Fernando Alonso
Der Weltmeister erklärt im Interview, warum er Michael Schumacher nicht vermisst, warum sein Heim-Grand Prix nichts Besonderes für ihn ist, wie er die Chancen für Teamkollege Lewis Hamilton und Nick Heidfeld einschätzt, und warum er sich für einen privilegierten Menschen hält.
Nach Ihrem ersten Sieg bei Ihrem Heimrennen im vergangenen Jahr
haben Sie von einer großen Erleichterung gesprochen. Ist das Rennen
in Barcelona noch immer ein ganz besonderes für Sie und fühlen Sie
eine besondere Verantwortung?
Alonso: "Nein. Es gibt keine spezielle
Verantwortung bei diesem Grand Prix. Ich versuche ein normales
Rennen zu fahren."
Beeinflussen Sie die hohen Erwartungen der spanischen Fans in
irgendeiner Weise?
Alonso:"Es ist mein eigenes Ziel zu gewinnen. Wenn
ich hier starte, will ich gewinnen. Wenn ich in Bahrain starte,
will ich gewinnen und wenn ich in Monaco starte, will ich gewinnen.
Ich weiß, dass hier Tausende Fans an der Strecke sind. Aber wenn
ich beispielsweise in Bahrain fahre, sitzen fünf Millionen Spanier
vor dem Fernseher."
Wie beurteilen Sie die Saison bis jetzt?
Alonso:
"Es war ein guter Start in die Saison und es ist sehr gut, dass wir in zwei Wertungen in Führung liegen. Ein kleines bisschen auch eine schöne Überraschung."
Vor dem GroßenPreis von Spanien führen Sie zusammen mit ihrem Teamkollegen Lewis Hamilton und Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen mit jeweils 22 Punkten die WM-Wertung an. In Felipe Massa ist der zweite Ferrari-Mann nur fünf Punkte dahinter. Rechnen Sie mit einem so engen Kampf bis zum Ende der Saison?
Alonso:
"Die beiden Ferrari- und die beiden McLaren-Mercedes-Fahrer werden wohl die gesamte Zeit um die WM kämpfen, zumindest aber bis Saisonmitte. Dann werden ein oder zwei kein Glück haben oder nicht sogute Ergebnisse erzielen wie vorher. Am Ende der WM werden wahrscheinlich nur noch zwei oder drei Fahrer um den Titel kämpfen."
Natürlich wollen Sie zum dritten Mal in Serie den Titel gewinnen. Aber haben Sie auch die besten Chancen?
Alonso:
"Eswird schwer. Es wird alles davon abhängen, wie die Teams die Autos über die Saison weiter entwickeln und wie schnell man sich auf die Anforderungen des Regelwerks einstellt. Wir als Fahrer helfen dem Team bestmöglich, das Auto weiter zu entwickeln."
Kann BMW-Sauber-Pilot Nick Heidfeld, der auf Rang fünf lauert, noch gefährlich werden?
Alonso:
"Es gibt bisher eine kleine Lücke zwischen den beiden Top-Teams und BMW. Aber auf manchen Strecken wird es vielleicht keine Lücke geben. Sicherlich wird Nick noch um vordere Positionen kämpfen, wie wir in Bahrain erlebt haben. Wir werden einige Rennen sehen, bei denen nicht nur McLaren-Mercedes und Ferrari, sondern auch Nick um einen Podiumsplatz und vielleicht sogar um den Sieg kämpft."
Wie würden Sie aus Ihrer Sicht den internen Wettbewerb mit Ihrem Teamkollegen Lewis Hamilton beschreiben?
Alonso:
"Als sehr gut. Wir sind perfekt in die Saison gestartet. Eine
Überraschung für jeden. Er ist sehr schnell und er macht einen sehr
guten Job. Er verdient es, die WM-Wertung mit anzuführen.
Hoffentlich können wir dieses Wettkampflevel das ganze Jahr über
halten."
In ihrem Geburtsland Spanien gehen die Medien auch schon mal
kritisch mit Ihnen um. Stört Sie das?
Alonso: "Ich lebe nicht in Spanien, daher weiß ich
auch nicht, was man über mich schreibt. Ich versuche einfach nur,
ein professioneller Arbeiter imTeam zu sein, komme nach Hause und
schlafe. Und am nächsten Tag geht es wieder zur Arbeit. Ich bin
sehr glücklich mit mir selbst. Alle Teams, bei denen ich bislang
war, haben nichts an meiner professionellen Einstellung
auszusetzen."
Holen Sie sich Rat bei anderen?
Alonso:
"Ich gehe meinen eigenen Weg. Ich mache die Dinge, von denen ich glaube, dass sie richtig sind. Ich mache nichts, von dem ich nicht denke, dass es richtig ist."
Gibt es Momente, in denen Sie Zweifel an Ihren Entscheidungen hatten?
Alonso:
"Nein."
Sie sind eine Person der Öffentlichkeit. Mögen Sie es, berühmt zu sein?
Alonso:
"Ich mag es, in der Formel 1 zu sein und im Motorsport. Wenn man Formel-1-Fahrer wird, bedeutet das aber auch, dass man berühmt wird. Interviews oder PR-Termine - das ist Teil des Geschäfts außerhalb des Rennens."
Fühlen Sie sich privilegiert?
Alonso:
"Ja, ich bin privilegiert. Kein Zweifel. Es gibt derzeit nur 22 Menschen, die 2007 Formel-1-Fahrer sein können und es gibt nur einen Weltmeister pro Saison. Auf mich trifft beides zu. Ja, ich fühle mich sehr privilegiert."
Wie gehen Sie mit schlechten Resultaten um?
Alonso:
"Für jeden Sportler sind schlechte Ergebnisse kein toller Punkt in der Karriere. Du versuchst ruhig zu bleiben und zu analysieren. Und du versuchst, die Fehler nicht nochmal zu machen."
Sie sind 2005 mit 24 Jahren und 58 Tagen jüngster
Formel-1-
Weltmeister geworden. Mittlerweile haben Sie schon zwei
Fahrer-Titel errungen und sind so etwas wie der Referenzpunkt für
die anderen. Wie gehen Sie damit um?
Alonso:"Bislang hatte ich auch sehr viel Glück mit
den Teams und mit den Wagen. Ich hatte Erfolg mit Renault mit den
beiden Weltmeisterschaften, was auch sehr gut für mich war. Ich bin
zu McLaren Mercedes gegangen, und es sieht so aus, dass ich weiter
gewinnen und die WM-Wertung anführen kann. Ich bin sehr, sehr
glücklich mit dieser Ausgangslage."
Was ist ihr absolutes Karriere-Ziel?
Alonso:
"Ich bin ein Wettkampftyp, also versuche ich, so oft zu gewinnen, wie ich kann. Jedes Jahr findet man eine neue Motivation und ein neues Ziel. In diesem Jahr ist die Motivation, mit McLaren Mercedes zu gewinnen und den Titel zu holen. Und nächstes Jahr wird das nicht anders sein."
Sie haben mehrfach geäußert, dass sie nach drei WM-Titeln
möglicherweise zurücktreten könnten?
Alonso:
"Die WM drei Mal zu gewinnen wäre ganz sicher eine Erfüllung
meiner Karriere. Große Namen in der Formel 1 haben drei WM-Titel:
Ayrton Senna oder Niki Lauda zum Beispiel. Drei Mal die WM zu
gewinnen ist etwas, das ich nie erwartet hätte. Aber wenn ich
dieses Ziel erreichen würde, bedeutete das nicht, dass ich nicht
mehr weiter fahren will. Sollte ich drei Mal Weltmeister werden,
werde ich es ein viertes Mal versuchen."
Wäre alles, was nach dem dritten Titel kommt, aber so etwas wie
Schaulaufen?
Alonso: "Wie ich schon sagte, ich bin ein
Wettkampftyp, aber es wäre wohl nicht mehr der gleiche Druck da,
eher fahren zum Spaß."
Macht es denn jetzt schon ohne den siebenmaligen Weltmeister Michael Schumacher mehr Spaß?
Alonso:
"Ich denke, für mich ist es sehr ähnlich. Du willst immer deine
Gegner schlagen. Letztes Jahr gab es Michael. Dieses Jahr gibt es
Kimi, Felipe und Lewis. Wenn du beim Rennen ankommst, bist du immer
Konkurrent. Letztes Jahr war es nur ein Gegner. In diesem Jahr sind
es derzeit mehrere. Vielleicht ist so alles interessanter."
Und auch schwieriger?
Alonso:"Nein. Es ist eigentlich dasselbe. Du
kämpfst immer mit Top-Autos, mehr als mit Fahrern. In diesem Jahr
ist Ferrari gut. 2005 war Ferrari schlecht und ich musste mich
gegen Kimi und Juan Pablo im McLaren-Mercedes behaupten. Ich denke,
in jedem Jahr kämpfen die beiden stärksten Teams gegeneinander. So
ist es auch diesmal wieder. Mehr oder weniger so, wie es im
vergangenen Jahr mit Michael war."
Vermissen Sie Michael Schumacher?
Alonso: "Nein."
Warum sind sie denn zu McLaren-Mercedes gewechselt nach ihren
erfolgreichen Jahren bei Renault mit zwei Fahrer- und zwei
Konstrukteurs-Titeln?
Alonso:"Weil ich denke, dass McLaren-Mercedes ein
Top-Team ist und historisch gesehen schon immer um den Titel
kämpft. Es gibt kein Risiko, wenn ein Fahrer zu McLaren-Mercedes
wechselt. Du weißt, dass du eine gute WM haben wirst. Nach den
Jahren bei Renault wusste man indes nicht, was passiert. Es war
Zeit für einen Wechsel."
Wurden Sie dadurch beeinflusst, dass Michael Schumacher seine Entscheidung zum Rücktritt so spät bekannt gab? Schließlich wurde auch bei Ferrari ein Platz frei.
Alonso:
"Nein, jeder trifft seine eigenen Entscheidungen. Ich hatte keine Zweifel, dass mein neues Team 2007 in der Lage sein würde, um den Titel zu fahren."