Ford Fiesta 1.6 Ti-VCT
Generation Nummer vier des Fiesta ist, glaubt man Ford, nicht
weniger als der Aufbruch in eine neue Zeit, gebaut und konzipiert
für den weltweiten Einsatz. Ein großer Auftrag, keine Frage, aber
der Kleine ist auch ein großer Wurf.
Beim ersten Zusammentreffen mit dem neuen Fiesta herrscht beinahe Dunkelheit. Eine Straßenlaterne taucht das Heck in mildes Licht. Die Parkplätze links und rechts sind leer, ein direkter Größenvergleich fehlt, dennoch ist der erste Gedanke: "Das soll wirklich der neue kleine Ford sein? Sieht jetzt aber stattlich aus, der Fiesta." Dabei ist er, gemessen am Vorgänger, kaum gewachsen: gerade einmal zwei Zentimeter in die Länge, vier in die Breite und fünf Zentimeter in die Höhe. Und an Gewicht hat er auch nicht zugelegt, im Gegenteil.
Immerhin bringt er 20 Kilogramm weniger auf die Waage als der letzte Fiesta 1.6, der bei auto motor und sport zum Test antrat. Beide Viertürer waren übrigens sehr gut ausgestattet, im aktuellen Fall steht die Titanium-Version parat. Der Preis ist entsprechend hoch: 17.000 Euro. Aber da bekommt man dann fast alles, was in einem Kleinwagen drin sein sollte. ESP, fünf Airbags und die Zentralverriegelung sowieso, denn all das hat schon die Basis-Version Ambiente an Bord, aber im Titanium kommt noch die Fernbedienung dazu. Ebenso sind Klimaanlage, Aluminium-Räder, elektrische Fensterheber, Bordcomputer, Nebelscheinwerfer und etwas Chrom- und Lederzierrat montiert.
Liebe zum Detail
Nur ein Radio fehlt, kostet mindestens 805 Euro Aufpreis. Im Testwagen ist allerdings das Audiosystem Sound & Connect für 1.180 Euro installiert, es bringt nicht nur per Rundfunk oder CD Musik ins Auto, sondern auch den Anschluss für iPod oder andere MP3-Player. Damit wären wir mittendrin im Fiesta, dessen trapezförmiges Bedienfeld für Radio, Telefon und weitere Funktionen hoch und damit ergonomisch ungünstig platziert ist, dessen Menüs aber logisch aufgebaut sind. Man schaut auch gerne hin, denn die Verarbeitung der Armaturentafel zeigt durchaus Liebe zum Detail, schiefe Passungen oder unschöne Grate sucht man hier vergebens. Vor allem Tacho und Drehzahlmesser sind sehr klar gezeichnet und sowohl bei Tag als auch bei Dunkelheit sehr gut abzulesen.
Der Blick nach vorn offenbart die erste Schwäche der neuen Karosserie. Dass das vordere Ende eines Autos sich kaum einschätzen lässt, ist ein Schicksal, das der Fiesta mit vielen anderen Wagen teilt. Einparken macht trotz der angenehm kompakten Außenabmessungen keine rechte Freude, zumal der Blick nach hinten durch die ansteigende Fensterlinie und die breiten C-Säulen behindert wird. Auch beim Fahren auf der Landstraße stört die Unübersichtlichkeit, hervorgerufen durch die extrem flach stehenden A-Säulen, die den Blick in Kurven erschweren. Selbst der Beifahrer hat Grund zur Klage, denn die Scheibenwischer schaffen ihm kein ausreichendes Sichtfeld; er muss - eine nordeuropäische Körpergröße vorausgesetzt - durch verschmutztes, regennasses Glas nach draußen gucken.
Keine Selbstverständlichkeit bei Kleinwagen
Als Entschädigung bietet der Fiesta für seine Passagiere in der ersten Reihe ein angenehm großzügiges Platzangebot, und der Fahrer kann sich seinen Arbeitsplatz mit dem bequemen, höhenverstellbaren Sitz (Serie bei Titanium) und dem in zwei Ebenen einstellbaren Lenkrad (Serie in allen Fiesta) passend einrichten, selbst wenn er größer ist als 190 Zentimeter. In der zweiten Reihe geht es erwartungsgemäß nicht ganz so luftig zu.
Aber Kopffreiheit ist mehr als ausreichend vorhanden - keine Selbstverständlichkeit bei Kleinwagen - und der Platz für die Beine reicht gut. Vier Erwachsene fühlen sich sogar auf längeren Strecken bequem untergebracht. Besonders löblich ist die üppige Länge der Fond-Sicherheitsgurte, mit denen sich auch sperrige Kindersitze ohne Mühe anschnallen lassen. Isofix zur Kindersitzbefestigung kostet nicht einmal Aufpreis.
Trotzdem ist der Innenraum noch verbesserungswürdig, denn Ablagen gibt es zwar für Fahrer und Beifahrer in ausreichender Zahl, aber für die hinten Sitzenden praktisch keine. Auch die Mitnahme größerer Gegenstände ist keine Parade-Disziplin des kleinen Ford. Am Kofferraumvolumen liegt es nicht, schließlich ist es mit mindestens 295 Litern bis maximal einem Kubikmeter erstaunlich groß.
Aber die hohe Kante der sehr breiten Ladeöffnung erschwert vor allem das Ausladen von Wasserkisten oder anderen schweren Gegenständen. Klappt man die asymmetrisch geteilte Sitzbank nach vorn, kommt eine zweite Kante dazu, einen ebenen Ladeboden gibt es nicht. Steht die Fondbanklehne, ragt ein Teil des mittleren Scharniers so unglücklich in den Kofferraum, dass man Gepäckstücke daran beschädigen kann.
Kommen wir zum anderen Ende des Fiesta und dem darin verbauten 1,6-Liter-Vierzylinder. Der verbrennt in diesem Testwagen Benzin, leistet 120 PS und stellt die stärkste derzeit lieferbare Motorisierung dar.
Quell steter Freude
Beim Fahren ist er ein Quell steter Freude. Er läuft ruhig und ohne nennenswerte Vibrationen, zieht schon ab Leerlaufdrehzahl kräftig durch und eilt mühelos durch sein Drehzahlband, ohne dabei die Stimme aufdringlich zu erheben. Dass er die Werksangabe für den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h nicht erreicht, spielt im täglichen Leben keine große Rolle. Auf der Autobahn im fünften und letzten Gang des gut schaltbaren Getriebes dreht der Motor locker an die 6.000er-Markierung. Der Tacho zeigt dann 200 km/h - und das Gaspedal ist noch nicht ganz durchgedrückt. Man kann den Motor also mühelos in den roten Bereich treiben, und auf Gefällestrecken reicht die Tacho-Skalierung bis 220 km/h nur gerade eben aus.
Der Begrenzer, der dieser Drehzahlorgie ein Ende bereitet, setzt im Fiesta erst bei 6.600 Touren ein. Auch der Testverbrauch von 7,6 Liter/ 100 km ist für einen ganz neuen Kleinwagen kein guter Wert. Auf der ökonomisch gefahrenen auto motor und sport-Normrunde sind es immerhin noch sechs Liter/100 km. Der zur gleichen Zeit getestete, größere und schwerere VW Golf VI mit 160 PS begnügt sich unter identischen Rahmenbedingungen mit 5,8 Liter/100 km.
Der Kleine ist agil und ohne Tücke
Auf der Habenseite des Fiesta stehen wiederum die sehr guten Bremsen, die Verzögerungswerte wie bei einem Sportwagen ermöglichen, und sein Handling. Denn der Kleine ist agil und ohne Tücke. Auf Lastwechsel reagiert er mit einem kecken, aber harmlosen Heckschwenk. Kurven umrundet er mit großer Neutralität. Liegt nasses Laub im Scheitelpunkt, beginnt er, mild zu untersteuern.
Die Lenkung dürfte allerdings eine Spur weniger direkt reagieren, denn oft schlägt man zu weit ein und muss dann wieder korrigieren. Trotz sportlichen Fahrverhaltens ist die Federung ausreichend geschmeidig und egalisiert Fahrbahn-Verwerfungen, anstatt sie zu kopieren. Leichtes Stuckern auf Querfugen ist ebenso zu verschmerzen wie geringfügige Nickschwingungen auf Betonfugen-Autobahnen. Akustisch hält sich der Fiesta angenehm zurück, Fahrwerkspoltern ist ihm fremd, solange die Schlaglöcher nicht größer sind als eine Familienpizza. Am Ende der ersten von vielen Fahrten ist es immer noch dunkel, aber glänzen konnte der Fiesta trotzdem. Und das liegt nicht nur an seinen guten Scheinwerfern.