Ford F-150 2.7 Ecoboost im Fahrbericht
Was den Deutschen der Golf, ist den Amerikanern der Ford F-150. Seit Jahrzehnten ist der mächtige Pick Up das meistverkaufte Auto in den USA. Wie fährt die Neuauflage der US-Ikone?
Die Amerikaner lieben den Ford F-150. Zumindest führt er seit 38 Jahren mit mächtigem Abstand die alljährliche Zulassungsstatistik an und räumte direkt zum Jahresstart wieder einmal den Titel "Truck of the Year" ab. Pick Ups, die in Nordamerika nur Trucks heißen, sind viel mehr als eine alltagstaugliche Symbiose aus Pkw und Lastwagen mit Wild-West-Charme. Es ist eine Art Lebensgefühl; frei sein, kann man in den USA nur am Steuer eines Trucks. Die Becherhalter, kühlend oder wärmend, gingen in Europa als Regentonnen durch und viele fahren mit ihrem Pick Up auf der Ladefläche den halben Hausstand inklusive Freizeitgestaltung spazieren. Zelte, Fahr- und Motorräder, Angeln oder den Wochenendgrill – hinter der Fahrerkabine findet auf der Ladefläche alles seinen rechten Platz. Das hat sich in all den Bestseller-Jahren kaum geändert. Doch die Klasse der Full Size Trucks, in der der Ford F-150 seit Jahren die Konkurrenz von Chevrolet Silverado, Dodge RAM und mittlerweile auch Nissan Titan und Toyota Tundra in Schach hält, hat längst den Sprung von Farmen und Baustellen in die Metropolen und Vorstädte geschafft.
Ford F-150 mit Alukarosse zu neuer Leichtigkeit
Insbesondere der neue Ford F-150 schlägt erweitert das Spektrum der Pick-Up-Historie. Denn was die meisten europäischen Premiumhersteller gerade mal bei Nobelkarossen für angemessen halten, setzte Ford bei seinem Massenprodukt F-150 mit dem jüngsten Generationswechsel erstmals um: Die Karosserie ist aus Aluminium, um bei mehr Steifigkeit Gewicht zu sparen. Zwar wird das Zwei-Tonnen-Baby damit nicht zum Fliegengewicht. Aber im Vergleich zum Vorgänger hat es um mehr als 300 Kilogramm abgespeckt. Blöd, dass ausgerechnet jetzt der Sprit in den USA nur noch etwa 50 Cent kostet.
Doch die Diät spürt der Fahrer auch am Steuer des gewaltigen Volants bereits nach ein paar Kilometern. Lenkung und Bremsen sind deutlich besser als beim Vorägnger. Der neue F-150 bietet außerdem trotz weiterhin rustikaler Hinterachskonstruktion deutlich mehr Komfort als bisher - was nichts daran ändert, dass man mit einer opulent beladenen Europalette auf der Ladefläche am besten unterwegs ist. Denn ordentlich Zuladung nimmt Rumpeleien der Hinterachse auf schlechter Fahrbahn den Schrecken.
Innen gibt es je nach Ausführung zudem alle nur erdenklichen Annehmlichkeiten. Die Sitze sind üppig dimensioniert, bequem und neben den elektrischen Verstellmöglichkeiten auf Wunsch klimatisierbar. Die Topversionen haben unter anderem animierte Instrumente, LED-Scheinwerfer, ausfahrbare Trittstufen und einen großen Touchscreen, mit dem sich der Anhänger perfekt ankoppeln lässt. Auf dem Bildschirm lässt sich auch verfolgen, wie sich die Ladeklappe erstmals elektrisch öffnet und wieder schließt.
Immer kleinere V6 statt immer gleiche V8
Hightech gibt es längst auch beim Antrieb. Vorbei sind die Zeiten, in denen allein gewaltige Graugußvielzylinder mit mächtigen Hubräumen im Vorderwagen der Trucks brüllten. Dem einstigen Volumenantrieb mit fünf Liter großem V8-Motor kommt nur noch eine Nebenrolle zu. Entschieden sich bereits beim Vorgänger viele für einen 3,5 Liter großen Sechszylinder mit und ohne Turboaufladung, so hat das Prunkstück in der Motorenpalette nunmehr nur noch 2,7 Liter. Der Sechszylinder wird V8-Jünger kaum mit seinem gewaltigen Brabbeln verzaubern, doch er verbraucht trotz 325 PS und einem maximalen Drehmoment von 510 Nm rund 20 Prozent weniger als die alte Generation. Ein Schritt in die richtige Richtung, selbst wenn der Verbrauch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Nebensache bleibt. Der Ford F-150 2.7 Ecoboost gibt sich im Zyklus mit weniger als zehn Litern Benzin zufrieden. Dabei ist der 2,7-Liter-Motor alles andere als überfordert mit dem mächtigen Lademeister. Kraftvoll geht es aus niedrigen Drehzahlen herauf zu größeren Taten auf Straße oder Gelände und auch wenn die Sechsgang-Automatik nicht auf dem feinfühligen Niveau einer Achtgangbox auf dem Hause ZF arbeitet, wird sie weder Cowboys noch Städter enttäuschen.
Ford F-150 bietet Nutzlast, Zugkraft und Ausstattungsvielfalt
Das Fahrwerk mit Leiterrahmen und Starrachsen, in Europa seit den 70er Jahren verteufelt, ist für einen wie den F-150 mit seinem Nutzwert und den gewaltigen Zuladungen genau das richtige und in der Kombination mit der Aluminiumkarosserie ein Schlag ins Gesicht deutscher Autobauer. Schließlich gehen vom F-150 mit seinen verschiedenen Kabinenarten, Aufbauten und Ausführungen pro Jahr zwischen 700.000 und einer Million Fahrzeuge durch die Verkaufsräume. Der Leichtbau, der der Konkurrenz seit der Verkündigung die Schamesröte ins Gesicht trieb, bringt dem F-150-Kunden mehr Nutzen und allem voran mehr Nutzlast: Er kann jetzt über 1,5 Tonnen transportieren und mit über fünf Tonnen mehr ziehen als je zuvor. Das ist genau das, was die Kunden in Missouri, Wyoming und Florida gleichermaßen lockt. Zum Vergleich: VW Touareg oder Porsche Cayenne schaffen 3,5 Tonnen.
Trotzdem sind nicht nur Kunden aus dem mittleren Westen skeptisch beim Thema Aluminium und trauen dem Material nicht, das sie sonst nur in einer Dose Bud Light in Händen halten. Ford wird daher nicht müde, Stabilität, Festigkeit und das harte Marterprogramm hinzuweisen, dass der neue Ford F-150 vor seiner Markteinführung abzuleisten hatte. Ein paar Millionen Kilometer auf Straßen und im unwegsamen Geläuf; dazu zehn Millionen Erprobungsmeilen auf dem Prüfstand. Hunderte von Kunden der alten F-150-Generationen, aber auch der Konkurrenz prüften den Alu-Koloss in den vergangenen zwei Jahren auf Herz und Nieren. Ihr Nicken kann man nur bestätigen – der Ford F-150 kann’s wirklich. Und das zu einem Preis, der ihn einmal mehr zum VW Golf der Amerikaner macht. Denn preislich geht es – zugegeben dünn ausgestattet und auf den sinnvollen Allradantrieb verzichtend – bei umgerechnet gut 20.000 Euro los.
Wer will, kann seinen Traumwagen als F-150 Platinum oder King Ranch allerdings auch für mehr als 50.000 Dollar mit allem ausstaffieren, was man auch in einer Luxuslimousine wiederfindet. Dazu gibt es ein gewaltiges Platzangebot innen und außen sowie das gute Gefühl, eine amerikanische Legende zu bewegen.