Verkehrsunfall: Wer muss den Sachverständigen zahlen?

Nach einem Verkehrsunfall ist guter Rat im wahrsten Sinne des Wortes teuer. Der technische Laie hat oftmals schließlich keine Ahnung, wie stark sein Fahrzeug beschädigt wurde – also muss er einen Sachverständigen mit der Ermittlung der Schadenshöhe beauftragen. Das geht ziemlich ins Geld, weshalb der Unfallgeschädigte regelmäßig auch diese Kosten vom Unfallverursacher ersetzt verlangt. Doch ist dieser immer zur Zahlung verpflichtet?
Sachverständiger begutachtet Unfallwagen
Ein Autofahrer wurde in einen Auffahrunfall verwickelt. Um die Höhe des entstandenen Schadens – zwecks Geltendmachung eines Ersatzanspruchs gegen den Unfallverursacher – klären zu lassen, ließ er sein Fahrzeug von einem Sachverständigen begutachten, der den Netto-Schaden auf 775,18 Euro schätzte. Für diese Arbeit wurden weitere 292 Euro fällig, die der Geschädigte ebenfalls von seinem Unfallgegner verlangte.
Der wollte die Sachverständigenkosten allerdings nicht übernehmen. Immerhin sei der Geschädigte dazu verpflichtet, den zu ersetzenden Schaden so gering wie möglich zu halten. Somit hätte bei einem Netto-Schaden von nur 775,18 Euro die Einholung eines Kostenvoranschlags für eine Reparatur vollkommen ausgereicht. Der Streit der beiden Unfallbeteiligten endete daraufhin vor Gericht.
Kostenvoranschlag oder Sachverständigengutachten?
Das Amtsgericht (AG) Hamburg verpflichtete den Unfallverursacher zur Erstattung der Sachverständigenkosten.
Unfallverursacher ist schadenersatzpflichtig
Grundsätzlich kann der Geschädigte eines Unfalls nicht irgendeinen Betrag vom Unfallverantwortlichen verlangen. Dieser muss vielmehr nur für den von ihm verursachten Schaden geradestehen, den ein technischer Laie aber regelmäßig nicht selbst ermitteln kann. Aus diesem Grund wird nach einem Autounfall zumeist ein Sachverständiger mit der Ermittlung der Schadenshöhe beauftragt. Da Schaden und Begutachtung des Kfz unmittelbar miteinander zusammenhängen, muss der Unfallverursacher die Gutachtenkosten in der Regel auch übernehmen.
Erforderlichkeit der Gutachterkosten?
Allerdings sind dem Geschädigten bei der Höhe der Geldforderung Grenzen gesetzt: Er muss nämlich dafür sorgen, dass der zu ersetzende Schaden möglichst gering bleibt. Die Sachverständigenkosten müssen daher erforderlich und zweckmäßig sein.
Ob ein Gutachten wirklich erforderlich war, beurteilt sich grundsätzlich danach, ob es der Geschädigte zur Zeit der Beauftragung für erforderlich halten durfte. Das wäre z. B. der Fall, wenn die komplette Stoßstange eingedrückt ist und dahinter erhebliche Schäden möglich sind, die bei einer nur oberflächlichen Überprüfung nicht entdeckt werden würden. In einem solchen Fall darf stets ein Gutachter beauftragt werden, selbst wenn der Schädiger bereits einen eigenen Sachverständigen hinzugezogen hat.
Daneben spielt bei der Frage der Erforderlichkeit auch die Schadenshöhe selbst eine wichtige Rolle: Bei einem geringen Schaden etwa muss kein teures Gutachten in Auftrag gegeben werden. Vielmehr müsste der Geschädigte dann z. B. mit einem Kostenvoranschlag vorlieb nehmen. Ein Bagatellschaden wird derzeit angenommen, wenn der Schaden 750 Euro nicht überschreitet. Ferner wird ein Sachverständigengutachten nicht nötig sein, wenn von vornherein klar ist, dass die Gutachtenkosten außer Verhältnis zum Schaden selbst stehen.
Vorliegend lag jedoch kein Bagatellschaden mehr vor. Der Schaden belief sich immerhin auf 775,18 Euro. Auch war bei der eingedrückten Kfz-Stoßstange mit dahinter liegenden Schäden zu rechnen. Ein Laie hätte daher niemals den tatsächlichen Schaden ermitteln können, sodass der Geschädigte die Beauftragung eines Sachverständigen für erforderlich halten durfte.
(AG Hamburg, Urteil v. 30.03.2016, Az.: 33a C 336/15)
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