt es in 542, 642 und 820 die Eriba-typischen V-Betten.
Nachgefragt
Ramona Rolser, Teamleitung Produktmanagement ERIBA, nimmt Stellung ...
... zum oben offenen Bad und der Spiegelarretierung: Durch das Leichtbauschlafdach ist es bisher nicht möglich, eine Schiene für einen Dusch- vorhang oder einen Faltenbalg von unten an dem hochstellbaren Bett zu verschrauben. Wir arbeiten aber intensiv an einer Lösung, damit wir sowohl den Faltenbalg als auch das Duschpaket für die Schlafdachmodelle anbieten können. Beim Modell ohne Arretierung handelt es sich um den Prototypenstand. In der Serie ist der höhenverstellbare Spiegel mit einer Arretierung versehen, sodass dieser auch bei dem Schlafdachmodell funktioniert.
... zur fehlenden Stromversorgung am Bett: Für die Zukunft planen wir weitere Steckdosen für unsere Touring-Modelle serienmäßig ein, sodass auch im Schlafbereich Steckdosen einfach zu erreichen sein werden.
... zu den Windgeräuschen: Durch die außergewöhnliche und typische Formgebung des Touring gibt es nur sehr wenige gerade Flächen auf dem Dach, an denen die notwendige Belüftung montiert werden kann. Bei der Position über dem Bett handelt es sich um den am besten geeigneten Ort.