Schraube locker – Vertragswerkstatt muss Rückrufaktion beachten
Es vergeht kaum ein Monat, in dem die Medien nicht über eine Rückrufaktion irgendeines Autoherstellers berichten. Meist handelt es sich bei solchen Rückrufaktionen um sicherheitsrelevante Mängel, die festgestellt wurden und zur Sicherheit der Kfz-Besitzer so schnell wie möglich beseitigt werden sollen.
Aber nicht immer kennt die Werkstatt die aktuellen Rückrufaktion.n, was – wie im vorliegenden Fall passiert – schnell zu einem erheblichen Schaden führen kann.
Wartung in autorisierter Fachwerkstatt
Ein Unternehmen importierte im Oktober 2010 einen Dodge Ram Truck 1500 aus den USA, da zu diesem Zeitpunkt für diese Automarke in Deutschland weder ein autorisiertes Händlernetz noch entsprechende Niederlassungen existierten. Allerdings gibt es deutschlandweit einige autorisierte Fachwerkstätten, so wie die, in der das Unternehmen alle Inspektionen und Reparaturen am Dodge durchführen ließ.
Bei Inspektion Rückrufaktion nicht beachtet
Im Februar 2013 erfolgte durch Dodge eine Rückrufaktion, von der auch das Fahrzeug des Unternehmens betroffen war. Da es sich bei dem Fahrzeug um einen sogenannten Grauimport gehandelt hatte, wurde der Kfz-Halter nicht über diese Rückrufaktion informiert. Im Rahmen der Rückrufaktion hätte eine Schraubenmutter im Getrieberad der Hinterachse ausreichend gesichert werden müssen. Als das Unternehmen das betreffende Fahrzeug im Oktober 2013 zu einer kleinen Wartung in die Fachwerkstatt brachte, kümmerten sich die Mechaniker nicht um die lockere Schraubenmutter, da auch sie nichts von der Rückrufaktion wussten.
Schaden wegen lockerer Schraube
Fast sechs Monate später – im April 2014 – blockierte schließlich die Hinterachse des Dodge während der Fahrt. Es kam zu einem Totalschaden an der Achse, sodass sie komplett ausgetauscht werden musste. Dieser Schaden wäre nicht entstanden, wenn die entsprechende Mutter nach dem Rückruf festgezogen worden wäre. Nachdem Mitarbeiter des Unternehmens selbst Nachforschungen angestellt hatten, erhielten sie Kenntnis von der Rückrufaktion. Daraufhin leiteten sie beim Landgericht (LG) Bochum ein selbstständiges Beweisverfahren ein. In diesem Zusammenhang stellte der beauftragte Sachverständige fest, dass die Reparatur 6058,32 Euro kostet und der Minderwert des Wagens 2521,01 Euro beträgt. Diese Kosten wollte das Unternehmen schließlich von der Werkstatt ersetzt bekommen.
Erfolgreich Klage eingereicht
Nachdem die Richter des LG entschieden hatten, dass das Unternehmen einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Werkstatt hat, ging diese beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm in Berufung. Allerdings schlossen sich die Richter des OLG der Meinung der Richter des LG an und verurteilten die Werkstatt zur Zahlung von Schadensersatz i. H. v. 8579,33 Euro
Werkvertrag liegt vor
Zunächst wurde festgestellt, dass zwischen dem Unternehmen und der Werkstatt durch die Beauftragung der Inspektion ein Werkvertrag gem. der §§ 631 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustande gekommen ist. Ziel dieses Werkvertrags ist, dass das Auto in der nächsten Zeit gebrauchs- und fahrbereit bleibt.
Pflicht aus Werkvertrag verletzt
Allerdings hat die Werkstatt gegen ihre Pflicht aus dem Werkvertrag verstoßen, indem sie das Fahrzeug keiner umfassenden Prüfung der Verkehrssicherheit unterzogen hat. Nachdem die Werkstatt nach außen als Fachwerkstatt für Fahrzeuge der Marke Dodge auftrat, konnten alle Kunden – also auch das betroffene Unternehmen – davon ausgehen, dass sie alle Kenntnisse bezüglich der Verkehrs- und Betriebssicherheit hat oder sich kurzfristig besorgen kann. Dazu hätte sich die Werkstatt auf der Homepage des Herstellers Dodge selbstständig und regelmäßig über eventuell bestehende verkehrssicherheitsrelevante Rückrufaktion.n des betreffenden Fahrzeugmodells informieren müssen. Das hat sie aber nicht getan.
Bei Grauimport besonders wichtig
Durch regelmäßige Wartungen des Dodge in dieser Werkstatt war bekannt, dass es sich bei dem Kfz um einen sogenannten Grauimport handelt, also ein Fahrzeug, das vom Hersteller nicht regulär vertrieben oder eingeführt wurde. Bei solchen Grauimporten werden Kunden nicht offiziell vom Hersteller über eventuell auftretende Rückrufaktion.n informiert. Daher hätte die Werkstatt aber sich selbst über eventuell vorliegende Rückrufaktion.n informieren müssen.
Den eingetretenen Schaden hätte die Werkstatt dadurch verhindern können, wenn sie sich über die Rückrufaktion informiert und die betreffende Schraubenmutter angezogen hätte. Da sie das unterlassen hat, hat das Unternehmen gegen die Werkstatt einen Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4, 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
(OLG Hamm, Urteil v. 08.02.2017, Az.: 12 U 101/16)
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