Albon vermiest Mercedes die Abschlussparty

Max Verstappen gewinnt den Kehraus der Formel 1, weil sein Red Bull das schnellere Auto ist. Und weil ihn Alexander Albon nach hinten absichert. Der Thailänder vermiest Mercedes die Party. Der Weltmeister kann nicht einmal Taktik-Doppelpass spielen, um Verstappen in die Enge zu treiben.
Ausgerechnet im letzten Rennen des Jahres kehrt sich das Bild. Nicht Mercedes macht das Tempo, sondern Red Bull. Der Herausforderer hat seinen RB16 bis zum bitteren Ende weiterentwickelt und steht bei den letzten beiden Grand Prix endlich dort, wo er eigentlich schon am Saisonanfang hätte stehen wollen. Ganz vorne. Nach aerodynamischer Stabilität kam mit einem letzten Aero-Upgrade auch noch Effizienz dazu. Mercedes dagegen suchte ab Samstag den Speed, den man am Freitag noch hatte. Stattdessen Untersteuern, nichts als Untersteuern.
So waren Valtteri Bottas und Lewis Hamilton keine Gegner für Max Verstappen. Aus dem Rückstand im Ziel errechnet sich der Rückstand pro Runde. Knapp drei Zehntel. Mercedes verlor auf beiden Reifentypen. Vor dem einzigen Boxenstopp in der 10. Runde hatte Verstappen schon 3,2 Sekunden Vorsprung. Nach dem Re-Start auf den harten Reifen dauerte es nur fünf Runden, da lag Verstappen schon wieder 3,4 Sekunden vor den Silberpfeilen und damit auch aus dem Undercut-Fenster. Doch daran war für Mercedes noch aus einem anderen Grund nicht zu denken. Und der hieß Alexander Albon.
2 Mercedes gegen 2 Red Bull./strong>
Wäre der letzte Grand Prix des Jahres so verlaufen wie die 16 davor, dann hätte Mercedes wenigstens noch einen taktischen Joker auspacken können. Im Spiel zwei gegen eins hätte sich Red Bull entscheiden müssen, ob man seinen Marschplan bis zum Ende fährt oder auf den Gegner reagiert. Das birgt immer die Gefahr von Fehlern. Albon jedoch grenzte die strategischen Möglichkeiten von Mercedes auf nahezu null ein. Der Thailänder lag ständig im Boxenstopp-Fenster von Bottas und Hamilton. Er holte in den letzten 15 Sekunden sogar noch 7,2 Sekunden auf das Mercedes.Duo auf.
Ohne Albon auf der Rechnung hätte Mercedes auf jeden Fall die Taktik geändert. Je nachdem, wie groß der Rückstand des ersten Autos zu Verstappen gewesen wäre. Hätte für Red Bull die Gefahr des Undercuts bestanden, hätte man das führende Auto an die Box geholt und das andere auf der Strecke gelassen. Red Bull hätte sich dann entscheiden müssen, gegen welche Taktik man sich absichern will. Bei einem größeren Abstand, so wie er sich am Sonntag präsentierte, wären beide Mercedes an die Box geholt worden. "Einer von beiden hätte dann den Punkt für die schnellste Runde bekommen. Einer von beiden hätte Verstappen mit den frischeren Reifen vielleicht noch eingeholt. Es wäre bei diesem Szenario politisch schwierig gewesen, den einen reinzuholen und den anderen draußen zu halten", erklären die Strategen.
Auf jeden Fall hätte Mercedes dann bei einem Safety Car Restart die besseren Karten, weil frischere Reifen gehabt. Mit Albon im Fenster war dieser Schachzug mit zu vielen Risiken besetzt. "Auf einer anderen Strecke, auf der das Überholen einfacher ist, hätten wir vielleicht noch gepokert. Aber in Abu Dhabi gibt es keine Garantie dafür, Albon noch einzuholen und zu überholen. Wir hätten damit wahrscheinlich ein Podium an Red Bull verschenkt."
Safety Car-Stopp war Pflicht
Aus Sicht der Strategen war der Schlussakkord unter die Saison eine gemütliche Angelegenheit. "Wir mussten eigentlich nur entscheiden, ob wir das Safety Car in der zehnten Runde zum Boxenstopp nutzen oder nicht. Von da an sind alle das gleiche Rennen gefahren. Ein Zweistopp-Rennen hätte keinem etwas gebracht. Der harte Reifen war an diesem Tag der schnellste und der langlebigste. Ricciardo hat es allen gezeigt." Der Australier hielt 39 Runden bei exzellenten Rundenzeiten durch.
Eigentlich war auch der frühe Stopp im Rennen aus Sicht der Kommandobrücke kein großes Ding. Er drängte sich denen, die auf Medium-Reifen gestartet waren, geradezu auf. Und das waren elf von 20 Fahrern. Die Teams konnten aus den Trainingsdaten errechnen, dass die harten Reifen bis zum Schluss halten würden. So wie 2010, als einige Fahrer schon nach einer Runde ihre weicheren Reifen losgeworden sind.
"Es wäre dumm gewesen, den geschenkten Boxenstopp nicht wahrzunehmen", hieß es bei Mercedes. "Selbst wenn wir ein Auto draußen gelassen hätten, um die Führung zu übernehmen, hätten wir von der Gesamtzeit her einen kompletten Boxenstopp verloren. Ein Reifenwechsel später unter Renntempo hätte uns hinter Albon geworfen. Selbst wenn wir wieder aufgeschlossen hätten, wären wir dann vorbei gekommen? Wir hätten uns voll drauf verlassen müssen, dass die alten Reifen stark abbauen. Das war nicht zu erwarten."
Mercedes hätte ein Safety Car spätestens ab der fünften Runde genutzt. Die Begründung demonstriert, welche Überlegungen in eine vermeintlich einfache Entscheidungen eingehen. "Wir haben auf die beiden Renault und das Fenster zu ihnen geschaut. Es war klar, dass die Soft-Starter früh reinkommen würden. Die konnten wir vernachlässigen. Deshalb haben wir nur auf die Medium-Starter hinter uns geschaut. Da hätten wir mehr Zeit beim Überholen verloren. Sainz haben wir gestrichen. Wir wussten, dass der keinen Ärger machen würde. McLaren brauchte die Punkte. Bei Renault war das anders. Ab Runde drei war Valtteri im Renault-Fenster, ab Runde fünf auch Lewis. Ab dann hätten wir bei VSC oder einem Safety Car auf jeden Fall gestoppt."
Ferrari-Taktik ging nicht auf
Tatsächlich dachten fast alle so. Wer auf Soft- oder Medium-Reifen gestartet war, wollte diese Reifen so früh wie möglich loswerden. Das Safety Car für den liegengebliebenen Racing Point von Sergio Perez gab allen die Gelegenheit dazu. Nur Ferrari und Alfa Romeo-Sauber griffen nicht zu. Sie ließen Charles Leclerc und Antonio Giovinazzi auf der Strecke zusammen mit den Fahrern, die auf harten Reifen ins Rennen gegangen waren. Das konnte nur die Hoffnung auf ein weiteres Safety Car innerhalb der nächsten 20 Runden rechtfertigen. Ferrari-Sportdirektor Laurent Meckies lieferte noch eine andere Erklärung: "Wären wir allen anderen gefolgt, wären die Positionen festgefroren geblieben." Leclerc hätte sich auf Platz 13 wieder eingereiht. So sprang er auf Rang 8.
Die Taktik ging aus zwei Gründen nicht auf. Die Ferrari nahmen wieder mal ihre Reifen härter ran als die Konkurrenz. Leclerc verlor am Ende des ersten Stints massiv Positionen und Zeit. Das konnte er mit den harten Reifen bei einer Restdistanz von 34 Runden nicht mehr aufholen. Bis er sich zu Kimi Räikkönen vorgearbeitet hat, war auch schon wieder Schluss. Die Reifen ließen ihn im Stich.
Bei Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo machte es dagegen Sinn, auf den Boxenstopp zu verzichten. Sie gewannen dadurch jeweils fünf Positionen. Vettel hielt auf den harten Sohlen 35 Runden durch, Ricciardo 39. Am Renault baute der erste Reifensatz allerdings wesentlich später ab. Dabei war Ricciardo im Schnitt noch eine Sekunde schneller als der Ferrari-Pilot. Am Ende ging die Taktik für beide nicht so auf wie erhofft.
Der Medium-Reifen war eine Niete. Ricciardo ging mit einem Rückstand von 15,1 Sekunden auf Carlos Sainz in die letzten 16 Runden. Er holte bis ins Ziel nur bis auf 8,0 Sekunden auf den Spanier auf, war aber immerhin in der Lage, im allerletzten Umlauf noch die schnellste Rennrunde zu fahren. Vettel tauchte in den Niederungen des Feldes ab und blieb dort auch: "Ich hatte mit dem zweiten Reifensatz große Probleme."
Wer bei diesem Rennen Plätze gewinnen wollte, der musste auf der Strecke überholen. So wie Esteban Ocon und Pierre Gasly. Wir alle wissen, wie schwierig das in Abu Dhabi ist. Es wurden zwar 32 Überholmanöver gezählt, aber die meisten fanden im letzten Drittel des Feldes statt. Perez steuerte mit seiner Aufholjagd in den ersten acht Runden allein sechs Positionswechsel dazu bei. Abu Dhabi muss sich etwas einfallen lassen. Diese Strecke ist kein guter Ort für ein Saisonfinale. Weder auf der Strecke noch am Kommandostand spielt sich Aufregendes ab. Leider zählt immer nur der letzte Eindruck. Und den nehmen wir alle in die Winterpause mit.