Ohrfeige für die Nachbarin

Streit in Mehrfamilienhäusern ist leider keine Seltenheit. Doch selbst wer seine Nachbarin ohrfeigt und der Vermieterin Geld schuldet, kann nicht in jedem Fall gekündigt werden. So sieht es zumindest das Landgericht (LG) Karlsruhe.
Streit eskaliert im Treppenhaus
Es klingt alltäglich: Eine Bewohnerin reinigt den Hausflur, schüttelt dabei die Fußabtreter aus und legt diese danach auf die Treppe. In dem Fall ignorierte die Dame aber die Fußmatte einer Nachbarin. Darüber gerieten die beiden in Streit, während dem schließlich sogar eine Ohrfeige ausgeteilt wurde.
Das war nicht die erste Unstimmigkeit zwischen den beiden. Schon einige Zeit zuvor hatte die geohrfeigte Dame wegen eines hier nicht mehr näher ausgeführten Verhaltens ihrer Nachbarin eine Mietminderung durchgesetzt. Für diesen von ihr verursachten Mietausfall nebst Prozesskosten schuldete diese Nachbarin der gemeinsamen Vermieterin noch immer Schadenersatz.
Kündigung und Räumungsklage./strong>
Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise auch ordentlich. Nachdem die Mieterin trotzdem nicht ausziehen wollte, erhob sie schließlich Räumungsklage. Erfolg hatte sie damit überraschenderweise keinen.
Tätlichkeiten wie diese Ohrfeige braucht niemand hinzunehmen. Im Hinblick auf den Hausfrieden rechtfertigen derartige Handlungen regelmäßig die außerordentliche fristlose Kündigung. Warum also nicht hier?
Tätlichkeit mit geringem Gewicht
Auch wenn die vermeintliche Täterin die Ohrfeige bis zum Schluss bestritten hat, ließ das Gericht keinen Zweifel daran, dass es sich so zugetragen hatte. Allerdings war eine Stunde später bei der Polizei keine Verletzung erkennbar und die Staatsanwaltschaft hat ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint.
Die Ohrfeige habe hier ausnahmsweise nur ein geringes Gewicht, meinten die Richter. Außerdem habe die Geschlagene durch ihr Verhalten bei der Treppenhausreinigung und die anschließende Diskussion selbst mit zu der Situation beigetragen.
Schadenersatz ist kein Mietrückstand
Auch die Zahlungsrückstände rechtfertigten keine Kündigung. Es handelte sich nämlich nicht um rückständige Miete, sondern "nur" um Schadenersatz. Bei diesem waren die Prozesskosten nicht mit zu berücksichtigen, sondern nur der entgangene Mietanteil. Das war mit 374,20 Euro weit weniger als eine Monatsmiete.
Insgesamt war das den Richtern für eine Kündigung zu wenig. Als Freibrief für Mieter sollte die Entscheidung aber keinesfalls verstanden werden. Der Hausflur ist kein rechtsfreier Raum. Und bezahlen muss die Dame den Schaden an ihre Mieterin schließlich immer noch.
(LG Karlsruhe, Urteil v. 20.05.2014, Az.: 9 S 30/14)
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