Angst vor gleichen F1-Autos ab 2021

Die Formel 1-Teams wollen sich nicht mit den geplanten Standardteilen ab 2021 anfreunden. Sie fürchten, dass dadurch alle Autos gleich sein werden. Die Regelmacher gehen einen Schritt auf sie zu, und schlagen ein Open-Source-System vor.
Am Donnerstag nach dem GP Italien trafen sich Teams, FIA und FOM in Genf zur nächsten Gesprächsrunde. Es ging mal wieder um die Zukunft des Sports. Um Qualifikationsrennen ab 2020, und die Regelrevolution ab 2021. Dann soll alles besser werden. Geringere Kosten, einfachere Autos, mehr Überholmanöver, ein engeres Feld.
Es bleiben den Drahtziehern des Sports nur noch etwas mehr als fünf Wochen. Ende Oktober muss das Reglement für 2021 stehen. Das Technik-Reglement, das Sport-Reglement und das Finanz-Reglement. Die FIA und Rechteinhaber Liberty Media peitschen offenbar ihre Agenda durch – mit weniger Rücksicht auf die Teams als jemals zuvor. „Sie ziehen jetzt durch“, sagt ein Teamchef. „Wenn ein Team einen Vorschlag macht, der ihnen nicht gefällt, lehnen sie ihn direkt ab.“ Das soll nicht heißen, dass es keine Verhandlungen gibt. Wenn eine Idee aus Sicht der Entscheider gut ist für die Formel 1, wird ihr Gehör geschenkt.
Racing Point schimpft
Das angedachten Regeländerungen und die geplante Budget-Obergrenze umtreiben die Formel 1 inzwischen seit eineinhalb Jahren. Den Teams ist das Reglement zu restriktiv. Sie fürchten, dass die Formel 1 dadurch ihren Charme einbüßt, sogar ihre DNA verwässert: den Wettbewerb zwischen den Ingenieuren. Vor allem die geplanten Standardteile wie Bremssättel, Bremsscheiben, Felgen, Radmuttern und Antriebswellen missfallen ihnen. „Alle Autos werden dadurch identisch sein. Wir geben 175 Millionen Dollar aus, haben gleichaussehende Autos und werden kaum schneller sein als die Formel 2. So wie die Regeln derzeit geschrieben sind, werden die Autos um fünf bis sieben Sekunden langsamer“, schimpfen Racing Point-Teamchef Otmar Szafnauer und Technikchef Andy Green.
Die Formel 1-Autos werden 2021 rund 30 Kilogramm schwerer. Das Mindestgewicht beträgt aktuell 743 Kilogramm. Es wird ansteigen durch den Wechsel von 13 auf 18 Zoll große Felgen, die Standardteile und weitere Verbesserungen der Sicherheit. Nach dem verheerenden Unfall in der Formel 2 in Belgien soll die seitliche Cockpitwand gestärkt werden, und die Nase mehr Energie absorbieren. Anthoine Hubert verstarb nach dem Zusammenstoß mit Juan Manuel Correa, der inzwischen aus dem künstlichen Koma geholt wurde, dessen Gesundheit aber weiterhin in einem sehr ernstzunehmenden Zustand ist. Die Sicherheitsmaßnahmen werden das Gewicht weiter erhöhen. Die Formel 1 arbeitet daraufhin, sie schon im nächsten Jahr einzuführen.
Open Source als Basis für neue Teams
Zurück zum Streit um die Standardteile. Da liegt inzwischen ein neuer Vorschlag der Regelmacher um FIA und das Technikteam von Liberty Media auf dem Tisch. Sie will ein Open-Source-System einführen, und dadurch die Anzahl der Standardteile ab 2021 verringern. Racing Point-Technikchef Andy Green erklärt die Idee. „ Die Teams könnten mit diesem System weiter Teile in Eigenregie bauen. Das sorgt für Vielfalt. Sie müssten ihre Zeichnungen aber auf die Webseite der FIA stellen. Dort kann sie jedes Team einsehen, und sich aussuchen, ob man es nachbaut oder sogar mit eigenen Ideen weiterentwickelt. Aus unserer Sicht wäre das ein effizientes System. Räder, Servolenkung, Benzinsystem, Brake-by-Wire: Die Teams würden es zusammen weiterentwickeln.“ Und würden sich nicht in die Abhängigkeit eines Zulieferers begeben.
Das System könnte die Anzahl der Standardteile verkleinern. Gleichzeitig könnte es die sogenannten „prescriptive parts“ überflüssig machen. Das sind vom Reglement vorgeschriebene Fahrzeugteile, die jedes Team zwar selbst entwickelt und baut, deren Spezifikation aber bis ins kleinste Detail formuliert ist.
Der Vorteil der Open-Source-Lösung ist, dass jedes Team selbst entscheidet, was es entwickelt. Jeder legt für sich selbst fest, wie man das vorhandene Geld innerhalb des Budget Caps ausgibt. Jeder definiert, ob eine Lenksäule tatsächlich von Relevanz für die Leistung ist oder nicht. Topteams wie Mercedes, Ferrari und Red Bull könnten sich innerhalb der Grenzen austoben, müssten ihre Entwicklungen aber offenstellen. Sodass sie kleinere Teams kopieren könnten, falls sich sie dadurch eine Verbesserung versprechen. Die Entwicklung bliebe innerhalb der Formel 1-Gemeinde. Zuliefererteile bergen immer ein Risiko. Auf der anderen Seite: Würde es damit Probleme geben, hätten sie alle.
Ein Teamchef erklärt: „Das Open-Source-System wäre auch eine gute Basis für neue Teams. Sie könnten dann mit reduzierter Mannschaftsstärke trotzdem konkurrenzfähig sein. Weil sie sich auf den Bereich stürzen können, die den größten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben. Wie zum Beispiel die Aerodynamik. Deshalb stehen die Teams dem Vorschlag offen gegenüber und sind grundsätzlich positiv gestimmt.“ Laut Meinung von Renault-Teamchef Cyril Abiteboul braucht die Königsklasse frisches Blut. „Zehn Teams sind zu wenig. Zwölf werden besser. Dann müssten sich gute Fahrer wie Nico Hülkenberg keine Sorgen machen.“
5 Teams schöpfen Budget Cap aus
Manchen Teams sind die Regeln trotzdem zu restriktiv. „Es gibt nach dem letzten Treffen zwar eine gewisse Lockerung, aber wir fühlen uns immer noch zu eingeschränkt, sagt Racing Point-Teamchef Szafnauer. Sein Technikdirektor ergänzt: “Hoffentlich wird das Open-Source-System ausgeweitet.„ Gleichzeitig warnt Green: “Wir werden noch in einem Jahr über das 2021er Reglement diskutieren, weil es so große Veränderungen mit sich bringt.„
Mit den Vorschlägen für Windkanal und CFD-Simulation ist Racing Point zufrieden. “Bisher tauschen wir Windkanal- und CFD-Zeit. Nimmst du vom einen mehr in Anspruch, hast du weniger vom anderen. Es ist ein Albtraum. In Zukunft werden beide Bereiche getrennt behandelt. Du wirst eine gewisse Anzahl an Computer-Simulationen und Windkanal-Versuchen haben.„
Eine Idee von Racing Point, das Formel 1-Feld enger zusammenzurücken lassen, erhielt keine Zustimmung. “Ich habe vorgeschlagen, dass die schlechtesten Teams für das nächste Jahr mehr Entwicklungsspielraum bekommen. Zum Beispiel durch zehn Prozent mehr Windkanalzeit. Das wäre ähnlich dem System des amerikanischen Sports. Da bekommen die schlechtesten Mannschaften die besten Spieler. Es hätte dazu geführt, dass die langsamen Teams aufholen„, sagt Szafnauer.
Um die Budgetobergrenze von 175 Millionen US-Dollar herrscht Einigkeit. Darüber gibt es aktuell keine Nachverhandlungen – auch wenn die Summe zu hoch angesetzt ist. Eine Stimme aus dem Fahrerlager: “Nur Ferrari, Mercedes, Red Bull, Renault und McLaren können tatsächlich so viel Geld ausgeben. Der Rest bleibt darunter. Das ist ein Vorteil für diese fünf Teams.„ Und dann gibt es ja noch die vielen Ausnahmen. Effektiv werden die großen Teams wohl mehr als 200 Millionen Dollar ausgeben.