Renault-Motorenchef Remi Taffin im Interview
Renault entwickelte sich vom Sorgenkind zur Geheimwaffe. Technikchef Remi Taffin erzählt, wie dieses Wunder möglich war, was sich geändert hat und wie groß der Rückstand auf Mercedes noch ist.
2015 hatte der Renault-Motor nach Honda die meisten Defekte. In diesem Jahr ist es die zuverlässigste Antriebseinheit im Feld. Wie ist dieses Wunder zu erklären?
Taffin: Wir haben auf dem aufgebaut, das wir in der zweiten Saisonhälfte 2015 vorbereitet haben. Nach eineinhalb Jahren Hybrid-Technologie hatten wir verstanden, wo die Reise hingehen muss. An einem Punkt in der letztjährigen Saison haben wir die Entwicklung eingestellt und nur noch an der Zuverlässigkeit gearbeitet, um uns eine Basis für das erste Rennen 2016 zu schaffen, auf die wir uns verlassen konnten.
Was war der Grund für die hohe Defektrate?
Taffin: Wir haben die Antriebseinheit im Winter 2014/15 zu aggressiv entwickelt und dafür einen Preis bezahlt. Im letzten Winter haben wir wieder den Normalzustand erreicht. Der Motor für den Saisonstart wurde Anfang Januar abgesegnet. Danach begann das Programm für das Upgrade, das wir jetzt in Monte Carlo eingeführt haben. Es ist kein Wunder passiert. Wir sind einfach nur wieder auf einen geregelten Entwicklungspfad zurückgekehrt und müssen nicht unerledigten Dingen hinterherlaufen.
Mit welchen Komponenten hatten Sie die meisten Schwierigkeiten?
Taffin: Es ist kein Geheimnis, dass sich unsere Probleme hauptsächlich auf den Verbrennungsmotor konzentriert haben. So hatten wir zum Beispiel einige Kolbenschäden. Auch mit der MGU-H gab es Ärger.
Sie haben in Winter nur 7 Token eingesetzt und jetzt für das Upgrade lediglich 3. Das hört sich gemessen am Fortschritt nach wenig an.
Taffin: Vergessen Sie nicht, dass wir Ende letzten Jahres eine große Anzahl von Token in eine Ausbaustufe investiert hatten. Wir konnten aber nicht alle Teile rechtzeitig produzieren und haben nur einen Teil davon in einem Training ausprobiert. Deshalb hat es auch keinen sichtbaren Fortschritt gebracht. Wir wurden dafür geprügelt, aber damit konnten wir leben. Weil wir wussten, dass uns genau diese Änderungen 2016 helfen würden. Es war der Grundstein für den aktuellen Motor. Das hat uns dann über den Winter einige Token gespart.
Was können Sie uns über das jüngste Upgrade erzählen?
Taffin: Wir haben die 3 Token ausschließlich in eine Modifikation des Brennraums gesteckt. Dazu haben wir das Zündsystem verbessert. So konnten wir die Verbrennung beschleunigen und die Klopfgrenze nach hinten schieben. Das erlaubt uns eine höhere Verdichtung und damit mehr Leistung.
Wie steht es mit der Fahrbarkeit?
Taffin: Die hat sich logischerweise auch verbessert. Stabilere Verhältnisse im Zylinder und effizientere Verbrennung erlauben dir auch den Motor besser zu tunen und die Leistungskurve zu glätten. Je schneller die Verbrennung stattfindet, umso besser kann man gegen das Klopfen ankämpfen. Das hat nichts mit einer Geheimwissenschaft zu tun. Es ist alles ein geschlossener Kreis. Wenn du das eine hast, bekommst du das andere.
Setzen Sie bei dem Upgrade bereits die Vorkammerzündung ein, die Mercedes bereits seit 2014 verwendet?
Taffin: Es ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Wie viel fehlt ihnen noch auf Mercedes?
Taffin: Vom Motor her noch eine halbe Sekunde.
Wie viele Upgrades planen Sie noch in dieser Saison?
Taffin: Der Plan war mit dem Basismotor in Rennen 1 fertig zu sein und mit dem Upgrade in Rennen 7. Danach wollten wir uns auf 2017 konzentrieren. Wenn wir 2016 noch etwas bringen können, dass uns auch 2017 hilft, werden wir das tun. Spezielle Upgrades sind nicht geplant. Wichtig ist jetzt, dass wir an unserem Plan festhalten und uns nicht wieder verzetteln.
Obwohl Sie noch 21 Token übrig haben?
Taffin: Es sind zu viele Token. Wir könnten sie in diesem Jahr gar nicht alle einsetzen.
Was hat sich bei Renault an der Organisation geändert?
Taffin: Wir haben neue Leute dazubekommen, aber die Kerntruppe blieb. Die Organisation wurde schlanker gemacht. So können wir schnellere Entscheidungen treffen. Der Weg von oben nach unten dauert nicht mehr so lange. Außerdem haben wir jetzt die Werkzeuge, die wir brauchen.
Was meinen Sie damit?
Taffin: Prüfstände, Leute mit Erfahrung, Simulationen und Berechnungen. Wir waren für diese neue Technologie einfach ein bisschen spät dran und mussten uns alle erst auf den letzten Stand bringen. Jetzt läuft alles in dem normalen Modus, den wir von früher gewohnt waren.
Ein Vorteil von Mercedes ist, dass dort alle Komponenten der Antriebseinheit unter einem Dach entwickelt werden. Geht Renault den gleichen Weg?
Taffin: Als wir uns in das Hybrid-Abenteuer gestürzt haben, hat Renault entschieden sich auf das zu konzentrieren, was wir können. Das war der Verbrennungsmotor. Die anderen Komponenten haben wir von außen zugekauft. Es war für uns der schnellste Weg. Es hat uns aber auch viele Probleme bereitet, weil wir immer ein bisschen der Zeit hinterhergelaufen sind. Im letzten Jahr haben wir entschieden wieder alles nach Viry zurückzuholen: Entwicklung, Design, Produktion, Zusammenbau.
Welche Rolle spielt Ilmor in ihrer neuen Struktur?
Taffin: Ilmor hilft uns hauptsächlich mit Prüfstands-Tests und einem Knowhow-Austausch in bestimmten Bereichen. Das brachte uns neue Ideen. Es ist aber fair zu sagen, dass das meiste, was jetzt im Motor-Upgrade steckt, in Viry entwickelt wurde.