BYD hält Verlust gering, Skoda büßt massiv ein
Im Winter haben Elektroautos mit Reichweiten-Verlusten zu kämpfen. Der norwegische Automobilclub NAF hat erneut anhand eines riesigen Testfelds überprüft, welche Modelle wie viel von ihrer Akku-Kapazität verlieren.
Dass Elektroautos gerade in der kalten Jahreszeit mit Reichweiten-Einbußen und verminderter Akku-Performance zu kämpfen haben, wurde von Kritikern der Antriebstechnologie längst als Angriffspunkt erkannt. Niedrige Temperaturen verlangsamen die elektrochemischen Prozesse, wodurch sich wiederum der Innenwiderstand erhöht. Das führt dazu, dass die Spannung bei gesteigertem Stromfluss sinkt – der Akku entleert sich schneller. Hinzu kommt, dass die Klimatisierung eines E-Autos bei Kälte auf Hochtouren läuft, schließlich muss sie meist nicht nur den Innenraum, sondern ebenso die Batterie aufheizen.
Wie genau sich das auf den elektroautomobilen Alltag auswirkt, ermittelt das norwegische Pendant des ADAC, die Norwegian Automobile Federation (NAF), regelmäßig in ausführlichen Wintertests. Diesmal wurden sage und schreibe 31 Modelle dem Reichweiten-Check bei Temperaturen zwischen dem Gefrierpunkt und –10 Grad Celsius unterzogen. Eins vorweg: Generelle Aussagen à la "Modelle dieses Herstellers verlieren bei Kälte kaum an Akku-Kapazität" oder "diese Marke hat hier großen Nachholbedarf" lassen sich aus den Ergebnissen kaum herauslesen. Doch ein paar Tendenzen zeigen sich durchaus.
Tesla und BYD liegen vorn
Nach absoluten Zahlen kommt der Tesla Model 3 Long Range mit Dual-Motor-Antrieb am weitesten. Mit 521 Kilometern überflügelt seine Kälte-Reichweite sogar jene der deutlich teureren Modelle Mercedes EQS 580 4Matic (513 Kilometer) und BMW iX xDrive 50 (503 km). Beim Thema Reichweiten-Verlust liegt das Ü-500-Kilometer-Trio jedoch nur im Mittelfeld. Hier sind mit dem BYD Tang, dem Tesla Model Y Long Range Dual Motor und dem Porsche Taycan 4 Cross Turismo drei andere Elektriker an der Spitze. Auch der Kia EV6 4WD und der Nio ES8 Long Range 7-Sitzer – ein weiterer Chinese also – können in dieser Hinsicht überzeugen.
Am anderen Ende der Tabelle haben ausgerechnet die eigentlich kälteerprobten Schweden mit hohen Reichweitenverlusten zu kämpfen. Der Polestar 2 Long Range landet sowohl in der ein- als auch in der zweimotorigen Variante im hinteren Drittel, begleitet vom Schwestermodell Volvo C40 Recharge. Mit Abstand am meisten seiner Akku-Kapazität – fast 32 Prozent – verliert jedoch der Skoda Enyaq iV80. Kaum besser machen es die MEB-Geschwister VW ID.4 GTX (minus 24,2 Prozent) und Audi Q4 E-Tron 50 Quattro (minus 23,97 Prozent). Hat der VW-Konzern mit seinen MEB-Modellen also eine Kälte-Phobie? So allgemein lässt sich das nicht behaupten, schließlich bewegen sich der Cupra Born, der VW ID.4 Pro und der Skoda Enyaq iV80 mit Allradantrieb allesamt im Bereich von nur minus 15 Prozent.
Kaum Fortschritte zu früheren Tests
Der neuerliche Winter-Reichweiten-Test des NAF zeigt im Vergleich zu früheren Ausgaben, dass die E-Modelle bei diesem Aspekt kaum Fortschritte zeigen. Im Schnitt liegt der Verlust der Akku-Kapazität über alle 31 Autos hinweg bei gut 19 Prozent. Im letzten, zum Jahresbeginn 2023 veröffentlichten Wintertest lagen die Reichweiten im Durchschnitt aller Testfahrzeuge um rund 25 Prozent unterhalb der angegebenen WLTP-Reichweite. Dieses Spektrum kann ein grober Anhaltspunkt auch für andere Elektroautos sein. Die höchste Diskrepanz zwischen WLTP und echtem Verbrauch zeigten vor knapp einem Jahr der Mercedes EQE 300, der Toyota BZ4X und der Skoda Enyaq Coupé RS.
Für die vor einigen Monaten durchgeführte Auflage, an dem ebenfalls der Schweizer Automobilclub TCS beteiligt war, nutzten die norwegischen Tester ein Feld aus insgesamt 28 Elektroautos, die den damaligen Marktstand repräsentierten. Darunter erstmals auch zahlreiche chinesische Hersteller: Nio, BYD, Voyah, Maxus, MG, Hongqi und JAC waren vertreten, die seinerzeit bereits im Pilotmarkt Norwegen verfügbar waren.
Tesla überzeugte, die Chinesen weniger
Am weitesten kam im Test das Tesla Model S Long Range. Nahezu gleich hohe Reichweiten zeigten die Modelle auf den Plätzen zwei bis vier: das Model X Plaid, der BMW i4 und der Nio ET7. Während Tesla mit der Oberklasse-Limousine Model S stark performt, landete der Kassenschlager Model Y nur im hinteren Reichweiten-Drittel. Nicht ganz so super war auch das Abschneiden des Renault Megane E-Tech. Auf den letzten drei Plätzen landeten der VW ID. Buzz, der MG Marvel und der Hongqi E-HS9, ein Riesen-SUV im Rolls-Royce-Look.
Dieser 5,20 Meter lange Brocken führte zudem die Verbrauchstabelle mit Abstand an. Fast 30 kW Energie verbretzelte der Hongqi auf 100 winterlichen Kilometern. Mit jeweils rund 25 kW Verbrauch landeten der VW ID. Buzz und der bei uns noch nicht angebotene Elektro-SUV Voyah Free auf dem dritt- und zweitletzten Platz. Dass es auch anders geht, bewies Tesla mit einem weiteren Spitzenplatz. Das Model Y verbrauchte mit 16,6 kWh pro 100 km am wenigsten. Es folgten der Kia Niro EV mit 17,2 kWh/100 km und der MG 4 mit 17,3 kWh/100 km.
Geringerer Einbruch als 2020
Mit einer damals schon illustren Truppe von 20 Elektroautos aus allen Segmenten hatten sich die NAF-Tester bereits 2020 ins Eis begeben (siehe Video nach dem ersten Absatz). Dort wurden die Autos so lange gefahren, bis sie keine Kilowattstunde Saft mehr in der Batterie hatten und stehen blieben. Nur so ließe sich die tatsächliche Reichweite beziffern, erklärt die NAF. Die übergeordnete Erkenntnis aus dem Prozedere: Im Schnitt sorgten eisige Temperaturen für einen Reichweiten-Einbruch von rund 18,5 Prozent gegenüber den WLTP-Angaben – was erstaunlicherweise besser war als bei den späteren Auflagen des Wintertests. Im Bild die Ergebnisse aus 2020:
Das Testrunde der Norweger setzte sich aus mehreren Abschnitten zusammen. Neben Stadtverkehr und Landstraßen waren darunter auch schneller gefahrene (110 km/h) Autobahnabschnitte und die Überquerung eines Gebirgspasses. Dem Hyundai Kona Elektro gelang hier beim Test von 2020 die größte Übereinstimmung aus Reichweiten-Angabe und Kälte-Reichweite. 449 Kilometer gab der Hersteller an (mittlerweile wurde sogar auf 484 Kilometer aufgestockt), und 405 Kilometer weit pflügte der SUV in der echten Welt durch den Schnee.