Alonso entscheidet Ocon-Sieg
Wenn Esteban Ocon ein Formel-1-Rennen in einem Alpine gewinnt, muss etwas Verrücktes passiert sein. In Budapest ging es drunter und drüber, sodass selbst Williams doppelt punktete. Lewis Hamilton rettete sich nach verpatzter Startphase auf das Podest. WM-Rivale Max Verstappen wurde abgeräumt.
Kein Mercedes, kein Red Bull, sondern ein Alpine. Esteban Ocon feierte in Budapest seinen Premierensieg. Genau an dem Ort, an dem Fernando Alonso vor 18 Jahren das gleiche Kunststück gelang. Der Spanier hatte maßgeblich Anteil am Triumph seines Teamkollegen. In unserer Rennanalyse klären wir die dringenden Fragen zum GP Ungarn.
Was passierte am Start?
Eine Startkollision stellte die Reihenfolge auf den Kopf. Aus der Spitzengruppe überlebte nur Lewis Hamilton. Esteban Ocon gewann sechs Positionen und war plötzlich Zweiter. Sebastian Vettel stürmte hinter ihm von Rang zehn auf drei. Damit war schon mal ein Steinchen für eine spätere Sensation gelegt.
Valtteri Bottas hatte nach verpatztem Start aufgrund durchdrehender Räder erst Norris rausgekickt und landete dann auch noch in Sergio Perez. Den zweiten Red Bull von Max Verstappen, der von Norris getroffen wurde, hatte er ebenfalls auf dem Gewissen. "Klar mein Fehler. Es hat mich ein wenig irritiert, dass Norris rechts an mir vorbei schoss. Da habe ich den Sinn verloren, wo genau ich auf der Strecke liege. Ich habe mich mit dem Bremspunkt verschätzt und ihn abgeräumt."
Die Rennkommissare belegten Bottas mit fünf Strafplätzen für den GP Belgien. Toto Wolff schützte seinen Fahrer und entschuldigte sich bei Red Bull. "Im Sandwich von zwei Autos hat er zu viel Abtrieb verloren. Ich kann verstehen, wenn Red Bull sauer ist." Christian Horner meinte süffisant. "Heute hat er gute Arbeit für Mercedes verrichtet. Sergio war draußen und Max fuhr den restlichen Grand Prix mit einem halben Auto."
Die zweite Kollision löste Lance Stroll aus, der in Charles Leclerc schlitterte, der wiederum in Daniel Ricciardo gedrückt wurde. "Ich bin nach innen ausgewichen, als ich das Chaos vor mir sah. Leider blockierten dabei die Vorderräder." Für ihn gibt es dieselbe Strafe: plus fünf Startplätze nach der Sommerpause in Spa-Francorchamps.
Warum wurde Vettel disqualifiziert?
Knapp fünf Stunden nach Fallen der Zielflagge war Sebastian Vettel seinen zweiten Platz los. Der Heppenheimer hatte zu wenig Restbenzin im Tank: 0,3 Liter statt dem erforderlichen einen Liter für die Probenentnahme. Das ist ein Verstoß gegen Artikel 6.6.2 des Technikreglements. Den Schiedsrichtern blieb keine andere Wahl, als den Heppenheimer zu disqualifizieren.
Aston Martin beteuerte, dass noch 1,74 Liter übrig geblieben sein müssten. Das ergaben Kalkulationen, die man über die Daten von Benzindurchfluss und der Einspritzdüsen erstellte. Doch man bekam aufgrund eines kaputten Teils einfach nicht die restlichen 1,44 Liter aus dem Tank. "Die Förderpumpe ist kaputtgegangen. Deshalb hatten wir Sebastian auch aufgefordert, in der Auslaufrunde anzuhalten. Selbst wenn 20 Liter im Tank gewesen wären, hätte es nichts genutzt", bedauerte Teamchef Otmar Szafnauer.
Vettel hatte sein Auto vor Kurve zwölf geparkt. Auch aus den Autos von Sieger Esteban Ocon und George Russell wurde Benzin abgetankt, weil beide ihre Autos nicht im Parc Fermé abstellten. Hier förderten die Pumpen die erforderliche Spritmenge. Aston Martin erwägt, in Berufung zu gehen.
Wieso holte Mercedes Hamilton nicht rein?
Beim ersten Start krachte es. Beim Neustart stand nur ein Auto in der Startaufstellung. 14 Fahrer suchten nach der Runde aus der Box direkt wieder ihre Mannschaften auf, um von Intermediates auf Slick-Mediums zu wechseln. Sie hatten festgestellt, dass die Strecke in der Pause aufgetrocknet war. Auch Lewis Hamilton funkte seinen Strategen. "Ich habe ihnen Kurve für Kurve durchgegeben, dass es trocken ist." Doch der Befehl zum Reifentausch blieb aus.
Übrigens durften die Teams ihre Fahrer anweisen, reinzukommen. "Die Runde aus der Box zählte als normale Rennrunde, weil der eigentliche Start schon erfolgt war. Das ist der Unterschied zum Vorjahr", erklärte Rennleiter Michael Masi. Sie erinnern sich wahrscheinlich. Damals hatte Haas noch vor dem Start beiden Fahrern das Okay zum Tausch von Regen- auf Trockenreifen gegeben, was in diesem Fall gegen das Regelwerk verstieß.
Die Fehlentscheidung kostete Hamilton das Rennen, weil er einen Umlauf später unter Renntempo zum Service anhalten musste. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sprach seine Strategen frei. "In diesem Augenblick war es zu 100 Prozent die richtige Entscheidung. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Strecke in nur einer Runde abtrocknet. Im Nachhinein ist man immer schlauer." Mercedes nannte auch die ungünstige Position in der Boxenstraße. Man hat dort die erste Garage aller Teams. Folglich hätte Hamilton warten müssen, während der Tross an ihm vorbeifährt.
Das Team rechnete deshalb mit dem Verlust von acht Positionen. Deswegen hielt man Hamilton lieber auf der Bahn. Auch hatte Mercedes nicht erwartet, dass das ganze Feld geschlossen abbiegt. "Für uns war es auch keine leichte Entscheidung, weil wir dadurch den zweiten Platz verlieren hätten können. Aber am Ende des Tages denkst du nicht an den schlechtesten Fall, sondern wählst die beste Strategie. Unsere Fahrer haben eindeutig klargemacht, dass es Zeit für Slicks ist", erzählte Alpines Technikchef Marcin Budkowski.
Vorn war zunächst George Russell, der rechts in der Box mehrere Autos überholte. Darunter am Ausgang Ocon. Williams, das in der Pit Lane die letzte Garage belegt, fragte bei der Rennleitung nach. Die ordnete an, dass Russell sich sofort wieder auf seine vorherige Position zurückfallen lassen muss. Sonst hätte es eine Strafe gehagelt.
Was wäre eigentlich passiert, wäre auch der Weltmeister in die Boxenstraße aufgekreuzt, und kein Auto auf der Zielgerade gewesen? Dann wäre die gewöhnliche Startprozedur mit den fünf roten Lichtern angelaufen, sobald das letzte Auto die Boxeneinfahrt passiert hätte. In dem Augenblick, wo die Lichter erloschen wären, wäre die Ampel am Boxenausgang auf Grün gesprungen. Unabhängig davon, ob noch jemand die Reifen wechselt oder nicht.
Welche Faktoren spielten Ocon in die Karten?
Esteban Ocon absolvierte ohne Zweifel ein brillantes Rennen. Der 24-jährige Schlaks leistete sich keinen Fehler unter höchstem Druck von Vettel. "Ihm haben nur ein paar Mal die Räder blockiert", stellte der Heppenheimer beim Hinterherfahren fest.
In Ungarn gerät die Motorleistung in den Hintergrund. Das spielte Alpine perse in die Karten. Um Überholen zu können, musste man mindestens 1,4 Sekunden schneller sein als der Vordermann. Der Aston Martin war schneller, aber nicht umso viel.
Die Erfolgsfaktoren waren der überstandene Start, die Fehleinschätzung von Mercedes, Nicholas Latifi als Puffer nach hinten bis zur 22. Runde, der erfolgreich abgewehrte Undercut gegen Vettel und die Schützenhilfe von Teamkollege Fernando Alonso, der Hamilton von Runde 54 bis 64 aufhielt. Wäre der Weltmeister ein paar Umläufe vorher am Spanier vorbeigekommen, wäre es für Ocon und Vettel noch ganz eng geworden. "Unsere Simulation hat gesagt, dass Lewis einfach an Fernando vorbeifliegt und das Rennen gewinnt", sagte Budkowski. "Die Realität war anders." Alonso stellte sich voll in den Dienst seines Teams und sprach selbst von einem harten Stück Arbeit.
Für den langsameren Boxenstopp gegen Rennhalbzeit war Vettel selbst verantwortlich. "Er hat zu viel gewollt. Er ist quer in die Parklücke geschossen und hat die Räder blockiert. Beim Ansetzen des Schlagschraubers ist dieser erst weggesprungen", erklärte Teamchef Szafnauer. So verlor Vettel eine Sekunde in der Box. Sonst hätte er Ocon mit dem früheren Stopp vielleicht doch ausgetrickst.
Warum bildete Sainz keinen DRS-Zug?
Carlos Sainz erbte nach der Vettel-Disqualifikation das Podest. Auf der Rennstrecke hatte er es vier Runden vor der Zielflagge an Hamilton verloren. Alpine ärgerte sich über den Spanier. "Ich habe Ferrari Nachrichten geschrieben, dass sie dasselbe wie Fernando in Silverstone machen sollen. Sainz hätte Fernando ins DRS lassen sollen. Damit hätte er sich gleichzeitig gegen Hamilton geschützt", beklagte Alpine-Einsatzleiter Alan Permane.
Der Spanier hatte dieselbe Idee, einen DRS-Zug aufzubauen, indem Überholen schwierig ist, verwarf sie aber. "Ich musste leider massiv Sprit sparen und kam zu schlecht durch den letzten Sektor. Die letzte Kurve war eine meiner Schwachstellen. Die Gefahr wäre zu groß gewesen, dass mich Fernando überholt. Deshalb habe ich den Gedanken verworfen."