Ford gibt Entwicklung doch nicht auf
Manche Entscheider dachten schon an eine Einstellung – aber Ford gibt die Entwicklung seiner Zukunfts-Elektronik-Architektur doch nicht auf. Allerdings gibt es anscheinend massive Änderungen.
Ford hat sein Programm zur Entwicklung eines vollvernetzten Fahrzeugs (FNV4-Programm) massiv geändert, Reuters hatte mit Berufung auf Insider sogar von einer Einstellung des Projekts berichtet. Ford widerspricht allerdings dieser Darstellung. Konzern-Verantwortliche hatten mehrfach die Wichtigkeit des FNV4-Programms für den Wettbewerb mit Elektroautoherstellern wie Tesla betont. Für Ford-CEO Jim Farley und seinen Stellvertreter, den ehemaligen Apple- und Tesla-Manager Doug Field hatte das Projekt immer strategische Priorität. Farley hatte Field mit der Fertigstellung von FNV4 beauftragt – nach Angaben von Reuters hat Field im Jahr 2024 15,5 Millionen Dollar (aktuell umgerechnet zirka 13,64 Millionen Euro) verdient.
Die Gründe für das plötzliche Beinahe-Aus sollen explodierende Kosten und Verzögerungen sein. Im Vergleich zu Start-ups, die ihre Software von Grund auf selbst entwickeln, müssen sich etablierte Autohersteller mit den verschiedenen Softwarecodes ihrer verschiedenen Zulieferer auseinandersetzen. Jim Farley bedauerte im Juni 2023 im Podcast "Fully Charged": "Wir haben rund 150 dieser Halbleitermodule im ganzen Auto. Das Problem ist, dass die Software von 150 verschiedenen Unternehmen geschrieben wird, die nicht miteinander kommunizieren. Obwohl Ford draufsteht, muss ich mich an den Zulieferer Bosch wenden, um die Genehmigung zur Änderung der Sitzsteuerungssoftware einzuholen." Mit der Integration der verschiedenen Softwarecodes in das Gesamtsystem tun sich die klassischen Autohersteller wegen der hohen Komplexität schwer. Das FNV4-Programm soll in den Bereichen Elektroautos und Software 2023 maßgeblich zu den 4,7 Milliarden Dollar (4,14 Milliarden Euro) und 2024 fünf Milliarden Dollar (4,41 Milliarden Euro) Verlust beigetragen haben, die Ford eingefahren hat.
Kooperationspartner könnte helfen
Jetzt sollen immerhin die bisher aus dem FNV4-Projekt gewonnenen Erkenntnisse noch in die Weiterentwicklung der aktuellen Softwareplattform fließen. Dafür ist aktuell ein in Kalifornien ansässiges sogenanntes Skunkworks-Team zuständig. Skunkworks-Teams sind kleine, manchmal geheime Teams innerhalb einer größeren Organisation, die mit einem hohen Maß an Autonomie arbeiten, um innovative Projekte zu entwickeln. Gegenüber Ford Authority betonen die Ford-Verantwortlichen jetzt, dass man zunächst eine eigene separate Architektur für kommende kostengünstige Elektrofahrzeuge entwickle. Und FNV4 sei nicht gestrichen, man bündele nur die Erkenntnisse für eine künftige vereinfachte Elektronik-Plattform. Dafür migrieren Ford-Spezialisten nun FNV4 (Modulsoftware und deren Steuerung von zentralen Standorten aus) und die Arbeiten, beispielsweise an kabellosen Updates (OTA – over-the-air), auf eine gemeinsame Architektur. Dabei soll eine zentrale Software die verschiedenen Steuerungs-Softwares koordinieren. Diese Software rolle man dann sowohl für Elektro- als auch für klassische Verbrennungsmotor-Modelle aus.
Ob Ford beim Thema "automobiles Gehirn" ausschließlich wie genannt weitermachen möchte, ist unbekannt. VW hat sich in Sachen Software zum Beispiel Rivian mit ins Boot geholt. Und Ford kooperiert ohnehin bereits mit VW im Bereich leichte Nutzfahrzeuge. So basiert der VW Amarok auf der gleichen Plattform wie der Ford Ranger und die Transporter-Variante des VW T7 basiert auf dem Ford Transit Custom der zweiten Generation. Außerdem hat das VW-Management jüngst betont, dass man sich weitere Kooperationen mit Ford vorstellen könne. In dem Zusammenhang ist das Gerücht aufgetaucht, dass Ford wieder einen Fiesta bauen könnte – auf Basis der für die künftigen Elektro-Kleinwagen ID.1 und ID.2 gedachten verkürzten MEB-Plattform. Eine Zusammenarbeit auch beim Thema Elektronik-Architektur läge da nahe. Ford besaß zudem auch mal elf Prozent der Stimmenanteile an Rivian, den die Amerikaner allerdings 2023 auf 1,15 Prozent reduziert haben. Somit hat Ford auch Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Elektroautohersteller.
Überlebenswichtige Kompetenz
Branchen-Experten beteuern, dass die Entwicklung einer reibungslos funktionierenden und drahtlos updatebaren Elektronik-Architektur zu den wichtigsten Zielen eines jedes Autoherstellers gehört – nur so bleibt ein Hersteller wettbewerbsfähig.