Warum die Marke jetzt auf Luxus statt Sport setzt

Jaguar hat die Reißleine gezogen und einfach aufgehört, Autos zu bauen. Hinter dem Produktionsstopp steckt ein riskanter Plan: Die britische Marke will sich neu erfinden und in einer Liga mit Bentley mitspielen. Kann das gelingen?
Wenn eine Traditionsmarke wie Jaguar im Juni 2025 in Deutschland nur sechs Neuzulassungen verzeichnet, schrillen in der Automobilbranche die Alarmglocken. Ein Rückgang von über 97 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat – drastischer kann ein Einbruch kaum ausfallen. Doch dieser Absturz ist kein Zeichen gescheiterter Produkte oder verfehlter Werbung. Im Gegenteil: Er ist das Ergebnis eines strategischen Kurswechsels. Jaguar hat die Fahrzeugproduktion bewusst vollständig eingestellt.
Was auf den ersten Blick wie ein Akt der Verzweiflung wirkt, ist in Wahrheit ein radikaler Neustart. Die Marke verabschiedet sich vollständig von ihrem bisherigen Modellportfolio und wagt den Sprung in das Segment der Luxus-Elektromobilität. Künftige Modelle sollen nicht mehr mit Audi oder BMW konkurrieren, sondern sich mit Bentley und Rolls-Royce messen. Rein elektrisch, kompromisslos exklusiv.
Eine Marke auf Identitätssuche
Die Entscheidung markiert das Ende einer jahrelangen Identitätskrise. Jaguar war es nie gelungen, eine konsistente DNA zu etablieren. Zwischen sportlichen Modellen wie dem F-Type, konservativem Understatement à la XJ und vernünftigen Baureihen wie dem E-Pace fehlte der klare Fokus. Die Folge: ein überaltertes Portfolio, geringe Marge pro Fahrzeug und eine Kundschaft, die nicht mehr wusste, wofür Jaguar eigentlich steht.
Ende 2024 zog das Management die Reißleine. In einem bewussten Bruch stellte Jaguar die Produktion sämtlicher Modelle ein. Auch für Händler bedeutete das: für mindestens ein Jahr keine Neuwagen mehr. Das Management sprach von einer "Phase der Neuausrichtung", begleitet von einem vollständigen Marken-Relaunch. Sichtbar wurde das nicht zuletzt durch die viel diskutierte "Copy Nothing"-Kampagne mit androgyn inszenierten Models und poppiger Ästhetik. Autos tauchten kaum noch auf.
Jaguar will kein Volumenhersteller mehr sein. Stattdessen soll künftig jedes Fahrzeug ein Statement setzen. Das erste greifbare Produkt dieser Neuausrichtung ist der für Ende 2025 angekündigte Grand Tourer auf Basis des Konzeptfahrzeugs "Type 00". Mit rund fünf Metern Länge, auffällig futuristischem Design und einer angestrebten Reichweite von bis zu 800 Kilometern richtet sich der vollelektrische GT nicht an die breite Masse, sondern an wohlhabende Individualisten mit Sinn für britische Exzentrik.
Ein Blick in die Zukunft – mit Unsicherheiten
Noch ist unklar, wie das Serienmodell aussehen wird. Brancheninsider erwarten ein elektrisches Pendant zu klassischen Gran Turismos – kein SUV, sondern ein klares Luxusobjekt auf vier Rädern. Zu Preis, Stückzahlen und Auslieferungsstrategie schweigt Jaguar bislang. Spekuliert wird über exklusive Kleinserien, ergänzt um Concierge-Dienste oder Abo-Modelle – inspiriert von Start-ups wie Lucid oder Hispano Suiza.
Ob Jaguar diesen Plan erfolgreich umsetzen kann, hängt nicht nur von Produkt und Technik ab – sondern vor allem davon, ob es gelingt, das eigene Markenbild glaubhaft neu aufzuladen. Ein Beispiel, wie so ein Neustart funktionieren kann, liefert Aston Martin. Auch dort hatte man lange mit einer diffusen Identität zu kämpfen. Heute positioniert sich die Marke klar als Anbieter edler, technikorientierter Fahrzeuge mit Elektro-Fokus neu positioniert. Das erste BEV ist für 2025 angekündigt, die Investitionen in Design, Manufaktur und Imagepflege tragen, laut Aston Martin selbst, erste Früchte.