Oval-Absage nach Feuer-Crash
Romain Grosjean hat sich nach dem Abschied aus der Formel 1 für einen Wechsel in die IndyCar-Serie entschieden. Der Franzose wird dabei allerdings die gefährlichen Ovalrennen auslassen. Ein mögliches Engagement in der Formel E schlug der Pilot aus.
Romain Grosjean will nach 179 Rennen in der Formel 1 eine zweite Karriere in den USA starten. Der 34-Jährige kündigte am Mittwoch (3.2.) seinen Wechsel in die IndyCar-Serie an. Dort wird er 2021 mit der Startnummer 51 für den Rennstall Dale Coyne Racing auf Punktejagd gehen.
Nach dem schweren Unfall beim Bahrain-Grand-Prix im Vorjahr, bei dem sich Grosjean Verbrennungen an den Händen zuzog, hatten einige Fans schon befürchtet, dass der Pilot seinen Rennfahrerhelm komplett an den Nagel hängen könnte. Doch das war für den Franzosen offenbar keine Option.
Ganz ohne Folgen bleibt der dramatische Feuercrash aber nicht. Nach Absprache mit seiner Familie verzichtet Grosjean darauf, auf den schnellen Oval-Kursen anzutreten, die in den vergangenen Jahren häufiger Schauplatz schwerer Unfällen gewesen sind. Der "Rookie" wird somit beim Doppelevent in Texas, dem Rennen in St. Louis und dem Saisonhöhepunkt in Indianapolis fehlen.
"Wenn ich 25 Jahre alt und Single ohne Kinder wäre, würde ich sicher auch im Oval fahren", so Grosjean zu seiner Entscheidung. "Aber jetzt geht es auch um die Familie. Am 29. November 2020 dachten drei Kinder für zwei Minuten und 45 Sekunden, dass sie ihren Vater verloren haben. Und meine Frau dachte, dass sie ihren Mann verloren hat. Den Gedanken, dass sie noch einmal in diese Situation kommen, konnte ich einfach nicht ertragen."
So wird Grosjean in der kommenden IndyCar-Saison nur bei 13 von 17 Rennen starten. Sein Debüt gibt der Formel-1-Rentner am 18. April beim Grand Prix von Alabama im Barber Motorsports Park. Sobald die Handverletzungen vollständig ausgeheilt sind, will der Neuling mit den ersten Tests starten.
Formel E nicht sexy genug
Laut Grosjean schwirrte die Idee zum Wechsel in die IndyCar-Serie schon länger in seinem Kopf herum. Bereits im Oktober starteten die ersten Gespräche mit Teambesitzer Dale Coyne, die nun in einem Einjahres-Vertrag mündeten. Es habe auch Angebote gegeben, in die Formel E oder in den Langstreckensport zu wechseln, die Grosjean aber ablehnte.
"Mit dem Thema Langstrecke beschäftige ich mich erst mittelfristig, wenn ich zu alt für den Formelsport bin", erklärte der gebürtige Genfer. Die Elektroserie Formel E war dem Ex-Haas-Pilot offenbar nicht aufregend genug. Die Frage, warum am Ende IndyCar das Rennen machte, beantwortete Grosjean mit einem einzigen Wort: "Sexiness!"
Um sich zuhause auf die neue Aufgabe einzuschießen, hat sich der Neueinsteiger gleich mal auf YouTube jede Menge alte IndyCar-Rennen am Stück angeschaut. Mehr als 18 Stunden Material habe er sich reingezogen, verriet der Pilot bei seiner Antritts-Pressekonferenz.
"Ich habe mir zum Beispiel das Rennen in Mid-Ohio 2018 angesehen. Sebastien Bourdais hatte damals ein Problem im Qualifying und musste von ganz hinten starten. Er schoss wie eine Kugel durchs Feld und wurde am Ende Sechster direkt hinter Scott Dixon. Er nutzte eine alternative Strategie. So etwas sieht man in der Formel 1 einfach nicht. Das war echt toll."
Schluss mit Kampf im Hinterfeld
Grosjean, der in der letzten F1-Saison nur einmal in den Top-Ten landete, hofft in der IndyCar wieder weiter vorne kämpfen zu können. "In der IndyCar-Serie hat man durch die Strategie immer eine Chance mit den ganzen Gelbphasen, den Reifenwechseln und den Tankstopps. Manchmal hilft es einem, und manchmal eben nicht. So etwas liebe ich. Es ist nie vorbei. Die Autos sind vom Speed dicht zusammen. Das ist wirklich cool."
Ein Punkt, der Grosjean besonders am Herzen liegt, sind die Regeln beim Überrunden: "Im Gegensatz zur Formel 1 muss man den Führenden nicht durchlassen. Ich habe in den letzten Jahren viele Strafen bekommen, weil ich nicht auf die blauen Flaggen geachtet habe. Man hat ja nur fünf Kurven Zeit, bis man ein anderes Auto vorbeiwinken muss. In der IndyCar-Serie kann man einfach weiterfahren."
Auch die Rennstrecken tragen laut Grosjean zur Attraktivität der Serie bei. "Die Kurse sind zum Teil echt Old-School – so wie ich es mag. Wenn man sich mal Road America, Mid-Ohio, die Stadtkurse oder Laguna Seca anschaut – das sind Strecken, die ich schon vor 20 Jahren in Videospielen gefahren bin."
Grosjean weiß, dass es vor allem in den ersten Rennen viel zu lernen gibt. Neben den Strecken sind auch die Autos komplett neu. Die Entwicklung der Technik ist stark eingeschränkt, die Rennstarts sind im Gegensatz zur Formel 1 nicht stehend, sondern fliegend, es gibt mit Push-to-Pass eine neue Überholhilfe, beim Boxenstopp wird getankt und die Autos verhalten sich natürlich auch anders im Verkehr, als Grosjean das aus den letzten Jahren gewohnt ist.
Dabei sein ist nicht alles
Um den Lernprozess etwas zu beschleunigen hat sich Grosjean auch Ratschläge von alten Bekannten geholt. Vor allem Marcus Ericsson und Alexander Rossi waren ihrem alten Formel-1-Kollegen behilflich. Dazu gab es noch von Landsmann Simon Pagenaud, dem einzigen französischen Indy500-Sieger, nützliche Tipps. "Ich habe sie zum Beispiel gefragt, welches die guten Teams sind, welches HANS-System man benutzen muss und wie das mit den Hotels abläuft. Da waren sie wirklich eine große Hilfe”, bedankte sich der Neueinsteiger.
Grosjean geht mit realistischen Erwartungen an das US-Abenteuer: "Ich muss erstmal verstehen, wie IndyCar funktioniert. Ich gehe nicht ins erste Rennen mit dem Gedanken: Ich bin zehn Jahre Formel 1 gefahren, da gewinne ich hier locker. Nein, ich muss lernen. Die anderen Piloten sind schon viele Jahre dabei und auf einem hohen Niveau. Aber die Autos sind mehr oder weniger gleich. Es geht vor allem darum, die richtige Abstimmung zu finden und eine gute Beziehung zu seinem Ingenieur zu haben."
"Ich denke schon, dass wir konkurrenzfähig sein können. Ich steige nicht in die IndyCar-Serie ein, um nur dabei zu sein. Das ist definitiv keine Option. Ich habe mir wie erwähnt viele Rennen angeschaut. Das Team hat sich mit seinen Rookies letztes Jahr sehr gut angestellt. Ich hoffe, dass wir das wiederholen oder sogar noch toppen können."