Das alte Duell steht endlich unter Spannung
Bentley betritt mit der Luxus-Elektrostudie EXP 15 das bisher einsame Revier des Rolls-Royce Spectre. Ein erster Vergleich der beiden Goldbarren auf Rädern.
Bentley weist mit der Studie EXP 15 einen klaren Weg in die elektrische Zukunft. Dabei hat das dreitürige Dickschiff aus Crewe/Enlgand eigentlich nur einen Gegner klar im Visier: den elektrischen Rolls-Royce Spectre . Der hat schon das allerfeinste Revier markiert und stromert bereits seit 2023 durch die teuersten Fuhrparks der Welt. Ein erster Vergleich für die, die auch bei der E-Mobilität nach ganz oben sehen.
Design: Elektroantrieb, aber massive Fronten
Auch wenn sich hinter den riesigen Fronten und unter den langen Motorhauben keine klassischen Motoren verstecken, so setzen beide Luxus-Hersteller doch auf eine traditionell, feudale Optik. Der Rolls-Royce Spectre präsentiert sich seit 2023 mit imposanten Abmessungen, die seine Position als elektrisches Ultra-Luxuscoupé unterstreichen sollen. Mit einer Länge von 5.453 Millimetern, einer Breite von 2.080 Millimetern (ohne Spiegel) und einem Radstand von 3.210 Millimetern rangiert der Spectre selbst im Luxussegment am oberen Ende. Die ausgeprägte Schulterlinie, die lange Motorhaube und das sanft abfallende Dach führen zu einer souveränen Präsenz im Straßenbild, während der überdurchschnittliche Radstand nicht nur der Fondpassagier-Freiheit, sondern auch der Fahrstabilität auf langen Distanzen dienen soll.
Der Bentley EXP 15 ist ebenfalls ein gewaltiger Luxusbarren auf vier Rädern – auch wenn er bislang lediglich als Designstudie gezeigt wurde. Erste Einschätzungen deuten auf ähnliche Dimensionen hin. Mit einer geschätzten Länge von rund 5,20 Metern und einem Radstand jenseits der Drei-Meter-Marke positioniert sich der elektrische Bentley anders als der dreitürige Rolls-Royce Spectre als sportlicher Viertürer. Etwas kürzere Überhänge, breitere Spur und niedrigere Gesamthöhe – der Bentley ist eher ein Grand Tourer Coupé. Damit möchte Bentley wohl auf eine etwas jüngere Zielgruppe abzielen.
Innenräume wie moderne Paläste auf Rädern
Der Innenraum der Bentley-Studie EXP 15 demonstriert, wie sich britischer Luxus mit modernster Technologie und nachhaltigen Materialien verbinden lassen soll. Statt klassischem Leder setzt Bentley auf innovative Alternativen wie Mycelium-Textilien, recycelte Naturfasern und offenporige Hölzer mit CO₂-neutraler Verarbeitung. Digitalität steht im Mittelpunkt: Ein durchgängiges OLED-Display erstreckt sich über das Armaturenbrett, ergänzt durch haptisch hochwertige Bedienelemente aus gefrästem Aluminium. Das Ambiente ist klar, aber auch gemütlich gestaltet – die Nachttischlampe am Ende der Mittelkonsole setzt der britischen Noblesse die Krone auf.
Im Rolls-Royce Spectre soll die Insassen ein Interieur von kompromissloser Materialqualität und makelloser Verarbeitung erwarten – gefertigt nach individuellen Kundenwünschen. Der Sternhimmel ("Starlight Headliner") mit über 4.000 Glasfasern, feinste Lederausstattungen, poliertes Edelholz und vergoldete Details schaffen ein mobiles Refugium auf höchstem Niveau. Anders als bei Bentley bleibt der Spectre bewusst analog geprägt: klassische Rundinstrumente, metallene Kippschalter und ein zurückhaltend integriertes Infotainmentsystem betonen die Philosophie des mühelosen Luxus ("effortless luxury"). Der Innenraum ist kein Hightech-Showroom, sondern ein maßgeschneidertes Kunstwerk britischer Handwerkskultur im Elektrozeitalter.
Mächtige E-Maschinen passen perfekt ins Luxus-Segment
Apropos Elektrozeitalter: Der Bentley EXP 15 gibt als seriennahe Studie einen Ausblick auf die kommende vollelektrische Modellgeneration der britischen Luxusmarke. Das Antriebskonzept basiert voraussichtlich auf der konzernweiten SSP-Plattform des Volkswagen-Konzerns, die ein 800-Volt-Bordnetz, Ladeleistungen bis zu 350 kW und modulare Batteriegrößen über 100 kWh ermöglicht. Erwartet wird ein Dual-Motor-Setup mit elektrischem Allradantrieb, das eine Systemleistung von über 600 PS und ein Drehmoment jenseits der 900 Nm bieten dürfte. Bentley legt dabei den Fokus auf eine kultivierte Kraftentfaltung, hohe Langstreckeneffizienz und modernster Fahrwerksintegration mit aktiver Wankstabilisierung – zugeschnitten auf die Anforderungen der Luxusklasse.
Im Gegensatz dazu ist der Rolls-Royce Spectre bereits als erstes vollelektrisches Serienmodell der Marke erhältlich und setzt auf ein eigenentwickeltes Antriebskonzept innerhalb der "Architecture of Luxury". Der elektrische Antriebsstrang besteht aus zwei Synchronmaschinen, die gemeinsam 430 kW (585 PS) und 900 Nm bereitstellen und den knapp drei Tonnen schweren Luxus-Kreuzer in 4,5 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Anders als bei sportlich geprägten E-Fahrzeugen liegt der Fokus beim Spectre auf absoluter Laufruhe, linearer Leistungsentfaltung und nahtloser Integration des Antriebs in das berühmte "wafting"-Fahrerlebnis. Die 102-kWh-Batterie arbeitet auf 400-Volt-Basis und erlaubt bis zu 530 km Reichweite (WLTP), wobei die Ladeleistung mit maximal 195 kW im Vergleich zur Bentley-Studie zurückhaltender ausfällt.
Marktsituation und Preise
Rolls-Royce hat mit dem Spectre bereits im Jahr 2024 sein erstes vollelektrisches Serienmodell auf den Markt gebracht und damit einen großen Schritt in die elektrische Zukunft der Marke vollzogen. Das luxuriöse 2+2-Coupé kostet in der Grundkonfiguration rund 400.000 Euro – je nach Individualisierung durch das Bespoke-Programm auch deutlich mehr. Damit positioniert sich der Spectre nicht nur als technologisches Flaggschiff, sondern bleibt zugleich dem exklusiven Selbstverständnis der Marke treu. Die Nachfrage übertraf bereits kurz nach dem Bestellstart die ursprünglichen Erwartungen. Zwischenzeitlich drohte Rolls-Royce seinen Kunden sogar, das Elektro-Coupé weiterzuverkaufen.
Bentley dagegen plant den Einstieg in die Elektromobilität erst – zunächst mit einem SUV und anschließend mit einem Serienmodell auf Basis der Studie EXP 15, das voraussichtlich 2026 Premiere feiern wird. Die vollelektrische Limousine soll das neue technologische und gestalterische Flaggschiff der Marke werden und sich klar über dem aktuellen Flying Spur positionieren, der je nach Antrieb zwischen 220.000 und 300.000 Euro kostet. Auch gegenüber dem Bentayga EWB, der in Vollausstattung schnell 330.000 Euro erreichen kann, dürfte das künftige Elektro-Topmodell preislich nochmals darüberliegen. Offizielle Preise nennt Bentley bislang nicht, doch angesichts des ersten Eindrucks und der zu erwartenden Ausstattung dürften Basispreise jenseits von 300.000 Euro realistisch sein.