Audi A2 1.4 Test
Er ist klein, aber fein: Mit dem Audi A2 ist ein Auto entstanden, das nicht nur ungewöhnlich hoch baut, sondern auch ungewöhnlich hoch bezahlt werden muss. Ob der Preis gerechtfertigt ist, zeigt der Vergleich mit Mercedes A 140 und VW Golf.
Der Jugendkult liegt so im Trend, dass auch die Alten unbedingt dabei sein wollen. Wer sich früher unter 50- bis 60-Jährigen wohl fühlte, sucht heute Kontakt zu Menschen, die John F. Kennedy, den Bau der Berliner Mauer oder die erste Mondlandung zumindest bewusst noch nicht miterlebt haben.
Nähe zu dieser Altersgruppe diesseits der 40 wünschen sich zumindest die arrivierten Autohersteller. Nach Mercedes nimmt nun auch Audi jene Klientel ins Visier, deren Durchschnittsalter weit unter dem der etablierten Kundschaft liegt und die wegen ihrer finanziellen Verhältnisse bislang nur davon träumen konnte, Vorsprung durch Technik zu erleben.
Der neue Audi A2, ein 3,83 Meter langes Auto in Aluminiumbauweise, soll vorzugsweise Menschen um die 40 ansprechen, 30 Prozent der verkauften Fahrzeuge wechseln nach Marketingschätzungen sogar in Frauenhand.
Doch wer sich einmal mit den Durchschnittsgehältern des weiblichen Geschlechts beschäftigt hat, der ahnt, dass dieses Ziel schwer zu erreichen ist. Schließlich wird der Audi A2 zu echten Apothekerpreisen gehandelt. Allein der Grundpreis beläuft sich auf 31.978 DM, zusammengerechnet mit einigen sinnvollen Extras dürfte weder Mann noch Frau mit weniger als 38.000 DM Anschaffungskosten davonkommen.
Ein Schicksal, das der A2 mit der Mercedes A-Klasse teilt, die auf dem gleichen hohen Preisniveau rangiert und die deshalb – entgegen ursprünglichen Planungen – von einer Kundschaft bevorzugt wird, die zum erheblichen Teil sogar schon beim Wiederaufbau im Nachkriegsdeutschland mitgeholfen haben dürfte.
Neue Käuferkreise erfordern nicht unbedingt neue Fahrzeugkonzepte, das beweist der Bestseller VW Golf. Der Allrounder aus der Kompaktklasse wird weder aus Aluminium gefertigt, noch verfügt er über einen Unterflurmotor oder ein ungewöhnlich hohes Maß an Variabilität. Sein Vorteil: Er ist erschwinglicher als A2 und A-Klasse, auch wenn er nicht zu den preisgünstigsten Autos in diesem Segment zählt.
Ab 27.700 DM (75-PS-Zweitürer) ist es möglich, mit dem Auto unterwegs zu sein, das seit Jahren in allen Alters- und Gesellschaftsklassen zu Hause ist.
Warum? Weil das Package stimmt. Das Design ist gefällig, das Platzangebot im Innenraum bis auf die etwas eingeschränkte Beinfreiheit im Fond gut, und die Anmutung nicht zuletzt angesichts der hochwertigen Materialien überzeugend. Und was bietet die Konkurrenz? Der A2 rollt in so auffälliger Bauhaus-Optik daher, dass sogar ein Linienbusfahrer auf der Schwäbischen Alb in die Bremse tritt und mitten auf der Straße hält: „Ist das der neue A2?“ Ja, das ist er. Aber der Mann fährt nach kurzer Unterbrechung kopfschüttelnd weiter: „Innen ist mein Bus hübscher gemacht.“
Mag sein. Das nüchterne Interieur des A2 versprüht wohl eher den kühlen Charme eines Bürosaals den eines modischen Jugendzimmers: funktionell, aber langweilig.
Am Raumangebot ist dafür wenig auszusetzen. Auf3,83 Meter Länge ist ein veritabler Viersitzer entstanden, wegen der beachtlichen Höhe (1,55 Meter) mit viel Kopffreiheit und – dank des im Fondabgesenkten Bodens – üppiger Fußfreiheit hinten ausgestattet.
Die A-Klasse kann da nicht ganz mithalten, weil sie innen kleinwagenhaft wirkt und trotz zahlreicher Verbesserungsmaßnahmen immer noch nicht das Qualitätsniveau dieser Klasse erreicht hat. Das Platzangebot ist speziell im Fond nicht überzeugend. Langgewachsene Passagiere beschleicht sogar das Gefühl, mit ihren Beinen die Ohren in die Zange nehmen zu müssen.
Dieses Manko hat viel mit den unbefriedigenden Sitzen zu tun. Es fehlt nicht nur an Konturierung, sondern vor allem an Sitztiefe. Vorne sind die Polster insgesamt zu klein geraten.
Die A2-Sitze sind besser, wenngleich es auch ihnen an Seitenhalt fehlt. Dafür gibt es weder an der Dimensionierung noch an der Position etwas zu mäkeln. Während man in der A-Klasse das Gefühl hat, auf einem Kutschbock hocken zu müssen, fühlt man sich auf dem hier nur leicht erhöhten Sitz wohler.
Der Golf hingegen bietet nicht nur die bequemsten Polster, sondern auch insgesamt betrachtet den besten Komfort. Er absorbiert lange und kurze Bodenwellen ohne Probleme.
Mit ihren kürzeren Radständen haben hier die Konkurrenten von Mercedes und Audi klar das Nachsehen. Die A-Klasse allerdings, seit Markteinführung gescholten für die extreme Stuckerneigung, hat in diesem Kapitel deutlich gewonnen. Der Komfortspeziell auf kurzen Bodenwellen ist zwar immer noch nicht gut, aber ganz so rüde Stöße wie am Anfang teilt der Baby-Benz nicht mehr aus.
Das Fahrwerk des A2 kommt mit Fahrbahn-Unebenheit besser zurecht als das des Mercedes, aber überzeugen kann es trotzdem nicht. Besonders lange Bodenwellen versetzen den Aufbau in unangenehme Schwingungen. Unter Ausnutzung der vollen Zuladung wird das Alu-Auto im Gegensatz zum Mercedes jedoch etwas komfortabler.
Kaum zu verbessern gibt es bei den beiden Kurzwagen etwas an der Variabilität. Die ist im einen wie im anderen Fall Spitze. Die hinteren Rücksitze lassen sich nicht nur getrennt umlegen, sondern auch ausbauen, und die an sich schon großzügig dimensionierten Kofferräume (jeweils 390 Liter) wachsen dann auf ein umzugs-taugliches Format. Der Golf nimmt sich mit seinen 330 Litern und dem konventionellen Umklapp-Mechanismus dagegen bescheidener aus.
Auch im Vergleich der Fahrleistungen gegenüber dem Audi A2, obwohl in beiden Fällen der 75 PS starke 1,4-Liter-Konzernmotoreingesetzt wird. Das um 130 Kilogramm niedrigere Gewicht und die strömungsgünstige Karosserie tragen dazu bei, dass der A2 in Beschleunigung und Elastizität fast zwei Sekunden schneller ist als der Golf und dabei über einen Liter Benzin weniger verbraucht.
Der Nachteil der Alu-Karosse im Antriebskapitel: Die Brummfrequenzen des Vierzylinders dringen viel deutlich in den Innenraumals beim besser gedämpften Golf.
Die A-Klasse, nominell Stärkster in diesem Vergleich, hinkt ebenfalls hinter dem A2 her, speziell in der Zwischenbeschleunigung im fünften Gang. Die viel zu lange Übersetzung sorgt dafür, dass sich der kleine Mercedes am Berg als zäher Kandidat erweist. Hierhilft nur frühes Zurückschalten.
Die Gänge zu wechseln ist bei A2 und A-Klasse kein Problem. Im Gegensatz zum Golf, der zu diesem Vergleichstest mit hakeliger Fünfgang-Schaltung antrat und damit einmal mehr belegt, dass hier eine erhebliche Serienstreuung vorhanden ist. In den vorangegangenen Tests gab es schließlich immer mal wieder Probanden mitbutterweicher Schaltung. Auch die Bremsbeläge unterliegen im Hause VW einer Streuung (siehe auch Seite 48).
Der zu diesem Test mit der Basisbereifung der Dimension 175/80 R 14 ausgerüstete Golf überraschte allerdings im positiven Sinne mit einer hervorragenden Kaltverzögerung und guter Standfestigkeit.
Zugunsten des Fahrverhaltens sind beim Golf die noch bis Herbst aufpreispflichtigen 15-Zoll-195er-Reifen (danach Serie)trotzdem auf jeden Fall zu empfehlen. In Verbindung mit der Basisausrüstung neigt der VW nämlich deutlich stärker zum Untersteuern und wirkt dadurch unhandlich.
Im Kapitel Fahreigenschaften muss der Golf so auch dem A2, dessen Bremsen auf gutem Niveau rangieren, den Vortritt lassen. Die Dynamik, mit welcher der Audi um die Ecken fegt, ist verblüffend, besonders, weil man von hoch bauenden Autos ein behäbiges Fahrverhalten gewohnt ist. Doch keine Spur davon beim Audi: Auf kurvenreichen Strecken erweist er sich als so agil und handlich wie kein anderes Auto in dieser Klasse.
Auf provozierte Lastwechel in Kurven reagiert er mit leichtem, jedoch unproblematischem Heckschwenk, den das serienmäßige elektronische Stabilitätsprogramm sanft korrigiert.
So weiche Eingriffe wünscht man sich bei der von massiven Traktionsproblemen geplagten A-Klasse vergeblich. Der Bremseneingriff erfolgt hier immer noch abrupt und nimmt dem Auto viel Dynamik. Auch der unruhige Geradeauslauf und die nervöse Lenkung führen zu Punktabzügen.
Die A-Klasse mit den vergleichsweise schwachen Bremsen, der immer noch nicht zufriedenstellenden Federung und dem torkeligen Fahrverhalten kann so in diesem Vergleichstest nicht ein Kapitel gewinnen.
Im Gegensatz zum Golf, der hier die Nase vorn hat. Die generellen Vorzüge liegen in dem guten Raumangebot, dem hohen Federungskomfort und dem günstigeren Anschaffungspreis, der allerdings nicht dar-überhinwegtäuschen soll, dass die Serienausstattung des Golf zu wünschen übriglässt. Viele Extras können nur in teuren Paketen geordert werden.
Und der A2? Er schlägt den Golf immerhin bei Fahreigenschaften, Umwelt und Antrieb. Nicht schlecht für den Anfang, aber noch nicht gut genug für ein Auto, mit dem Audi ganz hoch hinaus will.