Weltenbummler-Wohnwagen

Wunderbar prunkt das helle Holz im Innern, proper steht der Dethleffs Beduin aus den Sechzigern neben dem Käfer. Ein Idyll, so behaglich – und doch voller Reisegeschichten. Denn der schmucke Wohnwagen hat die Welt bereist. Sprichwörtlich!
Gleich neben der Tür klemmen Landkarten, Linien durchziehen Europa und sogar Nordamerika wie Spinnennetze. "Die Erstbesitzer haben hier ihre Touren verewigt", erklärt Ute über die Schulter, während sie nach Gläsern kramt. Eine Erfrischung mag eine gute Idee sein, denn die vielen Reisen des kleinen Wohnwagens aus dem Allgäu lassen staunen. Alaska, Route 66, Marokko, Türkei, Schwarzes Meer, im Inneren hängen zudem Stadtwimpel zu Dutzenden. Klare Sache: Dieser Wohnwagen hat Geschichte!
Dethleffs Beduin auf Reisen
Erzählt wird sie von Andreas und Ute Mertzbach, den 1964 gebauten Dethleffs Beduin haben sie seit 16 Jahren im Besitz. Wobei man vielleicht nicht so vereinnahmend von "Besitztümern" sprechen sollte. Es ist vielmehr so, dass sich der Beduin nach vielen Jahren bei Helga und Kurt Wallenfang nun neue Partner gesucht hat –das Wägelchen hat ganz klar Persönlichkeit. "Kurt Wallenfang hat den Beduin sogar persönlich in Isny abgeholt – um ihn direkt in die USA zu verschiffen", weiß Andreas.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. In die Staaten! Mitte der 1960er! Mit einem Caravanchen! Es mutet beinahe absurd an, auch wenn am Reiz des nordamerikanischen Kontinents kein Zweifel besteht, zu sehr schwelgen Alaska, die Rocky Mountains oder die legendäre Route 66 in landschaftlichen Superlativen.
"Die 66 ist er mindestens dreimal abgefahren", erklärt Andreas, und vor dem inneren Auge ziehen die Schilder von Amarillo, Albuquerque, Flagstaff, Seligman oder Barstow vorbei.
Kultiges Wohnwagen-Gespann
Ein großes Land, ein kleiner Wohnwagen – und als Zugfahrzeug natürlich kein rustikaler Laster von Ford, sondern eine Knutschkugel deutscher Provenienz: Die Wallenfangs waren stets mit einem Volkswagen unterwegs. Auch aktuell wird der Beduin von einem 1972er Käfer gezogen, alternativ auch von einem VW Typ 411, dem "Nasenbär", wie der Wolfsburger wegen seines langen Vorderwagens ein wenig verulkend genannt wird. "In dieser Kombination waren wir auch letztens auf einer Schwedentour unterwegs, eine schöne Reise", schwärmt Ute, für die der Einsatz des Beduin als ganz normales Reisefahrzeug weder ein Sakrileg noch ungewöhnlich ist. "Der Beduin ist ein Fahrzeug – und kein Stehzeug. Außerdem will man den ja auch zeigen, oder?"
Dieses Ansinnen hatte auch der Erstbesitzer, der nicht nur Gründungsmitglied des COC, des Camping-Oldie-Club e.V., war, sondern auch in diesem Umfeld nachfragte, ob jemand gewillt sei, den Beduin artgerecht zu halten. "Nun: Familie Mertzbach war gewillt", lacht Ute, die den Caravan auch ganz schlicht wegen seiner Alltagstalente schätzt.
"Der bietet überraschend viel Platz im Innenraum, richtig praktisch ist er außerdem", freut sie sich. Ja, auch vor sechzig Jahren wusste man schon, wie ein gutes Reisegefährt konstruiert sein muss – das herausnehmbare Wasserreservoir für die Spüle ist ein leuchtendes Beispiel. "Das kann man einfach abhängen und am Hahn nachfüllen, ins Becken läuft das Wasser dann dank Schwerkraft", erklärt Andreas und führt das cremefarbene Behältnis kurzerhand vor. So einfach kann das alles gehen.
Erprobt wurden die Kreationen aus dem Hause Dethleffs von der Gründerfamilie höchstselbst, wobei Trips in der Ferne gerne exotische Ziele haben durften. "1959 beispielsweise reisten Arist und Friedel Dethleffs mit einem Nomad durch Ägypten, Fotos zeigen das Gespann vor den Pyramiden von Gizeh", erzählt Andreas. Dass die Fernwehfahrzeuge aus dem Allgäu zur Endmontage in den Hof der Fabrik gerollt wurden, ist eine schöne, fast schon unschuldige Anekdote.
Als Zugfahrzeug nutzte Familie Dethleffs damals einen "Barockengel", wie der BMW ob seiner geschwungenen Formen genannt wurde. "Wir ziehen den Beduin bescheidener", lacht Ute, und zeigt auf den Käfer, der mit seinen 34 PS aus 1,2 Liter Hubraum eine eher bedächtige, aber doch stilvolle Zugmaschine darstellt. "Der ist zehn Jahre jünger als der Beduin, hat aber auch erst 156.000 Kilometer auf der Uhr."
Es werden künftig noch mehr werden, keine Frage. Und das knuffige Gespann wirkt so taufrisch, als ob es just nach Alaska oder Ägypten durchstarten möchte. Und warum auch nicht? Straßen sind auch heute zum Fahren da, klassische Wohnwagen zum Reisen –und Platz für ein paar schicke Wimpel findet sich sicher auch noch. Und ordentliche Landkarten können ein paar Spinnennetze immer vertragen!