Rennanalyse GP China 2017
Der GP China bot Taktikspielchen, eine Menge Überholmanöver und gute Rennaction. In unserer Analyse widmen wir uns den wichtigsten Fragen zum zweiten Rennen des Formel 1-Jahres 2017.
Wieso taktierten Mercedes und Ferrari unterschiedlich?
Lewis Hamilton sprach von einem weiteren guten Start. Sebastian Vettel befand seinen als „okay“. Der Ferrari-Pilot konnte seinem schärfsten Widersacher auf den ersten Metern nicht gefährlich werden. Dafür bot sich mit dem Virtual Safety Car früh die taktische Gelegenheit, Mercedes zu überrumpeln.
Vettel legte in der zweiten Runde die Intermediates ab und fasste die weichen Slickreifen auf. „Die Intermediates bauten in den eineinhalb Runden ziemlich schnell ab. Viele Streckenteile waren einfach schon trocken. Deswegen war ich froh um das Risiko, während der VSC-Phase zu stoppen.“
Die Mercedes-Strategen am Kommandostand entschieden sich gegen einen Tausch auf Trockenreifen. Stattdessen spielte man die sichere Karte aus, und quetschte lieber weiter die Intermediates aus. “Wenn das Safety Car rausgekommen wäre, hätten wir auch gewechselt, weil du danach fünf Runden Zeit hast mit den Reifen. Beim VSC gewinnst du zwar Zeit, aber es gab ein paar Autos, die mit Slicks bereits von der Strecke abkamen. Deshalb überwog für uns das Risiko.“
Bei Mercedes überlegte man kurz, seinen Starpiloten in der zweiten Runde unter dem virtuellen Safety Car reinzuholen. Man entschied sich jedoch dagegen, weil die Rennleitung die Strecke schnell freigab. Und weil Vettel mit den kalten Slicks zunächst Meter einbüßte. „Er fiel aus dem Fenster, um uns gleich gefährlich zu werden.“
Giovinazzis Unfall zu Beginn der vierten Runde spielte den Silberpfeilen den perfekten Joker in die Hand. Man sparte sich mehr Zeit als Vettel bei dessen Reifen.ausch. Und Vettel rückte hinter Daniel Ricciardo, Kimi Räikkönen, Max Verstappen sowie Valtteri Bottas zurück, die ebenfalls die Safety Car-Phase ausnutzten. Bis sich Vettel vorbeiarbeitete, war Hamilton bereits enteilt. Was wäre ohne das Safety Car passiert? Mercedes hätte zwischen Runde vier und sechs die Reifen wechseln müssen. Es wäre dann vielleicht auf ein enges Duell um die Spitzenposition zwischen Hamilton und Vettel hinausgelaufen. Ohne Garantie, dass Vettel der frühe Tausch wirklich wie erhofft genutzt hätte. Mercedes behauptete, man hätte ausreichend Luft gehabt, um zu reagieren, selbst als Vettel die Reifen auf Temperatur hatte.
Wichtigen Boden verlor Vettel, nachdem er im zweiten Stint hinter Räikkönen und Ricciardo klebte. Ferrari verzichtete auf Stallregie. Ein Fehler? Womöglich. Es raubte Vettel kostbare Sekunden.
Warum parkte Vettel nicht richtig in der Startbox.
Schon früh im Rennen leitete die Rennleitung um Charlie Whiting eine Untersuchung gegen Sebastian Vettel ein. Alle hatten gesehen, warum. Der Heppenheimer parkte seinen Ferrari SF70-H fast um ein Drittel Autobreite zu weit links und stand deshalb mit zwei Rädern außerhalb der Startbox. Einfache Erklärung: Der Pilot machte diese Position als die beste, weil trockenste mit dem meisten Grip aus.
Einen ähnlichen Fall gab es 2016 in Suzuka. Damals stellte Daniel Ricciardo seinen Red Bull nicht zentimetergenau in die Startbox. Jedoch weit weniger deutlich als Vettel. Die FIA bat die Fahrer daraufhin, zukünftig so genau wie irgendwie möglich innerhalb der Markierungen zu bleiben. Obwohl sich Vettel nicht daran hielt, blieb er unbestraft. Warum? Die Stewards um Fahrerkommissar Mika Salo konnten den Ferrari-Piloten auf keine Regel festnageln. Es gibt nur die Vorschrift, dass ein Fahrer die vorderste weiße Linie nicht mit den Rädern überfahren darf.
Was wäre für Valtteri Bottas drin gewesen?
Auf jeden Fall mehr als der sechste Platz. Selbst nach zwei mittelmäßigen Stopps und seinem Dreher. Beim ersten Reifen.ausch stürzte der Mercedes W08 mit der Nummer 77 vom hinteren Wagenheber. Beim zweiten Wechsel gab es vorne links ein Problem. Der Ausrutscher unterlief Bottas in der Runde nach seinem ersten Besuch bei seiner Crew. Die Begründung: kalte Reifen, die er besser aufwärmen wollte als die Gegner. Und dabei unter dem Safety Car auf die Nase fiel. Bottas purzelte bis auf Rang elf zurück, arbeitete sich mit gutem Rennspeed aber wieder nach vorn.
Trotzdem staunten manche nicht schlecht, als der Mercedes-Kommandostand dem Finnen im letzten Renndrittel ins Cockpit funkte, dass Champagner noch in Reichweite liege. Zu diesem Zeitpunkt betrug sein Rückstand auf den dritten Platz 16 Sekunden.
Doch Bottas kam Räikkönen, Ricciardo und Verstappen noch bedrohlich nah. Weil Verstappen mit seinem Auto zu kämpfen hatte, Ricciardo hinter ihm festhing und Räikkönen über das Fahrverhalten seines Autos schimpfte. “Valtteri hat sich gut von seinem Dreher erholt. Wenn das Rennen noch drei Runden länger geht, kann er es womöglich noch auf das Podest schaffen“, hieß es von den Mercedes-Strategen. Im Ziel verfehlte der Mercedes-Neuzugang den dritten Rang nur um 3,7 Sekunden.
Warum war Red Bull im Rennen besser?
In der Qualifikation hinkte Red Bull hoffnungslos Mercedes und Ferrari hinterher. Auf die Pole büßte Daniel Ricciardo 1,4 Sekunden ein. Wie in Melbourne steigerten sich die dunkelblauen Autos im Rennen. Das hatte zwei Gründe: erstens die nassen Bedingungen zu Rennbeginn. „Gott sei Dank war es feucht“, sagte Red Bull-Berater Helmut Marko. „Uns wäre ein komplettes Regenrennen noch lieber gewesen.“
Zweitens läuft der RB13 vollgeladen wesentlich besser. „Mit vollem Tank bekommen wir die Reifen besser ins Arbeitsfenster.“ Red Bull wählte aus Angst, die weichen Reifen nicht auf Temperatur zu bringen, zweimal die Supersoft-Mischung. Je länger das Rennen dauerte, je trockener die Strecke wurde, und je mehr Grip der Asphalt aufbaute, desto stärker fielen die Red Bulls zurück. Die Piste deckte dann die Schwächen an Chassis und Motor auf.
Max Verstappen zauberte vor allem zu Beginn. „Das war halt der Verstappen“, spielte Marko auf die besonderen Fähigkeiten seines Schützlings im Nassen an. Daniel Ricciardo strauchelte dagegen im direkten Vergleich. Gegen Rennende drehte sich das Bild. Plötzlich hatte der Australier die bessere Pace. Die Erklärung von Marko: „ Max hatte eher ein Setup für Regen, Daniel eher für trockene Bedingungen.“
Warum wurde Hülkenberg doppelt bestraft?
Nico Hülkenberg startete als Siebter und beendete den GP China 2017 nur als Zwölfter. Sein Poker, bereits am Ende der ersten Runde auf Slicks zu wechseln, ging nicht auf. „Leider kam das virtuelle Safety Car. Die Reifen.emperatur ist komplett in den Keller gefallen, weil ich nicht sofort pushen konnte. Danach fuhr ich wie auf Eis.“ Hülkenberg drehte sich ein paar Mal.
Es kam noch schlechter. Die Rennkommissare brummten dem Le Mans-Sieger von 2015 gleich zwei Zeitstrafen auf. Einmal fünf, einmal zehn Sekunden. Beides Mal ging es um Sekunden und wenige Meter. Die erste fing sich Hülkenberg unter dem VSC ein. Romain Grosjean rollte in seinem HaasF1 VF-17 wenige Augenblicke vor dem Renault mit der Startnummer 27 über die Safety Car-Linie 2. Hülkenberg hatte auf der Zielgerade deutlichen Überschuss und kurvte vor dem Franzosen, der die Box nach einem Stopp verließ, in die erste Ecke. Hätte er den Platz zurückgegeben, hätten die Stewards von einer Strafe abgesehen.
Im zweiten Fall überholte Hülkenberg Marcus Ericsson während dem Safety Car in der ersten Kurve. „Er hat Ericsson außen überholt, obwohl auf seinem Display schon das Zeichen für das Safety Car aufleuchtete. Da hätte er zurückziehen müssen“, sagte Charlie Whiting.