Die böse Fratze des Werkssports
Marcus Schurig über das PR-Debakel der DTM beim Spielberg-Rennen, als Audi-Sportchef Ullrich einen Abschuss befahl, und warum selbst organisierter Werkssport ohne Kontrolle immer anfällig dafür ist.
Wer kleidet sich nicht gerne sportlich? Ein Schuss Dynamik ziert sogar die Undynamischen, verleiht Glanz und Glaubwürdigkeit. Oder in den Worten des Philosophen Peter Sloterdijk: "Der Sport verhält sich zum Alltag wie das Heilige zum Profanen." Die heilige Kuh im deutschen Rennsport heißt DTM, hier regiert der wahre Sportsgeist, so wird es uns verkauft. Ritterlich kämpfen die Siegfriede von Audi, BMW und Mercedes um Lorbeer, Ehre - und ein dynamisches Image.
Hersteller stehen in DTM im Zentrum
Seit dem Spielberg-Lauf hat das Image der DTM eine gewisse Entdynamisierung erfahren. Die höchste Instanz am Audi-Platz, Sportchef Wolfgang Ullrich, wies in der allerletzten Rennrunde seinen Subalternen Timo Scheider an, einen oder besser gleich zwei Mercedes- Gegner ins Aus zu rammen. "Timo, schieb ihn raus!" Der eine war der Meisterschaftsführende, was für ein Zufall, jetzt führt ein Audi-Pilot - eine schöne Fügung.
Der Funkspruch ist ebenso unzweifelhaft wie das Manöver von Scheider, wie die Sportkommissare anhand der Daten einwandfrei ermitteln konnten. Der herzlose Funkspruch verschaffte der Serie Aufmerksamkeit, mit lauten Peitschenhieben und dem Tenor der Überraschung und Entrüstung wurde die DTM-Sau durch alle Dörfer getrieben.
Was mich überrascht hat, war, dass alle überrascht waren. Die DTM steht nicht im Ruf, eine Fahrermeisterschaft im klassischen Sinne zu sein, wo die freien Kräfte des Sports ungezügelt walten. Die Hersteller stehen im Zentrum, sie befehlen und sagen an, denn sie bezahlen. Wer 50 Millionen im Jahr investiert, sollte den Vorständen erklären können, wofür. Da gibt es klare Gradmesser: Siege und Titel.
DTM abgeschottet und weltfremd
Dazu ist die DTM ist ein ganz eigener Planet: Werkssport, nicht fremdreguliert und kontrolliert von FIA, ACO oder anderen Bürschchen, sondern fein selbst gesteuert. Man schreibt sein eigenes Reglement und kontrolliert es selber - im John-Wayne-Stil. Das erklärt eine gewisse Abgeschottetheit und Weltfremdheit.
Auf der einen Seite suhlt man sich im Glanz der Sportlichkeit, aber es gibt viele Aspekte in der DTM, die nicht glaubwürdig sind. Kritik wird nicht ernst genommen, selbst dann nicht, wenn man die eigenen Regeln verbiegt, wie im letzten Jahr, als Mercedes beim DTM-Neuwagen technisch ins Klo griff, das Reglement flugs zur Seite geschoben wurde - und die Schwaben nachlegen durften.
Dabei hieß das Credo immer: Mit Schnickschnack wie BOP und Fahrzeugeinstufungen habe man nichts zu tun, man sei streng und stringent, es gäbe ein Reglement, das für alle immer gilt! Keine Politik - stattdessen wahrer Rennsport!
Das ist nur ein Beispiel, warum ich glaube, dass die DTM sportlich nicht glaubwürdig ist. Die Liste ließe sich verlängern um viele Beispiele von Teamorder oder unerlaubten Einflussnahmen auf den Rennverlauf (die auch bestraft wurden), oder den jüngsten Betrugsverdacht bei BMW. Vielleicht bin ich deswegen jetzt nicht überrascht. Können Hersteller, die sich in einer Serie stillschweigend selber organisieren, überhaupt glaubwürdig sein?
Die DTM ist organisierter Motorsport. Solange das keiner mitbekommt, läuft die Luzie. Blöd ist halt nur, wenn jemand (wer eigentlich?) den Funkkanal offen lässt und Zitate wie "Timo, schieb ihn raus!" geschmeidig in die Live-Coverage einfließen. Und natürlich symbolisiert der Funkspruch die böse Fratze des Werkssports, zumal die Anweisung vom Sportchef höchstpersönlich kam - einem Vertreter der DTM-Generalität.
Wird sich die DTM jetzt ändern? Nein. Das primäre Ziel ist nicht Rennsport, sondern Marketing. Den Ansatz hat man so lange weitergedreht, dass man sich ziemlich weit vom Rennsport entfernt hat. Sportlichkeit ist das hübsche Gewand, in das sich die DTM kleidet. Blöd ist halt nur, wenn der Rock hochrutscht.