Fahrstil passt nicht zum Auto
Der McLaren-Jubel um das Podium von Lando Norris überdeckte in Monaco die herbe Pleite von Daniel Ricciardo. Der Australier findet diese Saison einfach nicht in die Spur. Teamchef Andreas Seidl fordert eine Umstellung des Fahrstils von seinem Schützling, um das Maximum aus dem Auto zu holen.
Der Plan der McLaren-Verantwortlichen klang eigentlich ganz vernünftig: Weil es für die jungen Talente Lando Norris und Carlos Sainz in den vergangenen beiden Jahren keinen richtigen Vergleichsmaßstab gab, holte man sich mit Daniel Ricciardo eine bekannt starke Messlatte ins Team. So wollte man herausfinden, wie stark das Auto wirklich ist.
Doch nach fünf Rennen lässt sich bereits sagen, dass dieser Plan nicht aufgegangen ist. Die Messlatte heißt aktuell nicht Ricciardo sondern Norris. Der Youngster fährt dem alten Hasen aus Perth momentan so heftig um die Ohren, wie es vor der Saison wohl kein Experte erwartet hatte. In Monaco kletterte Norris schon zum zweiten Mal in dieser Saison auf das Podium, womit er sich auch in der Fahrerwertung auf Rang drei schob.
Ricciardo liegt mit nicht einmal halb so vielen Punkten abgeschlagen auf Rang acht im WM-Klassement. Ausgerechnet bei seinem Lieblingsrennen in Monte Carlo, wo er 2018 gewann und insgesamt schon vier Mal auf dem Podium stand, setzte es eine herbe Pleite. Der Australier wurde sogar vom eigenen Teamkollegen überrundet. Von dem leichten Aufwärtstrend, der in den Rennen davor zu erahnen war, gab es nichts mehr zu sehen.
Ricciardo auf der Suche nach dem Problem
Der Pilot fand nach dem Rennen keine Erklärung für den zwölften Platz. Er suchte aber auch keine Ausreden: "Das war einfach ein Wochenende zum Vergessen. Da gibt es nicht viel zu sagen. Spaß hat das nicht gemacht. So etwas kann immer mal passieren. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es ausgerechnet in Monaco so schlecht laufen würde."
Schon in den Freien Trainings wurde der eklatante Speed-Unterschied zum Schwesterauto deutlich. Im Qualifying verpasste Ricciardo die Q3-Runde deutlich. Und auch im Rennen ging nichts mehr vorwärts. Auf dem ersten Stint mit Medium-Reifen konnte er nicht einmal den anderen Autos aus dem Mittelfeld folgen. Die Quittung war ein zwölfter Platz. Zum ersten Mal seit 2013 blieb Ricciardo damit in Monaco wieder ohne Punkte.
Die Höchststrafe war aber die Überrundung durch den eigenen Teamkollegen: "Ich weiß nicht, ob mir das überhaupt schon mal passiert ist. Das war kein gutes Gefühl", schüttelte Ricciardo mit dem Kopf. "Lando zeigt sicher gute Leistungen. Aber er ist nicht so gut, dass er mich überrundet. Bei so einem großen Unterschied muss irgendwo ein dicker Hund drin sein. Aber damit kann ich vielleicht sogar besser umgehen, als wenn mir nur ein paar Zehntel fehlen würden."
Wo das Problem genau liegt, konnte der Fahrer nicht sagen: "Vom Setup sind die Autos fast identisch. Ich versuche auch gar nicht besonders zu clever zu sein und etwas anders zu machen, sondern ich orientiere mich an Lando. Bei einigen Rennen war ich ja schon näher dran und es schien, als würde es langsam besser werden. Doch in Monaco ging die Schere wieder auf."
Seidl fordert Anpassung ans Auto
So langsam gehen Ricciardo die Ideen aus. Der Frust nach der herben Pleite saß tief: "Ein Teil von mir will dieses Wochenende einfach nur vergessen und nicht zu viel analysieren. Ich will mich auch nicht verrückt machen. Natürlich werden wir die Daten noch einmal anschauen. Und ich hoffe, dass wir Antworten finden. Aber wir müssen aufpassen, dass wir uns dabei aber nicht noch mehr verwirren."
Teamchef Andreas Seidl gibt sich nach außen noch entspannt und verständnisvoll. Der Bayer weiß aber auch, dass man Ferrari im Kampf um WM-Platz drei auf Dauer nicht hinter sich halten kann, wenn immer nur ein Auto punktet. Während Ricciardo zwischen den Zeilen andeutete, dass irgendetwas mit der Technik nicht passt, nimmt die Teamleitung vor allem den Piloten in die Pflicht.
"Es ist mit seinem Fahrstil schwierig, das Maximum aus unserem Auto herauszuholen. Lando zeigt ja, was möglich ist. Wir müssen nun schauen, wie Daniel am besten seinen Fahrstil umstellen kann", so Seidl. "Gleichzeitig schauen wir natürlich auch, wie man vielleicht das Auto anpassen kann, ohne dabei Performance aufzugeben. Das Ziel ist, dass er natürlicher fahren kann, ohne zu viel nachdenken zu müssen."
Nach fünf Rennen sollte die Eingewöhnungsphase eigentlich längst abgeschlossen sein. Der Vertrauensvorschuss ist langsam aufgebraucht. Trotzdem will Seidl keinen Druck aufbauen: "Es ist wichtig für ihn ruhig zu bleiben. Er muss das Monaco-Wochenende einfach abhaken. Wir wissen genau, woran es liegt. Wir haben seit Saisonbeginn schon einige Fortschritte mit ihm machen können. Diese Reise müssen wir in Baku fortsetzen."
Monaco für McLaren besser als erwartet
Generell zeigte sich der Ingenieur aus Passau zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft im Fürstentum. McLaren war mit großen Sorgen angereist, weil das Auto in den Rennen zuvor Schwächen vor allem in langsamen Kurven zeigte. Doch mit dem richtigen Setup und einigen kleinen Upgrades fehlten Norris im Qualifying nur 27 Hundertstel zur Pole Position.
Am Ende war aber auch etwas Glück dabei, dass die Rivalen von Ferrari nach dem Defekt bei Leclerc nur mit einem Auto ins Rennen starten konnten. "Das Risiko war hoch, dass wir viele Punkte im Kampf um Rang drei in der WM verlieren würden. Da haben wir von ihrem Pech profitiert. So etwas wünscht man natürlich keinem Konkurrenten. Es ist aber schön zu sehen, dass wir mit Lando zur Stelle waren und das ausnutzen konnten."
Mit dem GP Aserbaidschan kommt nun ein Rennen, das dem McLaren MCL35M mehr liegen sollte. Die gute aerodynamische Effizienz bringt die Papaya-Raketen in den Top-Speed-Tabellen immer wieder ganz nach vorne. Da passt die mit fast zwei Kilometern längste Gerade des Jahres natürlich genau ins Beuteschema. Ferrari wird wegen des PS-Defizits in Baku deutlich schwächer erwartet.
Seidl blickt aber nicht nur optimistisch auf das nächste Rennen, sondern auch auf den Rest der Saison: "Monaco hat gezeigt, dass unser Auto auf allen Streckentypen konkurrenzfähig ist. Damit sind wir in der Lage, gegen ein starkes Ferrari-Team um Platz drei im Konstrukteurspokal zu kämpfen. Wir werden die Entwicklung des Autos nicht stoppen und auch in den nächsten Rennen weitere Upgrades bringen, um uns vor ihnen zu halten. Das ist das Ziel für diese Saison. Natürlich werden wir dabei nicht die Entwicklung des 2022er Autos aus den Augen verlieren."