BMW 540i, BMW M5, Alpina B10 V8
Drei der schnellsten BMW Fünfer-Limousinen im Vergleich: Die Basis bildet der BMW 540i, mit Sechsganggetriebe für aktive Fahrer ausgerüstet. Ihm begegnen der BMW Alpina B10 mit 4,6 Liter-V8 und der neue BMW M5, der einen fünf Liter großen Achtzylindermotor.
Ein Mangel an Verwöhnaroma ist das letzte, was man einem BMW 540i vorwerfen könnte. So wie er serienmäßig vom Band rollt, bietet er praktisch alles, was dem anspruchsvollen Automobilisten Freude macht: einen seidenweich laufenden Achtzylinder, Leistung im Überfluß, erstklassige Fahreigenschaften – das Ganze noch garniert mit dem geschmeidigen Fahrkomfort einer gediegenen Reiselimousine.
98 200 Mark kostet das, wenn sich der Kunde mit der wahrhaftig nicht ärmlichen Serien- Ausstattung zufriedengibt. Besserverdienende werden sich da noch nicht im finanziellen Grenzbereich wiederfinden. Für sie vermag Burkard Bovensiepen, Chef der Firma Alpina, zu sorgen. Er baut, so schreibt er im Begleitwort zur Betriebsanleitung seines B10 V8, „Automobile für einen sehr kleinen Kreis von Menschen, die die Begeisterung und natürlich auch die finanziellen Möglichkeiten haben, mit uns zusammen den neuesten Stand der Technik des Automobilbaus zu nutzen“.
Neuester Stand heißt in diesem Fall: 4,6 Liter Hubraum statt der serienmäßigen 4,4 Liter, 61 Pferdestärken mehr als beim 540i von der Stange. Die Wahl zwischen Sechsganggetriebe und Fünfgangautomatik, die der 540i-Käufer hat, bleibt dem Alpina-Gourmet erspart. Der B10 besitzt grundsätzlich eine Fünfgangautomatik, ergänzt durch die Möglichkeit, die Gänge mit Tasten im Lenkrad zu schalten (Switchtronic). Preis: 123 900 Mark. Immer noch Leistungshunger? Dann kann die M GmbH von BMW dienen. M5 heißt die jüngste Zauberformel für jene, die sich für 140 000 Mark die ultimative Sportlimousine in die Garage stellen wollen. M5 steht für einen fünf Liter großen Achtzylinder, ausgerüstet mit acht Einzeldrosselklappen, der bei 6600 Touren die runde Zahl von 400 PS entwickelt. Schneller als der 540i darf der M5 damit allerdings nicht fahren.
Das 250 km/h-Limit, das sich BMW freiwillig gesetzt hat, gilt auch für die Produkte der M GmbH. Alpina, als eigenständiger Hersteller beim Kraftfahrtbundesamt eingetragen, muß sich darum nicht scheren: Der B10 verzichtet auf elektronische Zügel und erreicht bei Bedarf 279 km/h. Schon die Fahrleistungen des 540i sind über jeden Zweifel erhaben. Sein Beschleunigungsvermögen macht Überholmanöver zum Vergnügen, auf freier Autobahn genügt ein kurzer Anlauf, um an den Tempobegrenzer zu kommen, der völlig ruckfrei einsetzt. Der BMW wird einfach nicht mehr schneller – das ist alles, was der Fahrer davon merkt. Gerade im oberen Geschwindigkeitsbereich jedoch zeigt sich die Überlegenheit der beiden stärkeren Modelle.
Hier schaffen sie Abstand zum 540i – zumindest kurzfristig, bis die Verkehrssituatiuon wieder eine gemäßigtere Gangart erfordert. Dem Serienmodell mit einem Alpina oder einem M5 davonfahren zu können, bleibt schon deshalb Illusion. Aber deren mächtiger Leistungsüberschuß liefert einen beträchtlichen Teil jenes Fahrvergnügens, für das der Käufer so tief in die Tasche zu greifen bereit ist. Die Meßwerte zeigen, daß sich der Alpina-BMW besonders eindrucksvoll in Szene setzt. Aus dem Stand benötigt er nur 0,2 Sekunden länger als der nochmals viel stärkere M5, um die 100 km/h-Marke zu erreichen. Und bis 200 km/h nimmt ihm der 400 PS-Bolide gerade mal zwei Sekunden ab. Damit wird klar, welch hoher technischer Aufwand notwendig ist, um in Bereichen, die normalerweise Supersportwagen vorbehalten bleiben, noch einige winzige Zeiteinheiten wegzufeilen. Zumal der M5-Fahrer, will er die von auto motor und sport ermittelten Meßwerte nachvollziehen, sehr gekonnt mit der Kupplung und dem Sechsganggetriebe umgehen muß. Im Alpina mit seiner sehr gut abgestimmten Automatik genügt ein einfacher Druck auf das Gaspedal. Die reinen Fahrleistungen können es also nicht sein, die den speziellen Reiz des M5 ausmachen.
Es ist das M, das in diesem Fall auch gut für Macho stehen könnte. Der M5 entfernt sich vom Understatement-Charakter, der die Hochleistung im 540i und auch im Alpina B10 so unauffällig zutage treten läßt. Er ist ein Bündel brutaler Kraft, was er auch nach außen mit seiner auffälligen Vierrohr- Auspuffanlage deutlich macht. Sein Achtzylinder hat nicht den gepflegten Jargon, der die selbst bei höchsten Drehzahlen extrem kultivierten Maschinen der beiden anderen auszeichnet. Er ist zwar weit entfernt davon, unangenehm laut zu werden, aber er untermalt seine Arbeit beim Öffnen der acht Drosselklappen mit einem zornigen Hämmern, einem tiefen Grollen, das an einen startenden Jet erinnert. Die Botschaft ist eindeutig: Hier spricht der Boß, das stärkste Triebwerk, das derzeit in einem Auto deutscher Produktion zu finden ist. Das aufwendige Ansaugsystem läßt ihn aggressiver auf Bewegungen des Gaspedal. reagieren als die zivileren Motoren von 540i und Alpina B10.
Auf Wunsch kann der Fahrer den Biß noch steigern: Ein kleiner Schalter auf der Mittelkonsole, mit „Sport“ gekennzeichnet, sorgt für ein schnelleres und progressiveres Öffnen der Drosseln. Dann schnappt der V8 schon bei geringstem Druck aufs Gas so giftig zu wie eine angriffslustige Kobra. Einen Einfluß auf die Leistung hat der Schalter natürlich nicht, aber rein subjektiv ver- mittelt der unmittelbare Kick beim Beschleunigen den Eindruck, als würden durch ihn zusätzliche Pferdestärken frei. Leider bleibt dieses Vergnügen nicht ganz ungetrübt. Der Sportmodus verstärkt die Neigung des V8, im Teillastbereich zu ruckeln. Sie tritt auch bei der regulären Drosselklappensteuerung in Erscheinung, läßt sich nur bei sehr bewußtem Umgang mit dem Gaspedal vermeiden und sorgt damit für eine empfindliche Beeinträchtigung des Antriebskomforts.
Auch das Sechsganggetriebe, das sich im Gegensatz zu dem des 540i etwas störrisch schaltet, trägt dazu bei, daß die Antriebseinheit des M5 ruppiger wirkt als die seiner Konkurrenten. Er ist der kraftstrotzende Naturbursche im Holzfällerhemd. 540i und Alpina verkörpern eher den Typus des Power- Managers in Nadelstreifen. Dazu passen auch die Eigenschaften der Fahrwerke. Der 540i überzeugt durch sanfte Federung, sein Handling gehört zur Spitzenklasse. Das Fahrverhalten bietet, nicht zuletzt dank der dynamischen Stabilitätskontrolle DSC, ein sehr hohes Maß an aktiver Fahrsicherheit. Hier wurde ein nahezu perfekter Kompromiß aus Komfort und Sportlichkeit erreicht.
Der Alpina tendiert mehr in die sportliche Richtung. Mit seiner üppigen Bereifung erreicht er höhere Kurvengeschwindigkeiten, und er vermittelt ein noch präziseres Lenkgefühl. Im Grenzbereich benimmt er sich ähnlich lammfromm wie die Serienausführung. Dafür müssen kleine Zugeständnisse an den Komfort ge- macht werden. Querfugen und kleine Unebenheiten schluckt seine Federung nicht ganz so geschmeidig wie die des 540i. Der Unterschied ist jedoch nicht groß, was für die vorzüglichen Basisqualitäten des Fünfer- Fahrwerks spricht, dem extreme Niederquerschnittreifen und härtere Abstimmung von Federn und Dämpfern kaum etwas anhaben können. Davon profitiert auch der M5, der das Bild aber nochmals weiter in Richtung Fahrdynamik verschiebt. Für eine Hochleistungslimousine bietet er einen immer noch guten Federungskomfort.
Aber speziell bei langsamer Fahrt läßt seine Federung doch kräftige Stöße durchkommen. Auf der Habenseite stehen Bremsen, deren Verzögerungspotential auch beim Bremsen aus sehr hohen Geschwindigkeiten klar die Maßstäbe setzt. Die beiden anderen benötigen einen etwas längeren Bremsweg, verkraften extreme Beanspruchung aber ebenfalls ohne ein deutliches Nachlassen der Wirkung. Der M5, dessen Bereifung noch eine Nummer breiter ist als die des Alpina, erzielt bei den dynamischen Fahrtests die höchsten Geschwindigkeiten (siehe Vergleichstabelle), weist aber dafür einen schmaleren Kurvengrenzbereich auf. Wenn es ihm zuviel wird, bricht er heftiger aus und gibt dem elektronischen Stabilitätsmanagement damit mehr zu tun: Der Bremseingriff, der einsetzendes Unter- oder Übersteuern pariert, erfolgt bei ihm spürbar härter.
Auf einer gemeinsamen Basis stehen damit drei erstklassige Autos, die ganz ähnlich aussehen, aber jeweils einen höchst individuellen Charakter bieten. Schon der 540i genügt höchsten Ansprüchen. Der Alpina B10 ist seine konsequente Fortsetzung mit allen Mitteln der Freude am Fahren. Nur der M5, der spielt in einer anderen Liga: Er ist ein reinrassiger Sportwagen, der sich mit dem Kleid einer viertürigen Limousine tarnt.