Günstiger Riese mit überraschendem Komfort

In Länge und Radstand überragt Dacias großer SUV den VW Tiguan um je etwa 3 cm – bei 14.260 Euro weniger Grundpreis
Dacia feierte im Herbst 2024 die Weltpremiere des neuen SUV-Modells Bigster. Wir haben uns den großen Duster-Bruder bereits genauer angesehen und konnten ihn fahren. Trotz Verzichts auf eine dritte Sitzreihe wird er die Tiguan-Klasse richtig aufmischen – zu Preisen ab 23.990 Euro.
So wirklich klein können sie bei Dacia offenbar gerade wirklich nicht. Gut, beim Preis schon, denn der Einstieg beginnt bei 23.990 Euro – und damit deutlich unter allem anderen, was sonst noch in diesem Segment herumfährt. Beim Einstieg in den Dacia Bigster hingegen fällt gleich nach dem Druck des Starknopfs, der etwas versteckt rechts hinterm Lenkrad sitzt, eine Ziffer im Fahrerdisplay auf: 1100. Und zwar: Kilometer. So viel Reichweite soll möglich sein. Na dann: Auf geht’s!
So fährt der Dacia Bigster (als hybrid 155)
Jetzt noch den Wählhebel-Stummel einmal nach unten flippern, und der 4,57 Meter lange SUV rollt leise los. Ja, rein elektrisch, denn zum ersten Kennenlernen stellt Dacia ausschließlich die Antriebsvariante hybrid 155 zur Verfügung, die den attraktiven Einstiegspreis von 23.990 Euro gleich mal um 4.600 Euro nach oben lupft – wenngleich in Verbindung mit einer etwas besseren Ausstattung. Die erreicht in der gefahrenen Linie Journey ein weit höheres Niveau, wobei hier vorwiegend die dann immer noch optionalen 19-Zoll-Räder mit ungewöhnlicher 205/55er-Bereifung interessieren. Wie die sich wohl auf den Federungskomfort des einfach ausgeführten Fahrwerks mit MacPherson-Vorderachse und Verbundlenker-Hinterachse (nur der 4x4 bekommt eine Mehrlenkerachse) auswirkt?
Zunächst einmal gar nicht, denn die Straßen unterfordern es mit ihrem ebenen Belag. Also fällt erst einmal auf, dass sich der 1,8-Liter-Benziner des Hybrid-Antriebs mit leichtem Rucken meldet, da die Kapazität des 1,4-kWh-Akkus erschöpft ist. Der Vierzylinder brummt ein wenig, läuft im Rahmen seiner Möglichkeiten vibrationsarm, passt so zur ehrlichen Haut. Überhaupt arbeitet der Antrieb – abgesehen vom gelegentlichen, leichten Ruckeln – im besten Sinn unauffällig. Keine Selbstverständlichkeit, muss sich der Verbrenner doch mit einem 49-PS-E-Motor sowie einem Hochspannungs-Starter-Generator und einem Getriebe, das sechs Antriebsmodi ermöglicht, vertragen. Der Saugmotor selbst leistet trotz seines Hubraums gerade einmal 109 PS und taktet nach dem Atkinson-Prinzip, also mit länger geöffneten Einlassventilen für eine effizientere Verbrennung. Während du so übers südfranzösische Land gondelst, glaubst du bald die Angabe des Herstellers, dass der Antrieb rund 80 Prozent des Stadtverkehrs rein elektrisch absolviert, denn selbst außerhalb der Stadt pausiert der Benziner häufig. Nur kurz, aber eben häufig.
Wenig Gewicht, aber auch wenig Temperament
Unter Last schwillt die Geräuschkulisse natürlich deutlich an, ungestümes Temperament ergibt sich dennoch nicht, obwohl es die Systemleistung von 155 PS mit nur knapp unter 1,5 Tonnen Bigster zu tun bekommt. Wie sich das wohl beim Erreichen des zulässigen Gesamtgewichts von 2.940 kg anfühlt? Und dann wäre da noch ein Haken, im wahren Wortsinn: Mehr als eine Tonne darf der Hybrid nicht ziehen, die anderen zwei Antriebsvarianten immerhin 1,5 Tonnen. Spätestens dann stellt sich auch die Frage, wie der Dacia mit seinen hinteren Trommelbremsen verzögert, denn selbst als Hybrid fällt die Rekuperationsleistung überschaubar aus. Das Pedalgefühl jedoch passt schon mal. Solange du also den Antrieb nicht stresst, fährt der Dacia Bigster prima, auch wenn sich der Zustand der Straßen verschlechtert. Hin und wieder schwingt der Aufbau kurz nach dem Anfedern einen Hub etwas hektisch nach, ansonsten macht das Fahrwerk einen wirklich guten Job.
Selbst wenn sich dem Dacia Bigster mal Kurven vor die aufrechte Nase werfen, lässt sich die Abstimmung davon nicht irritieren. Im Gegenteil: Der SUV beginnt erst bei überraschend hoher Querbeschleunigung sacht zu untersteuern. Übertreibst du es jetzt, hält die offenbar akribisch applizierte Stabilitäts-Elektronik des Dacia mit sachten, gezielten Eingriffen sauber auf Linie. Klasse! So entsteht der Eindruck, dass das Fahrwerk den Antrieb aussticht, selbst wenn die Lenkung mit ihrem etwas zähen Rückstellmoment ein wenig Gewöhnung erfordert, dafür aber verlässlich rückmeldet.
Einfache Bedienung über haptische Tasten
Wie sitzt es sich denn so hinterm Lenkrad? Ordentlich passiert, auf gut stützenden Sitzen, denen es nicht an Seitenhalt, allerdings an Oberschenkelauflage fehlt. Dazu präsentiert das Fahrerdisplay alle wichtigen Informationen klar, wenngleich schon arg schmucklos. Nicht einmal virtuelle Rundinstrumente lassen sich einstellen. So sei es, die Freude über die einfache Bedienung mittels vieler haptischer Tasten überwiegt. Vor allem die linke in der kleinen Leiste links vom Lenkrad gefällt, denn nach entsprechender Programmierung legt sie auf Druck nervende Assistenzsysteme lahm. Da fällt es dann auch leicht, ein wenig über den Bediensatelliten der Audioanlage zu lächeln – ein fester Bestandteil der Renault-Historie. Wesentlich praktischer: der 10,1-Zoll-Zentralmonitor mit logischer Menü-Struktur. Und: die diversen Ablagen. Vor allem die Türtaschen fallen geräumig aus.
An Platz für Fahrer und Mitreisenden fehlt es ebenfalls nicht, du kannst schon vier, vielleicht gar fünf recht groß gewachsene Menschen im Dacia Bigster verräumen. Diejenigen, die hinten Sitzen dürfen, können ihre Füße unter die Vordersitze schieben. Alle miteinander dürfen dann die Aussicht aus dem 1,20 Meter langen Panoramadach (kostet beim Journey 850 Euro, beim Extreme Serie, für Essential und Expression nicht lieferbar) genießen, spätestens mault niemand mehr über die einfachen Materialien, die es aus dem Laderaum bis in weite Teile des Innenraums geschafft haben. Ach, da wäre noch eine nette Anekdote aus dem Laderaum: Dort steckt in der linken Ausbuchtung der Wagenheber, ganz ohne irgendeine Verkleidung, geniert sich seiner nicht. Das Ersatzrad liegt im Kellerfach des Kofferraums, um das sich flexibles Gepäck herum drapieren lässt. Passiert nicht mehr allzu häufig und stört wohl auch niemanden, schließlich weißt du im Ernstfall, wo du hingreifen musst.
Woran sich allerdings viele, vor allem Fahrer und Beifahrer, bestimmt stören: An den Windgeräuschen. Vom 1,20 Meter großen Glasdach? Nein, aus dem Bereich der A-Säulen. Ab 80 km/h nehmen sie deutlich an Intensität zu, ab 120 km/h nerven sie schlicht. Schade, denn das lässt sich weder durch den günstigen Preis noch den ehrlichen, rustikalen Charakter des Dacia Bigster rechtfertigen.
Abmessungen: Klarer Größenvorteil zum Duster
Das Beste vorweg: Der Dacia Bigster orientiert sich nicht nur bei den Abmessungen extrem nah an der viel beachteten Studie (weiter unten im Text). Mit seiner Länge von 4,57 Metern trägt er sozusagen das Gardemaß der SUV-Klasse, ist mit 1,81 Metern allerdings nicht unnötig breit. Und mit einer Höhe von 1,71 Metern dürfte das größte aller Dacia-Modelle problemlos in die meisten Garagen passen.
Dass er technisch auf dem erfolgreichen Dacia Duster (Länge: 4,34 Meter) basiert, sieht man ihm auf Anhieb an. Dabei ist er nicht nur einen ganzen Unterarm länger, sondern setzt auch auf einen leicht gestreckten Radstand (2,70 statt 2,65 Meter). Der Bigster baut auf der B-Ableitung der CMF-Konzern-Plattform auf, die Dacia in ihrer "Low Specifications"-Variante bereits bei den dritten Generationen des Logan und Sandero nutzt. Die Plattform kann verschiedenste Antriebe tragen und lässt sich auch elektrifizieren.
Innenraum: Keine dritte Sitzreihe, dennoch mega praktisch
Der Dacia Bigster wird trotz seiner stattlichen Länge nicht über eine dritte Sitzreihe verfügen. Sieben Sitze gibt es also weiterhin nur beim Kombi Dacia Jogger. Trotzdem stehen Variabilität und Komfort auch beim SUV Bigster im Fokus. Schon mit aufgestellten Sitzen in zweiter Reihe verfügt der Bigster über 667 Liter Kofferraum. Legt man die dreiteilige Rückbank über die Zughebel in der Kofferraumseite flach, entsteht ein riesiger, topfebener Laderaum, den Dacia (angeblich) bis jetzt nicht genau vermessen hat. Übrigens schwingt die große Heckklappe beim Bigster Journey serienmäßig elektrisch auf. Für die Extreme-Variante kostet die Funktion extra.
Unter dem Kofferraumboden verstecken sich zudem noch großzügige Schmuggelfächer. Wahlweise können die beiden Bodenteile auch eine Etage tiefer einrasten und einen höheren Gepäckraum freilegen. Wer noch mehr Reisegepäck verstauen möchte, kann den serienmäßigen Dachgepäckträger mit seinen schwenkbaren Quertraversen nutzen. Der nimmt es mit 80 Kilogramm Traglast auf. Dacia hat sogar das Sleep-Pack für den Bigster angekündigt. Das verwandelt das Heck des SUV im Handumdrehen zu einem 1,90 x 1,30 großen Doppelbett und den Bigster zum "Campster".
Cockpit: Digitale Armaturen und echte Knöpfe
Wie beim neuen Duster blicken die Bigster-Fahrer auf ein Digital-Cockpit (7 oder 10 Zoll groß) und den mittig auf dem Armaturenträger stehenden Bildschirm. Der zentrale 10,1-Zoll-Touchscreen gehört in allen Modellvarianten zur Serienausstattung. Im Bigster Essential und Expression bietet er Zugriff auf das Multimediasystem Media Display mit vier Lautsprechern und kabelloser Smartphone-Einbindung über Apple CarPlay oder Android Auto.
Bigster Extreme und Bigster Journey sind obendrein mit dem Multimediasystem Media Nav Live ausgestattet, das eine Cloud-Navigation mit Echtzeit-Verkehrsinformationen und Kartenupdates für acht Jahre bietet. Im Umfang enthalten ist dazu ein Arkamys-3D-Sound-System mit sechs Lautsprechern. Echte Knöpfe gibt es übrigens für die Klimabedienung. Und die machen beim ersten Drucktest einen richtig soliden Eindruck. Überhaupt ist der neue Dacia innen an den wichtigsten Punkten solide, wenn auch nicht mit den allerfeinsten Materialien verarbeitet.
Stärkster Dacia aller Zeiten
Diesel-Aggregate gibt es auch im Bigster nicht. Stattdessen orientiert sich der Bigster am kleineren Bruder Duster. Entsprechend findet man mit dem aufgeladenen Dreizylinder TCe 140, dem Autogas-Motor ECO-G 140 und dem Allradmodell TCe 130 4x4 drei bekannte Antriebe wieder. Neu hingegen ist ein stärkeres Hybridmodell, das nun auf 1,8 Liter Hubraum setzt und als Systemleistung 155 PS in die Waagschale wirft.
Der Bigster Hybrid 155 ist das erste Modell der Renault-Gruppe mit diesem neuen Hybrid-Antrieb. Das Antriebssystem kombiniert einen 107 PS starken Vierzylinder-Benzinmotor, zwei Elektromotoren (einen 50-PS-Motor und einen Hochspannungs-Starter/Generator), eine 1,4-kWh-Batterie (230 V) und ein automatisches Elektrogetriebe, das über vier Gänge für den Verbrennungsmotor und über zwei weitere für die Elektromotoren verfügt.
Antrieb: Mehr Leistung als der Jogger-Hybrid
Der neue Hybrid 155 toppt den bisherigen Hybrid 140 aus dem Duster und dem Jogger. Er bietet mehr Leistung (plus 15 PS), mehr Drehmoment (plus 20 Nm auf 170 Nm allein beim Verbrennungsmotor) und eine höhere Anhängelast (plus 250 Kilogramm auf eine Tonne). Auch die Effizienz wurde verbessert: Der Kraftstoffverbrauch und die Emissionen wurden um sechs Prozent gesenkt. Dacia verspricht zudem, dass der Bigster Hybrid in der Stadt bis zu 80 Prozent der Zeit im reinen Elektromodus fahren kann. Auch der Fahrzeugstart erfolgt immer im Elektromodus.
Anders als in bisherigen Hybrid-Modellen setzt Dacia beim Bigster Hybrid 155 auf eine luft- und nicht wassergekühlte Batterie. Zudem läuft der 14:1 verdichtete 1,8-Liter-Motor die meiste Zeit im Alltag im sogenannten Atkinson-Zyklus mit spät schließenden Einlassventilen für mehr Effizienz bei geringerer Lastabgabe.
Bivalenter Antrieb erstmals mit 48-Volt-Technik
Wer weniger auf E-Antrieb, aber mehr auf große Reichweiten abfährt, findet im Bigster ECO-G 140 den passenden Partner. Dessen aufgeladener 1,2-Liter-Dreizylinder kann nämlich mit Benzin oder Autogas (LPG) betrieben werden. Beim Bigster kombiniert Dacia einen bivalenten Antrieb erstmals mit einem 48V-Mild-Hybrid-System. Das unterstützt den Turbomotor beim Anfahren und Beschleunigen. Durch regeneratives Bremsen wird die 0,8-kWh-Batterie wieder aufgeladen.
Zwei jeweils 50 Liter große Tanks sollen im Bigster ECO-G 140 eine Reichweite von bis zu 1.450 Kilometern ermöglichen. Dabei stößt der neue Bigster ECO-G 140 im Autogas-Betrieb durchschnittlich 10 Prozent weniger CO₂ aus als ein vergleichbarer Benzinmotor ohne Hybridunterstützung. Der LPG-Tank ist unter dem Kofferraumboden untergebracht, sodass der Laderaum nicht beeinträchtigt wird. Ein Schalter am Armaturenbrett ermöglicht einen schnellen und nahtlosen Wechsel von einer Kraftstoffart zur anderen.
Nur eine Motorvariante mit Allradantrieb
Der Bigster TCe 130 4x4 ist die einzige Variante mit Allradantrieb. Auch hier kommt der 1,2-Liter-Dreizylinder mit Turboaufladung zum Einsatz. Er leistet 130 PS und ist als Mildhybrid mit einem 48-Volt-System und dem bekannten 0,8-kWh-Akku ausgerüstet. Wie bei der LPG-Basis sortiert der Fahrer die Übersetzungen mit einem manuellen Sechsgang-Schaltgetriebe. Die Bergabfahrhilfe (Serie für den Bigster Extreme) ist besonders für Fahrten im Gelände und auf Passagen mit starkem Gefälle nützlich. Das System betätigt selbstständig die Bremsen und drosselt die Geschwindigkeit je nach Wunsch auf ein Tempo im Bereich zwischen 0 und 30 km/h. Das System funktioniert in allen Gängen, auch im Rückwärtsgang.
Der neue Bigster TCe 130 4x4 verfügt über das Terrain Control System mit fünf Fahrmodi:
• AUTO: Das Getriebe verteilt die Kraft automatisch zwischen Vorder- und Hinterachse, je nach Bodenhaftung und Drehzahl der Räder.
• SNOW: Optimiert das Fahrverhalten auf glatten Straßen mit spezifischen ESP- und Anti-Schlupf-Einstellungen.
• MUD/SAND: für wechselndes Terrain mit lockeren Oberflächen.
• OFF-ROAD: Bietet beste Offroad-Eigenschaften in schwierigem Gelände und verteilt das Drehmoment automatisch und bedarfsgerecht je nach Bodenhaftung und Geschwindigkeit auf die Vorder- und Hinterräder.
• ECO: Senkt den Kraftstoffverbrauch durch Regulierung der Leistungsabgabe von Antrieb und Klimaanlage sowie eine optimale Verteilung des Drehmoments auf die Vorder- und Hinterräder.
Preise und Ausstattungen des Dacia Bigster
Der neue Bigster wird in vier Ausstattungen angeboten: als Essential, Expression und in den beiden preislich gleichwertigen Top-Modellen Extreme und Journey. Während sich der Bigster Extreme mit serienmäßigem Panorama-Schiebedach, modularer Dachreling, Bergabfahrhilfe, Gummimatten und 3-in-1 YouClip-System an Outdoor-Fans richtet, ist der Bigster Journey die passende Wahl für Vielfahrer – mit zweifarbiger Karosserielackierung (schwarzes Dach optional), elektrisch bedienbarer Heckklappe und einem elektrisch einstellbaren Fahrersitz.
Das Basismodell Bigster Essential trägt zu einem Preis ab 23.990 Euro bereits 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, die feste Dachreling, das Media Display mit zentralem 10,1-Zoll-Touchscreen, ein digitales 7-Zoll-Instrument, eine manuelle Klimaanlage, Parksensoren und -kamera hinten sowie elektrische Fensterheber vorne und hinten.
Die Ausstattungsvariante Expression ist ab 24.990 Euro zu haben. Als Journey startet der Bigster ab 26.840 Euro. Die Top-Ausstattung Extreme ist ab 26.990 Euro zu haben.
Als Allradler steht der Bigster ab Excpression und ab 27.990 Euro bereit. Der Hybridantrieb ist ebenfalls erst ab Expression sowie 28.950 Euro zu haben. Die ersten Bigster werden dann ab Mai beim Händler stehen.