Wer ist Schuld beim Glatteis-Unfall?
Ist auf öffentlichen Straßen mit Glatteis zu rechnen? Und kann der Landkreis haftbar gemacht werden, wenn es zu einem Unfall kommt?
Schnee, Eis, überfrierende Nässe – das sind nur einige der Gefahren, die der Winter so mit sich bringt. Und sie alle erhöhen das Unfallrisiko auf deutschen Straßen erheblich. Kommt ein Autofahrer tatsächlich wegen überfrierender Nässe oder Schneeglätte von der Straße ab, stellt sich die Frage, ob er einen Anspruch auf Schadenersatz hat.
Unfall wegen spiegelglatter Straße
Eine Autofahrerin war im Dezember bei einer Außentemperatur von nur 3 Grad Celsius außerorts auf einer öffentlichen Straße unterwegs. Ihr Weg führte sie durch ein kleines Waldstück und danach auf eine Straße, die links von Bäumen gesäumt war. Hier kam sie mit ihrem Pkw in einer Linkskurve zunächst ins Schlingern und dann von der Straße ab. Doch damit nicht genug: Sie rutschte mit dem Fahrzeug gegen eine Baumgruppe und verletzte sich schwer.
Einige Zeit später verlangte sie vom Landkreis, in dessen Gebiet sich die Straße befindet, Schadenersatz. Aufgrund überfrierender Nässe sei es auf der Straße spiegelglatt gewesen, was sie aber nicht rechtzeitig habe erkennen können. Hier habe der Landkreis es pflichtwidrig versäumt, den Straßenabschnitt ordnungsgemäß zu streuen. Allein wegen dieser Pflichtverletzung sei es zu dem Unfall gekommen. Der Landkreis dagegen wies jegliche Verantwortung von sich, weshalb die Autofahrerin vor Gericht zog.
Wer nicht aufpasst, ist selbst schuld
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm kam zu dem Ergebnis, dass der Autofahrerin gegen den Landkreis keinerlei Ansprüche auf Schadenersatz zustehen.
Streupflicht nur an besonders gefährlichen Stellen
Eine Pflichtverletzung des Landkreises war nicht ersichtlich, denn er war nicht dazu gehalten, das betreffende Straßenstück zu streuen. Vielmehr muss er auf öffentlichen Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften nur an besonders gefährlichen Stellen streuen, um Glatteisbildung zu verhindern. Besonders gefährlich ist eine Stelle, wenn für einen Autofahrer nicht erkennbar ist, dass sich die betreffende Straße in einem gefährlichen Zustand befindet – weil sie z. B. spiegelglatt ist –, obwohl er aufgrund der winterlichen Verhältnisse den Straßenzustand besonders aufmerksam beobachtet hat.
Wer allerdings im Dezember und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt durch ein Waldstück bzw. auf einer Straße fährt, die von Bäumen gesäumt ist, muss mit – überraschender – Glätte auf der Fahrbahn rechnen. In diesem Fall hat er seinen Fahrstil an die Witterungsverhältnisse anzupassen, also vor allem die Geschwindigkeit zu verringern und ruckartige Lenk- sowie Bremsmanöver zu vermeiden.
Auf Straßen ist mit Glätte zu rechnen
Im vorliegenden Fall hätte die Autofahrerin aufgrund der Witterungs- und Straßenverhältnisse damit rechnen müssen, dass die Straße an manchen Stellen glatt ist. Wer etwa durch ein Waldstück fährt, sollte wissen, dass die Sonne nicht gleichmäßig auf die Straße scheint und daher die schattigen Stellen auf der Fahrbahn vereist sein können.
Auch wies die Fahrbahn kein besonderes Gefälle und auch keine sonstigen außergewöhnlichen Straßenverhältnisse auf, die eine Unfallgefahr erhöhen könnten. Im Gegenteil – die Straßenführung ist an der betreffenden Strecke für jedermann gut sichtbar. Aus diesem Grund verneinten die Richter das Vorliegen einer besonders gefährlichen Stelle. Sie waren vielmehr der Ansicht, dass die Autofahrerin mit unangepasster Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei und damit den Unfall selbst verursacht habe.
(OLG Hamm, Urteil v. 12.08.2016, Az.: 11 U 121/15)
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