Creme21 Youngtimer-Rallye
Creme21 ist nicht nur ein Hautpflegemittel, sondern auch Symbol der Youngtimer-Bewegung. 100 bunte Kultmobile fuhren 1.000 orangene Kilometer von der Pfalz bis an den Niederrhein.
Eine Stoppuhr brauchen wir nicht. Eine Spaßrallye wie die Creme21 lebt nicht von Gleichmäßigkeitsprüfungen, sondern von Geschicklichkeitsspielen. Der Ehrgeiz des Beifahrers auf dieser langen, genussvollen Reise von der Pfalz an den Niederrhein beschränkt sich darauf, das etwas grobmaschig gestrickte Roadbook gelegentlich mit der Generalkarte abzugleichen.
Größere Ausflüge ins dicht begrünte Abseits von Pfälzer Wald, Taunus oder Westerwald werden so verhindert. Städtetouren in Saarbrücken, Frankfurt oder Düsseldorf enden dann nicht jäh im Wendehammer.
Das Versenken möglichst vieler Weinkorken in ein Pappkarton-Tor oder das Raten von 70er-Jahre-Stars auf Singlehüllen oder Kinofotos bringt uns dem wegen uncoolen Strebertums nur lässig nebenbei akzeptierten Tagessieg näher als das pedantische Einhalten von Lenk- und Ruhezeiten. Creme21, diese Mischung aus Cruising, Kindergeburtstag und kollektivem Du bei hochoktanigen Benzingesprächen, ist wie eine fünftägige Insel der Auto-Seligen im Alltagsmeer drumherum. Wenn die orangene Creme richtig einzieht, vergisst man sogar den Wochentag.
Drei Tagesetappen, 300 Kilometer
Es gilt, drei Tagesetappen von gut 300 Kilometern zu bewältigen und als Nachschlag noch einen 100-km-Epilog am Sonntag. Nach einer furiosen Eröffnungsfeier im Düsseldorfer Meilenwerk wird sich die Karawane der Roten Nummer der Melancholie sterbender Dörfer auf dem Braunkohlenterrain von Garzweiler II hingeben.
Wir stoßen mit unserem von Volkswagen geborgten 82er Santana GL 5 erst in Landau auf das illustre Starterfeld rarer Youngtimer, das in seiner bunten Vielfalt an Haribo Colorado erinnert. Ein Roadbook wird uns erst später ausgehändigt, so heften wir uns mit unserem roten Santana ans üppige Heck des roten Mercedes 450 SLC 5.0 von Mutter und Sohn Freitag. Sie lassen uns über weite Strecken behutsam folgen.
Am Steuer des Santana fallen dabei so philosophische Worte wie: „ Der Fünfzylinder ist der V8 des kleinen Mannes“ oder „fahrdynamisch ist der Frontantrieb doch überlegen.“ Souverän, wie uns der von allen Teilnehmern weit unterschätzte Santana mit seinem breitspurigen Mc-Pherson-Starrachs-Fahrwerk aus den engen Serpentinen der grandiosen Pfälzer Bergwelt zieht. Wunderbar, wie uns der sangesfreudige Bariton des Fünfzylinders stets bei Laune hält.
Selbst wenn wir wegen des defekten Heizventils mal wieder schwitzen wie in der Sauna, hören wir sein Trommeln mit Genuss. Gern tritt die zweite Fahrstufe der Dreigang-Automatik in Aktion. Auch wenn es mal nicht so steil hergeht, kaschieren wir damit die Drehmomentschwäche des Fünfzylinders und lassen ihn noch mehr fauchen und grummeln – diesen ungeschminkten Alu- und Eisenhaufen.
Apropos Eisen
Die Völklinger Hütte saugt die Kolonne der bunten Youngtimer förmlich auf. Dieses monumentale Stahlwerk, groß wie eine Stadt und imposantes Weltkulturerbe obendrein, zieht mit ihrem rostigen Labyrinth von Röhren und Türmen die Creme21-Teilnehmer spätestens bei der Besichtigung in ihren Bann. Zuschauer Bernd Bujak fährt uns in seinem 350 SL Koenig-Special eine Zeit lang hinterher, selten passen Auto und Fahrer so gut zusammen.
Am Tag danach, auf den engen, gewundenen Kreisstraßen des Taunus, weit hinter Niedernhausen, folgt uns für eine Weile Hotelier Heiko Stemmler in seinem Mercedes 380 SL. Später, beim Freistil-Minigolf auf dem Parkplatz einer Stempelkontrolle, fragt er vorsichtig: „Habt ihr den getunt?“ „Nee, der geht wirklich so gut.“ Kumpel Ulf fährt recht beherzt.
Im Navigieren eine Niete, macht er uns am Volant alle Ehre und wirft beim Ausreizen des Fronttrieblers seine geballte Fahrpraxis mit diversen Golf-GTI-Modellen in die Waagschale. Die Streckenführung dieser Youngtimer- Rallye ist eine Offenbarung. Selbst zwischen die Ballungsräume von Köln und Düsseldorf passen noch Straßen, die man eher in der Toskana oder um den Gardasee wähnt, der plötzlich Dhünn-Talsperre heißt.
Geschicklichkeitsspiele und Rätselraten an den Stempelkontrollen lockern Körper und Geist auf. Das Starterfeld mit betörenden Boliden wie Mercedes 500 SEC AMG, Citroën SM, Volvo 262 C, Jensen-Healey, Audi Quattro oder DeLorean DMC 12 formiert sich dort immer wieder neu in jener brisanten Mischung, die Benzingespräche sofort entflammt.
Der ewige W 123 stellt mit acht Mandaten wieder die größte Fraktion, sogar unser VW Santana sichert sich als Fünfzylinder (ach so ?!) einen gewissen Respekt. Manfred Grunert von der Mobilen Tradition schließlich fordert das ultimative Parkplatzduell Santana versus M1 – Cola-Zero-Flaschen würden sich gut als Pylone eignen.
Die Creme21 macht eben ausgelassen und heiter. Standesunterschiede verwischen, der Porsche Turbo-Fahrer findet plötzlich den entfernten Boxer-Verwandten Subaru 1800 4WD toll, und der SLC-Besitzer bewundert den resedagrünen BMW 633 CSi von Jens Nodop aus Hamburg. Das Concours-Exemplar wäre beinahe Cover Car dieses Hefts geworden, aber das Topmodell 635 CSi hat schließlich gesiegt.