Mercedes hat leichtes Spiel in Hockenheim

Ferrari schlägt sich selbst. Sebastian Vettel verbannte ein Ladeluftkühler-Problem auf den letzten Platz. Charles Leclerc musste wegen eines Schadens im Benzinsystem im Q3 zuschauen. Ferrari peinliche Pannen öffneten Lewis Hamilton den Weg zur 87 .Pole Position.
Sebastian Vettel war gerade 100 Meter unterwegs, da ahnte er Böses. Sein Motor verlor schlagartig an Leistung. Er rollte noch in langsamer Fahrt in die Boxen zurück. Dort konnte man dem Trainingsschnellsten des Vorjahres nicht mehr helfen. Der Turbolader bekam wegen einer defekten Komponente im Ladeluftkühler keine Luft. Besagtes Teil war vor dem Wochenende neu eingebaut worden. Damit verwandelte sich der hochkomplizierte Antrieb in einen profanen Sechszylinder mit 1,6-Liter-Hubraum. Mit der verbliebenen Power hätte Vettel nicht mal in der Formel 2 eine Chance gehabt. Für Vettel war es nach dem GP Österreich der zweite Defekt, der ihn in der Qualifikation zum Zuschauer degradierte. Dort trat ein Leck im pneumatischen Ventilsystem auf.
Vettel stieg 4.13 Minuten vor dem Ende des Q1 aus seinem Ferrari. Damit war der letzte Startplatz besiegelt, und das ausgerechnet bei seinem Heimspiel. Vettel mag sich damit trösten, dass Lewis Hamilton im letzten Jahr von Startplatz 14 noch gewonnen hat. Dem Wetter sei Dank. Auch diesmal könnte es im Rennen wieder regnen. Darüber würde sich auch Charles Leclerc freuen. Der Monegasse erlebte nur 25 Minuten später ein ähnliches Schicksal. Das Q3 war gerade vier Minuten alt, da verließ Leclerc sein Cockpit. Die Benzinpumpe streikte, weil sie von der Kontrolleinheit das falsche Signal bekam. In der Garage herrschte Weltuntergangsstimmung.
Leclerc musste man nach zwei Bestzeit in den freien Trainingssitzungen und Platz 1 in der ersten K.O.-Runde der Qualifikation die Pole Position zutrauen. Im Q2 landete der Monegasse auf Medium-Reifen zwei Zehntel hinter Lewis Hamilton. Bei Ferrari glaubt man jedoch, dass man auf den Soft-Reifen den Spieß wieder hätte umdrehen können. Es kam nicht mehr dazu. Teamchef Mattia Binotto bedauerte: „Es waren zwei voneinander unabhängige Probleme, die so vorher noch nie aufgetreten waren.“
Mercedes mit zu hohen Reifentemperaturen
So musste Mercedes nur noch Max Verstappen im Red Bull fürchten. Doch auch der Holländer verabschiedete sich im Q3 aus dem Kreis der Anwärter für die Pole Position. Ein Fehler in Kurve 8 und ein Motorproblem kosteten drei Zehntel. Das war selbst gegen einen kranken Lewis Hamilton zu viel. Der Engländer klagte am Morgen über starke Halsschmerzen. Mercedes arbeitete sogar schon einen Notfallplan aus, für den Fall, dass Hamilton nicht fahren kann. Das Team meldete vor dem dritten Training Esteban Ocon als Ersatzfahrer bei den Sportkommissaren an.
Mercedes und Hamilton zählten vor der Qualifikation nicht unbedingt zum Favoritenkreis. An den Silberpfeilen wurden die Reifen zu heiß. Das kostete vor allem im Motodrom viel Rundenzeit. Ausgerechnet dort, wo Mercedes den Topspeed-Vorteil der Ferrari wettmachen wollte. Die immer noch recht hohen Asphalttemperaturen halfen der Konkurrenz ihre Reifen problemlos in das Fenster zu bekommen. Teams wie Mercedes oder McLaren, die normalerweise am wenigstens Schwierigkeiten damit haben, bewegten sich damit am oberen Rand des Reifenfensters.
Doch Probleme sind für Mercedes ein Ansporn, sie zu lösen. Und wenn es sein muss auch zwischen Q1 und Q2. Im ersten Abschnitt der Qualifikation sah es nach einer Fortsetzung der Reifenprobleme im Lager der Silberpfeile aus. Hamilton fehlten sechs Zehntel auf Leclerc und 0,3 Sekunden auf Verstappen. Auf den Medium-Reifen im Q2 erwachten die Mercedes zum Leben. Und das brachte in Ingenieure auf den richtigen Weg, für das Q3 die Reifenvorbereitung für die heikleren Soft-Gummis zu ändern. „Unsere Jungs haben es wieder geschafft die Reifen richtig zu lesen und sie für den entscheidenden Augenblick optimal zu präparieren“, lobte Teamchef Toto Wolff.
Aerodynamik-Paket eine Unbekannte
Trotz der 87. Pole Position für Lewis Hamilton und dem dritten Startplatz von Valtteri Bottas, war Wolff nicht ganz zufrieden: „ Wir waren hier nicht so stark, wie wir hätten sein sollen. Das Aerodynamik Upgrade hat von den Zahlen her funktioniert, doch irgendwie hatten wir uns mehr ausgerechnet. Es hätte auch ganz anders ausgehen können, wenn Ferrari einen problemfreien Tag gehabt hätte.“
Warum der Knoten dann ausgerechnet nach dem Q1 aufging, konnte der erste Mann von Mercedes auch nicht schlüssig erklären: „ Manchmal lassen dich da selbst die Daten im Stich. Vielleicht waren wir im Q1 noch ein bisschen eingerostet, die Fahrer zu vorsichtig, die Reifenvorbereitung nicht optimal. Wir tun uns mit einer Erklärung schwer, weil das Aerodynamik-Paket eine zusätzliche Unbekannte ist.“ Bottas fand bis zum Schluss nicht die gewünschte Beziehung zu seinem Rennauto: „Ich hatte kein Vertrauen auf der Bremse.“
Ferrari hat sich mit seinen Defekten auch am Sonntag die Chance genommen, um den Sieg mitzufahren. Es müsste schon einen verrückten Rennverlauf wie im Vorjahr geben, um Leclerc noch ins Spiel für den Sieg und Vettel für ein Podium zu bringen. Eine kleine Hoffnung bleibt im Ferrari.Camp. Für Sonntag ist Regen angesagt. Bleibt es trocken, muss Mercedes nur Max Verstappen fürchten. „Red Bull hat im Rennen immer einen guten Speed, und das Auto geht schonend mit den Reifen um“, warnt Wolff.