BMW i8 und Porsche 911 Carrera S im Vergleich
BMW steckt einen 362 PS starken Hybrid-Antrieb in einen leichten Carbon-Kunststoff-Aluminium-Flachmann und ruft damit ein neues Sportwagenzeitalter aus. Mal sehen, ob das wirklich den Schatten des ewig Gestrigen auf den Klassiker Porsche 911 Carrera S wirft, der ja nun weder für Trägheit noch für Trunksucht bekannt ist.
Revolutionär, visionär, inspirierend, und – natürlich – nachhaltig sei er, der i8, und ein echter Sportwagen obendrein. Kleiner hat es BMW nicht? Dann soll sich der Einstieg zu diesem Vergleichstest für den i8 als würdig erweisen. Auftritt Immanuel Kant: "Sparsamkeit in allen Dingen ist die vernünftige Handlung eines rechtdenkenden Menschen", sagt der große Aufklärer. Tatsächlich gibt sich der BMW i8 äußerst sparsam, beim Verbrauch beispielsweise (im ams-Pendlerprofil mit vielen elektrischen Ladungen sind es 2,6 l/100 km plus 11,9 kWh) oder aber beim Gewicht (1.536 Kilogramm trotz schwerer Hybrid-Technik). "Des kant scho sei", würde ein Bayer entgegnen, "aber was bitte ist an einem Sportwagen vernünftig?" Gute Frage.
Noch bessere Frage: Ist der BMW i8 überhaupt ein Sportwagen? Der Hersteller behauptet das zwar gerne, schränkt aber ein, dass der Zwei-plus-zwei-Sitzer nicht für die Rennstrecke gedacht ist. Macht nichts, denn auf öffentlichen Straßen lässt sich diese Frage ebenso gut beantworten – dort, wo auch ein Porsche 911 Carrera S seinem Fahrer Freude bereitet, große Freude sogar. Allerdings lassen sich rund 120.000 Euro inzwischen nirgends besser verstecken als in einem Elfer, selbst wenn er in Indischrot strahlt. Wenn dann noch der i8 neben ihm leise surrend ausrollt, seine Schmetterlingstüren hochschwingen und dabei ihre Carbon-Struktur preisgeben, interessiert sich keiner mehr für den Porsche. Das kann ja ganz angenehm sein, denn so kommt man leichter zum Fahren. Also schnell den diesseits von Rennschalen perfekten, aber sündteuren Sportsitz passend einstellen und kurz am Zündschlüssel-Dingsbums drehen – schon röchelt der Sechszylinder-Boxer im Heck.
Im BMW i8 röchelt nichts
Im BMW i8 dagegen muss nichts gedreht werden, und es röchelt auch nichts. Ein Knopfdruck reicht, und mit einem künstlichen Zoom-Geräusch signalisiert der Antrieb Bereitschaft. Der Elfer trödelt schon mal los, rollt ebenso wie der BMW auf 20-Zoll-Rädern, was die Hoffnung auf einen ordentlichen Abrollkomfort dämpft. Nach Sportwagen-Maßstäben beurteilt, schlägt sich der mit Optionen wie Adaptivdämpfern und Wankausgleich aufgerüstete Testwagen sehr ehrenhaft, federt Kanaldeckel und tückische Asphaltwellen ordentlich weg, bleibt aber stets ein bisschen hölzern. Derweil bieten drinnen jede Menge Tasten beste Ablenkungsmöglichkeiten vom Straßenverkehr, da hilft auch die eindeutige Kennzeichnung nichts – es sind schlicht zu viele. Das Navigationssystem übrigens wirkt ohne Echtzeit-Staudienst, aber mit grobschlächtiger Kartendarstellung von gestern – zum Aufpreis von heute, versteht sich.
Und im BMW? Dort hilft das ausgereifte iDrive beim Flippern durch die Menüs, was perfekt auf dem Monitor angezeigt wird. Zudem spiegelt ein Head-up-Display wesentliche Informationen in die riesige, flache Windschutzscheibe, durch die Sonnenstrahlen auf den Bauch scheinen und den Innenraum ziemlich aufheizen. "Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu werden, sondern um unsere Pflicht zu erfüllen", ruft der imaginäre Kant vom Beifahrersitz.
Soll er doch, das ist seine Meinung, denn trotz der Wärme nimmt die i8-Welt den Fahrer schnell gefangen, lässt ihn die Steife des Chassis aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff spüren, die Mühelosigkeit des Antriebs erahnen und von den Verlockungen der neuen Autowelt kosten – etwa per iDrive-Klick ein gutes Restaurant für den Abend auswählen. Auch der BMW federt straff, aber ohne rohe Härte durch den Stadtverkehr, an seiner Doppelquerlenker-Vorderachse sowie an der Fünflenker-Hinterachse arbeiten serienmäßig adaptive Dämpfer. Durch die schmalere Bereifung zeigt er sich weniger empfindlich für Spurrillen als der Elfer, den er übrigens beim Ampelsprint nicht wirklich abhängen kann.
Beeindruckende Fahrleistungen
Trotz des 96 kW starken Elektromotors mit Hybrid-Synchron-Technik im BMW i8 und dessen Instant-Drehmoment von 250 Newtonmetern kommt der 1,5 Tonnen schwere Porsche ähnlich flott aus den Puschen, kann sich allerdings bei der Beschleunigungsmessung nicht entscheidend absetzen. Kleinkram, stimmt, jedenfalls manifestieren beide mit diesen Fahrleistungen ihren Anspruch als Sportwagen – aus zwei völlig unterschiedlichen Welten. Im Elfer feiert die Tradition des Saugmotors ein Volksfest, und zwar ein ganz großes.
Der mit 12,5:1 verdichtete Kurzhuber gibt seinen letzten Tropfen Öl für jeden Gasstoß, setzt ihn sofort um, lässt blitzschnell die Nadel des Drehzahlmessers hochschnellen. Sein ungehaltenes, kehliges Grollen schwillt dabei bedrohlich an, ändert ab rund 4.000/min die Frequenz, legt noch eine Schippe Dramatik nach, bis jenseits der 6.800 Umdrehungen das 3,8-Liter-Triebwerk aus den Tiefen seines Kurbelgehäuses schreit, als habe ihm Kurt Cobain in der Hölle Gesangsunterricht erteilt – was für ein Erlebnis, immer wieder, und immer wieder gerne. Zu wild? Bitte, der Direkteinspritzer bummelt ebenso gerne bei niedrigen Touren im siebten Gang des Doppelkupplungsgetriebes umher.
Der Nachteil des langen Siebten: häufige Schaltvorgänge an Steigungen und beim Überholen. Der Vorteil: gerade einmal 7,9 l/100 km auf der Verbrauchsrunde, 12,3 l im Testdurchschnitt. Klar, hier knausert sich der BMW i8 natürlich einen Wolf, nutzt das Potenzial seines Antriebs voll aus, suggeriert zudem, aufgrund seiner Lautlosigkeit flinker durch den Wind zu schlüpfen – bis sich der Dreizylinder-Turbomotor zuschaltet. Aus dem langhubig ausgelegten 1,5-Liter-Aggregat presst BMW 231 PS sowie ein maximales Drehmoment von 320 Newtonmetern, das bei 3.700/min anliegt. Und darunter? Kaschiert eine 15 kW starke E-Maschine (Starter-Generator) geschickt die Anfahrschwäche.
Klanglich jedenfalls kaschiert der Mittelmotor gar nichts, denn dank einiger akustischer Tricks knurrt er böse beim Ausdrehen. Wobei: Drehen ist nicht so seins, denn wenn es um 6.000 Umdrehungen beim Dreizylinder schon recht zäh wird, berserkert der Boxer im Elfer noch bis 7.800/min weiter – zwei völlig unterschiedliche Charaktere eben. So rauscht der BMW i8 lässig mit hohem Tempo über die Autobahn, spricht dabei auf längere Bodenwellen minimal sensibler an und wirkt etwas ruhiger als der leicht tänzelnde Porsche.
Doch Schluss jetzt mit den ewigen Geraden und lang gezogenen Kurven, schließlich liegt der Reiz des Sportwagens im Erschnüffeln der besten Linie auf winkligen Landstraßen. Hier zeigt der BMW i8 unbedingten Willen, lenkt sehr agil ein, beginnt dann jedoch überraschend früh zu untersteuern. Davon lässt er sich auch nicht abbringen, sei es durch Lastwechsel oder progressives Gasgeben. Schade, denn in jeder Kurvenkombination lässt das sehr steife Chassis durchblicken, was es aushalten könnte.
Hybrid-Feuerwerk im BMW i8
Und Leistung? Aber, aber, das 362-PS-Hybrid-Feuerwerk reicht nun wirklich aus. Die Sechsstufen-Automatik funktioniert in diesem Umfeld ebenfalls ordentlich, wechselt die Gänge schnell und veranlasst beim Herunterschalten herrliche Zwischengassalven – zumindest im Sportmodus. Vielmehr begrenzen die 215 Millimeter breiten Vorderreifen (Serie: 195 mm) sowie die etwas zu starke Antriebsmomentverteilung auf die Vorderachse (dort sitzt der E-Motor) das fahrdynamische Talent.
Auf der Teststrecke erreicht der BMW i8 weder in der Wedelgasse noch beim Slalom auch nur annähernd das Geschwindigkeitsniveau des Carrera S. Denn der Porsche wuselt mit markentypischer Präzision durch jedewede Biegung, beißt sich unerschütterlich in der vorgegebenen Linie fest. Natürlich reichen McPherson-Konstruktion vorne und Mehrlenker-Hinterachse allein dafür nicht aus. Hinzu kommen unter anderem noch aktive Motorlager sowie der bereits erwähnte Wankausgleich, die es dem Elfer-Piloten ermöglichen, mit kontinuierlichem Lenkwinkel durch Kurven zu feuern und die Nuancen mit dem Gaspedal zu justieren. Und selbst wenn der Lenkwinkel nicht passt, erlaubt der Porsche höchst sensible Korrekturen, ohne dabei zickig zu werden.
Dabei offenbart sich eine weitere Schwäche des BMW i8: Seine elektromechanische Lenkung arbeitet zwar mit akzeptablen Haltekräften, jedoch verhältnismäßig spärlicher Rückmeldung. Dafür spricht die Bremse giftig an, da zunächst der E-Motor diesen Job übernimmt, bevor die Hydraulik eingreift. In der Praxis fällt es somit schwer, Kurven exakt anzubremsen.
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Und ja, das alles fühlt man bereits bei Landstraßentempo. Hier zieht der Porsche dem BMW i8 das Kohlefaser-Fell über die Ohren, lässt ihm nicht den Hauch einer Chance. Einfach, weil er in sich stimmig wirkt. Einfach, weil er ein unerschütterlich neutrales Eigenlenkverhalten bietet, das sich auf Wunsch in Richtung Übersteuern verschieben lässt. Keine heikle Heckmotor-Schleuder also? Nein, zumindest nicht in Geschwindigkeitsbereichen, die nicht unmittelbar den sofortigen Führerscheinentzug bedingen.
So zeigt der Klassiker also dem Neuling seine vier Endrohre. Dabei könnte der BMW i8 sicher locker mithalten, ein paar wenige Modifikationen (angepasste Vorderachsgeometrie inklusive breiterer Reifen sowie eine überarbeitete Momentenverteilung) dürften genügen, ohne dass es sich allzu negativ auf den Verbrauch auswirkte. Bezüglich der Effizienz darf ihn BMW wirklich als revolutionär, visionär, auch als inspirierend bejubeln. Aber als Sportwagen? Wirklich nicht. Schon eher als faszinierenden, sportlichen Hybriden. Aber angeblich feilen sie in München ja schon an einer fahrdynamischen Optimierung des i8. Was sagen Sie, Herr Kant? Es ist nichts beständig als die Unbeständigkeit? Ja, da haben Sie wohl recht.