Kommentar zur Umweltbonus-Verzögerung
Bis zu 6.000 Euro Zuschuss für den Kauf eines Elektroautos, versprach die Bundesregierung im November 2019 und lässt seitdem Wirtschaft, Händler und Kunden im Regen stehen. Das ist peinliches Politik-Versagen, meint Chefredakteur Jochen Knecht.
Der „Autogipfel“ im Kanzleramt sollte Anfang November 2019 den Durchbruch für die Elektromobilität bringen. Ein Spitzentreffen zwischen Bundesregierung und Autoindustrie unter den wachsamen Augen der Kanzlerin. Mit dem bekannten Ergebnis: Maximal 6.000 Euro Förderung für Elektroautos, 4.500 Euro für Plugin-Hybride, zu gleichen Teilen von Herstellern und Staat bezahlt. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer frohlockte über einen Knopf, der aufgesprungen sei und nahm die versammelte Runde in die Pflicht: „Wir müssen jetzt Tempo machen!“. Was konnte da noch schiefgehen? Natürlich alles.
Bitte nicht anrufen!
Denn Stand heute findet sich auf der Website des zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zur Erhöhung des Umweltbonus Folgendes: „Zum jetzigen Zeitpunkt liegen dem BAFA keine Informationen vor, wann und wie die Richtlinie zur Förderung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen geändert wird. Bitte sehen Sie von telefonischen Anfragen ab. Sobald entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt werden können, werden sie auf dieser Seite veröffentlicht. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ 6.000 Euro Förderung? Pustekuchen.
Lahme EU? Von wegen!
Das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier, dem das BAFA unterstellt ist, schiebt den Schwarzen Peter der EU-Kommission zu. Die prüfe noch die Erhöhung der Subvention. Klingt überzeugend. Die lahme EU-Bürokratie. Das kennt man ja. Das Problem: „ZEIT Online“ hat bei der EU-Kommission nachgefragt. Und dort liegen noch keine weiteren Informationen aus Deutschland vor. In Brüssel wird also nicht geprüft, weil die Bundesregierung die nötigen Unterlagen noch gar nicht eingereicht hat.
Wut bei den Autohändlern
Heißt: Das kann alles noch dauern. Ein paar Wochen, mindestens. Wenn’s ganz dumm läuft, auch noch ein paar Monate. Entsprechend bedient ist man dort, wo man den Irrsinn ausbaden muss: bei den Autohändlern. Beim Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) ist die Stimmung mehr als gereizt: Hauptgeschäftsführer Axel Koblitz sieht die Bundesregierung in der Verantwortung. Die habe „ein Versprechen in die Welt gesetzt“, dass sie jetzt nicht einlöse. Diese „Hängepartie erstickt die E-Auto-Nachfrage!“.
Jedes Elektroauto zählt
Klingt nach Sabotage. Und kommt der Sache wahrscheinlich sogar ziemlich nahe. Weil eben kaum jemand zum Händler geht und jetzt ein Elektroauto kauft. Die Kunden wissen vom erhöhten Umweltbonus, können ihn aber noch nicht beantragen und zögern den Kauf hinaus. So einfach ist das. Die Auswirkungen sind verheerend. Weil Händler ihre Kunden ohne Elektroauto vom Hof schicken müssen. Und das macht es unterm Strich für die Hersteller schwerer, die strengen CO2-Grenzwerte einzuhalten. Wer da patzt, hat im Zweifel Strafzahlungen in Milliardenhöhe vor der Brust. Strafzahlungen an die EU. Und deshalb ist jedes Elektroauto, das nicht auf die Straße kommt, ein Problem.
Eigentlich sitzen Bundesregierung und Autohersteller im gleichen Boot. Die Regierung steht mit dem langfristigen Klimaschutzversprechen im Wort. „Um die Klimaziele 2030 zu schaffen, müssen in Deutschland sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein!“, findet sich dazu auf der Internetseite der Bundesregierung. Kalkül und Lobbyismus fallen als Grund für die Verzögerung also aus. Bleibt noch das Thema Unfähigkeit. Was die Sache aber nicht besser macht.
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