Unfall beim Einparken: Wem gehört die Parklücke?
In den Städten ist Parkraum knapp. Daher freut sich jeder Autofahrer, wenn er in der Nähe seiner Wohnung oder seines Arbeitsplatzes einen Parkplatz gefunden hat. Den berühmten Streit um einen Parkplatz kennt wohl jeder aus Erfahrung, allerdings kommt es manchmal sogar zu einem Unfall. Das Landgericht (LG) Saarbrücken musste in einer aktuellen Entscheidung über einen solchen Fall urteilen.
Wem gehört die Parklücke?
Auf der Suche nach einem Parkplatz für seinen Pkw fuhr ein Mann in eine Sackgasse ein, die als sog. verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen ist. Dort erspähte er auch gleich eine freie Parklücke, fuhr vorbei und wollte rückwärts in diese Parkbucht einparken. Dumm nur, dass im gleichen Augenblick ein anderer Autofahrer in die gleiche Parklücke vorwärts einparken wollte. Es kam also zu einem Unfall, bei dem beide Fahrzeuge beschädigt wurden.
Klage vom Amtsgericht (AG) abgewiesen
Der rückwärtsfahrende Unfallverursacher klagte zunächst vor dem AG. Er wollte erreichen, dass der vorwärts einparkende Unfallgegner die Hälfte des Schadens tragen muss. Allerdings wurde die Klage des Mannes abgewiesen. Das Gericht war nach Anhörung der beiden Unfallparteien und der Einholung eines Sachverständigengutachtens nämlich der Meinung, dass der rückwärts einparkende Kläger den Unfall allein verschuldet hat. Aus diesem Grund trifft den vorwärts einparkenden Unfallgegner kein Verschulden oder Mitverschulden.
Berufung vor LG hat Erfolg
In Anlehnung an die Ansicht des AG stellten auch die Richter am LG fest, dass den rückwärts einparkenden Kläger tatsächlich ein Sorgfaltsverstoß trifft.
Hier gilt § 9 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht
Die Regelung des § 9 Abs. 5 StVO gilt in diesem Fall nicht, denn sie dient primär dem Schutz des fließenden Verkehrs und ist daher auf eine Straße im verkehrsberuhigten Bereich, wie im vorliegenden Fall, nicht direkt anwendbar. Gem. § 1 Abs. 2 StVO trifft immer denjenigen ein Verschulden, der rückwärts fährt und dabei mit einem anderen Verkehrsteilnehmer zusammenstößt. Das bedeutet, dass eigentlich der Kläger die Schuld am vorliegenden Unfall trägt.
Unfallgegner verstößt gegen § 12 Abs. 5 StVO
Die Berufung zum LG stütze sich zusätzlich auf einen Verstoß des vorwärts einparkenden Unfallgegners gegen § 12 Abs. 5 StVO. Diese Regelung gilt nicht nur im fließenden Verkehr, sondern beispielsweise auf Parkplätzen oder, wie im vorliegenden Fall, im verkehrsberuhigten Bereich. Nach dieser Regelung hat an einer freien Parklücke derjenige Vorrang, der diese zuerst erreicht. Dieser Vorrang bleibt auch dann bestehen, wenn man zunächst an der Parklücke vorbeifährt, um dann in diese rückwärts einzuparken.
Beklagter wollte Parkplatz unbedingt
Im hier vorliegenden Fall ist der Beklagte selbst vorwärts in die Parklücke eingefahren, obwohl, wie auf den Beweisfotos auch eindeutig zu erkennen ist, der Kläger zum Rückwärtseinparken angehalten hatte. In dieser Situation hätte er unbedingt den Vorrang des Klägers berücksichtigen müssen. Er hat aber dadurch, dass er selbst vorwärts in die Parklücke einfuhr, den Vorrang des rückwärtsfahrenden Klägers verletzt, und das hat dann zum Unfall geführt.
Geteilte Haftung 50:50
Die Richter des LG nahmen eine Haftungsabwägung vor und stellten fest, dass die erhöhte Betriebsgefahr beim Rückwärtseinparken des Klägers der Vorrangsverletzung des Klägers durch den Beklagten gleichwertig gegenübersteht. Der vorliegende Unfall hätte dadurch verhindert werden können, dass der Beklagte abgewartet hätte, bis der Kläger eingeparkt hätte. Somit stellten die Richter eine Haftung von 50:50 für beide Parteien fest. Der Kläger konnte folglich die Hälfte seiner Kosten vom Beklagten ersetzt verlangen.
(LG Saarbrücken, Urteil v. 15.07.2016, Az.: 13 S 20/16)
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