Komplimente machen: Wie man Wertschätzung richtig zeigt
Sie stärken unser Wohlbefinden ebenso wie unsere sozialen Beziehungen. Dennoch kommen Komplimente nur selten über die Lippen. Der 2003 initiierte Welttag des Kompliments am 1. März versucht das zu ändern. Doch wie gelingt ein wertvolles Kompliment und wann ist der passende Moment, es auszusprechen? Muriel Böttger, Psychologin und Expertin für mentale Gesundheit bei der Meditations-App Headspace, klärt im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news auf.
Wie wichtig sind Komplimente?
Muriel Böttger: Komplimente sind sehr wichtig für unser Wohlbefinden. Sie stärken unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und können uns glücklicher machen. Wir sollten uns also viel öfter entschließen, Komplimente zu verteilen. Genauso sollten wir uns angewöhnen, sie mit offenen Armen zu empfangen.
Was bewirken Komplimente in unserem Körper?
Böttger: Komplimente schütten das Glückshormon Oxytocin aus. Es wird auch Kuschelhormon genannt und sorgt zwischen Menschen für Verbundenheit. Außerdem werden Dopamin und Serotonin produziert, die uns ein gutes Gefühl geben. Das passiert übrigens nicht nur bei der Person, die das Kompliment empfängt. Auch Komplimente zu verteilen, macht glücklich.
Wieso fühlen wir uns nach einem Kompliment so gut?
Böttger: Einerseits aufgrund des beschriebenen Glückshormon-Cocktails. Andererseits, weil wir uns von einer anderen Person gesehen und wertgeschätzt fühlen. Vor allem, wenn es sich um ein gutes Kompliment handelt. Damit meine ich, dass unser Gegenüber etwas Positives erwähnt, worauf wir selbst stolz sind oder womit wir uns identifizieren können. Das kann alles Mögliche sein. Manche Menschen fühlen sich besonders glücklich, wenn jemand ihre berufliche Kompetenz kommentiert. Andere wiederum freuen sich über Lob für ein selbstgekochtes Essen. Oder sie strahlen, wenn sie Komplimente für ihr attraktives oder gepflegtes Aussehen bekommen.
Warum fällt es vielen schwer, Lob auszusprechen?
Böttger: Ich habe den Eindruck, dass viele noch so sozialisiert worden sind. Haben sich in jungen Jahren Redensarten wie "Nichts gesagt, ist genug gelobt" eingeprägt, kann es sein, dass Komplimente einem nicht leicht von der Zunge gehen. Das heißt, wir müssen uns bewusst dafür entscheiden, das zu ändern und Positives zu bemerken. Nicht nur meckern.
Es gibt diesbezüglich bereits gute Entwicklungen an Schulen und in Unternehmen. Langsam sickert durch, dass Komplimente und Wertschätzungen die Motivation erhöhen und das Zusammensein angenehmer machen. Vor allem bei jungen Menschen, Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern ist es wichtig, auf ausgewogenes Feedback zu achten und Kritik mit einer wertschätzenden Beobachtung zu ergänzen. So lässt sich die Rückmeldung besser annehmen.
Wann ist ein Kompliment angebracht? Wann nicht?
Böttger: An sich würde ich erstmal sagen, dass ein Kompliment immer angebracht ist. Aber natürlich muss es zur Situation passen, in der ich mich mit meinem Gegenüber befinde. Es gibt beispielsweise Personen, die ungerne im Mittelpunkt stehen und die sich durch ein Kompliment vor versammelter Runde nicht beschenkt, sondern eher bedrängt fühlen. Ahne ich das, warte ich lieber ab, bis sich eine Situation ergibt, in der weniger Leute zuhören.
Zudem gibt es im Zuge von #MeToo eine große und wichtige Debatte: Was ist ein Kompliment und was eine sexistische Bemerkung? Grundsätzlich würde ich sagen, dass es völlig in Ordnung ist, Äußerlichkeiten zu kommentieren. Bei den meisten Menschen kommen Bemerkungen zur Ausstrahlung, zum Lächeln und zum Stil sehr gut an. Was hingegen nie angebracht ist, sind Kommentare zum Po oder den Brüsten. Das gilt als sexistische Bemerkung und sollte bitte unterlassen werden.
Auch bei sogenannten "vergifteten Komplimenten" ist Vorsicht geboten. Sie sind eine Mischung aus Beleidigung und Kompliment, wie bei: "Wow, heute siehst du sehr erfrischt und erholt aus. Letztes Mal hast du so fertig ausgesehen." Solche Nachbemerkungen verletzen und lassen den schönen Mix aus Oxytocin, Serotonin und Dopamin verpuffen. Übrig bleibt Ärger oder Traurigkeit. Damit das Kompliment seine volle Wirkung entfalten kann, solche Nebensätze lieber streichen.
Darf man jeder beliebigen Person ein Kompliment machen oder gibt es Tabus?
Böttger: Grundsätzlich ja, aber eben immer respektvoll. Ist man abends in einer Bar und findet jemanden attraktiv, empfehle ich, mutig zu sein und das anzusprechen. Das kann zum Beispiel so klingen: "Hi, ich möchte dir gerne kurz ein Kompliment für deine Ausstrahlung machen. Die wirkt so positiv auf mich und macht mir gute Laune." Entscheidend ist, die Person dann auch wieder in Ruhe zu lassen. Ein Kompliment ist keine Eintrittskarte für ein längeres Gespräch. Das kann sich zwar ergeben, nur würde ich nicht davon ausgehen. So bleiben die persönlichen Grenzen der Person gewahrt und man vermeidet, das Gegenüber in Bedrängnis zu bringen.
Wodurch zeichnet sich ein wertvolles Kompliment aus?
Böttger: Ein wertvolles Kompliment zeichnet sich dadurch aus, dass es ernst gemeint ist und von Herzen kommt. So lapidar das klingen mag. Aber wenn ich etwas wirklich ernst meine, kommt es auch so rüber. Ich spreche es nicht nur mit Worten aus, sondern unterstreiche es auch mit meiner Mimik und Gestik.
Wieso kommentieren wir hauptsächlich Äußerlichkeiten, Materielles oder Leistung und nur selten innere Werte?
Böttger: Das hat vielleicht damit zu tun, dass wir eine Person nicht gut kennen. In diesem Fall müssen wir uns auf etwas beziehen, das von außen zu sehen ist. Und das sind eben das Aussehen, die Kleidung oder erbrachte Leistungen. Verbringen wir mehr Zeit mit einer Person, erkennen wir, welche inneren Werte sie ausmachen und was wir an ihr schätzen. Ich empfehle, das auszusprechen. Vielleicht ergibt sich daraus ein tiefgründiges Gespräch und es ist uns möglich, die Bindung zu der Person weiter zu stärken?
Warum tun wir uns oftmals schwer damit, Komplimente anzunehmen?
Böttger: Das liegt stark an unserer kulturellen Prägung. Viele haben gelernt, bescheiden zu sein. Deshalb fällt es nicht leicht, Wertschätzungen von außen anzunehmen. Ich erinnere aber an das Sprichwort: "Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr."
Selbstvertrauen ist eine wunderbare Sache, macht glücklicher und bringt uns weiter. Die Angst, dadurch arrogant zu wirken, ist oft unbegründet. Wer sich selbst gut kennt und reflektiert und offen für positive wie negative Rückmeldungen bleibt, wird von seinen Mitmenschen als angenehme Person empfunden.
Welche Rolle spielt Selbstliebe im Umgang mit Lob?
Böttger: Wenn wir uns selbst schätzen und akzeptieren, wie wir sind, fällt es uns leichter, Lob anzunehmen. Wer mit sich hadert, sollte das nicht als Hindernis, sondern als Chance zu wachsen sehen.
Wie gelingt es, weniger selbstkritisch und offener für positives Feedback zu sein?
Böttger: Ich empfehle, sich bewusst zu überlegen und aufzuschreiben: Was schätze ich an mir selbst? Das kann etwas ganz Kleines sein. Außerdem können wir üben, Komplimente anzunehmen. Wir brauchen sie nicht zu erwidern oder klein zu machen.
Machen wir selbst jemandem ein Kompliment, merken wir, wie angenehm es ist, anstelle einer umständlichen Erklärung oder eines angestrengten Gegenkompliments ein einfaches Dankeschön oder Lächeln zurückzubekommen. Nehmen wir positives Feedback an, beschenken wir folglich immer zwei: uns selbst und die andere Person. Das zu wissen, kann im Umgang mit Komplimenten hilfreich sein.
Zudem rate ich, sich von dem Leitspruch "Eigenlob stinkt" zu verabschieden. Als Psychologin begrüße ich es, wenn eine Person sich der eigenen Qualitäten und Talente bewusst ist und diese aussprechen kann. Das ist die Voraussetzung dafür, Komplimente dankend annehmen zu können. Da stinkt also gar nichts! Am besten gleich ausprobieren und sich ein Kompliment machen.