Besonderer BMW iX schafft 978 km WLTP
Der zusammen mit der US-Firma ONE gebaute iX-Prototyp schaffte im WLTP-Zyklus eine Rekordreichweite. Und das Batterie-Start-up verspricht sich von der neuen, doppelten Akku-Zellchemie weitere Vorteile.
Als eines der größten Probleme von Elektroautos ist für viele Skeptiker die geringere Reichweite gegenüber Verbrennern. Aber auch der Einsatz seltener sowie unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen abgebauter Rohstoffe in deren Akkus zieht viel Kritik auf sich. Doch diese Probleme könnten bald der Vergangenheit angehören, glaubt man den Versprechungen der Firma Our Next Energy (ONE). Das im US-Bundesstaat Michigan ansässige Start-up arbeitet weiter an einer neuen kobaltfreien Batterie namens Gemini 001, die über eine doppelte Zellchemie (Dual-Chemistry) verfügt.
Bereits jetzt kann ONE eigenen Angaben zufolge auf 20 Prozent Lithium im Vergleich zu Standard-E-Auto-Batterien verzichten. Der Nickel-Anteil wurde sogar um 75 Prozent reduziert, und vom Graphit braucht die Technik nur etwa ein Drittel der Menge. ONE will auf diese Rohstoffe perspektivisch komplett verzichten. Die Batterien des Start-ups sollen nachhaltig, aber auch kostengünstig und in einer konfliktfreien Lieferkette hergestellt sein.
BMW mit finanzieller und technischer Unterstützung
BMW glaubt an das Konzept des erst 2020 vom Batteriesystem-Ingenieur und ehemaligen Apple-Manager Mujeeb Ijaz gegründeten Unternehmens. Über seine im kalifornischen Silicon Valley ansässige Risikokapital-Beteiligungsgesellschaft BMW i Ventures sind die Münchner an ONE beteiligt. Kürzlich standen sie an der Spitze einer Finanzierungsrunde, die 65 Millionen Dollar (etwa 62,3 Millionen Euro) in die Kassen von Our Next Energy gespült hat.
Der Autohersteller beteiligte sich aber auch an der technischen Entwicklung der Dual-Chemistry-Zellechnologie und am Aufbau jenes iX-Prototypen, der jetzt eine Reichweite von 608 Meilen (978 Kilometer) schaffte. "Wir planen, doppelt so viel Energie in die Batterien zu packen, sodass Elektroautos problemlos Langstreckenfahrten unter realen Bedingungen bewältigen können", sagte Mujeeb Ijaz beim Start des Versuchs. Am Ende waren es mehr als 185 Kilowattstunden, die in den Unterboden des SUV passten. Zum Vergleich: Die bislang reichweitenstärkste iX-Modellvariante xDrive50 kommt nach WLTP-Zyklus maximal 630 Kilometer weit – mit der neuen Batterie käme der Elektro-SUV also mehr als 50 Prozent weiter als aktuell. Energiedichte des gut 710 Kilogramm schweren Akkus: 450 Wh pro Liter Volumen.
Was genau heißt "doppelte Zellchemie"?
Die Dual-Chemie-Batteriearchitektur Gemini von Our Next Energy (ONE) enthält zwei verschiedene Zelltypen. Dabei handelt es sich zum einen um "klassische" LFP-Zellen (Lithium-Eisenphosphat) mit üblicher Energiedichte. Zwischen diesen LFP-Zellen verteilen sich in der Batterie deutlich leichtere Zellen mit viel höherer Energiedichte von rund 1.000 Wh/l. Die Zellchemie dieser Varianten ist noch nicht 100-prozentig geklärt. Es dürfte sich aber um eine mit Lithium-Manganoxid-Kathode und Litihum-Anode handeln.
Der simple Trick in der Ansteuerung und Überwachung der Zellen: Das LFP-Pack übernimmt die alltäglichen Aufgaben bis 240 Kilometer (150 Meilen). Damit wären laut BMW 99 Prozent der Fahrten abgedeckt. Erst auf sehr langen Strecken würden die anderen, weniger zyklen-starken Zellen übernehmen und eine zusätzliche Reichweite von etwa 750 Kilometer freigeben. Damit die Dual-Chemie-Batterie funktioniert, musste ONE zunächst einen speziellen DC-DC-Wandler entwickeln, der die beiden Batteriechemien verwaltet.
Über 1.200 Kilometer im Model S
Dass ONE flexibel aufgestellt ist, hat die US-Truppe vor einigen Monaten am Beispiel eines Tesla Model S demonstriert. Die Amerikaner verbauten eine 203,7-Kilowattstunden-Batterie in der Limousine, ohne dafür mehr Platz zu benötigen. Serienmäßig verfügt der Tesla über einen 103,9 Kilowattstunden großen Energiespeicher. Allerdings schlägt sich das auf der Waage nieder. Die Gemini 001 wiegt 331 Kilogramm mehr als die Batterie des aktuellen Model S.
Ende Dezember 2021 absolvierte der Prototyp einen Test in Michigan. Ohne Aufladen schaffte der Tesla eine Distanz von 752 Meilen bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 55 Meilen pro Stunde. Umgerechnet entspricht das einer zurücklegten Strecke von etwa 1.210 Kilometern und einem durchschnittlichen Tempo von rund 89 km/h. Die Amerikaner aus der Autostadt Detroit testeten den Prototyp bei kühlen Temperaturen. Daraus resultiert bei E-Autos eine geringere Reichweite. Auf einem Prüfstandtest kurz darauf schaffte der neu bestückte Tesla bei durchschnittlich ebenfalls 55 mph sogar eine Distanz von 882 Meilen ohne Ladung. Das entspricht ungefähr 1.419 Kilometern.
Serienfertigung ab 2024?
Aktuell leiden laut Ijaz auch die Fahrzeuge mit der größten Reichweite unter einschränkenden Faktoren. Dazu zählen unter anderem hohe Geschwindigkeiten, extremes Wetter, bergiges Gelände oder das Ziehen von Anhängern. Das kann im Vergleich zur Nennreichweite zu einem Verlust von bis zu 35 Prozent führen. Die Gemini 001 könnte diese Reichweitenängste beruhigen. Ob die Technik jetzt wirklich schon in die Produktion gehen kann, ist noch offen.