Jaguar XFR-S Sportbrake, Mercedes CLS 63 AMG S SB
Über 500 PS im Kombikleid: Was haben Jaguar XFR-S Sportbrake und Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake außer richtig dicken Triebwerken noch zu bieten? Wir verraten es Ihnen im Vergleichstest.
Es ist an der Zeit, definitiv. Es ist an der Zeit, damit zu beginnen, möglichst viele Fahrzeuge mit hubraumstarken Motoren zu bewegen, bevor auch in der automobilen Spitzenliga eine Art Einheitstriebwerk dominiert, ein Biturbo-V8 mit vier Litern Hubraum nämlich. Schön, dass sowohl Jaguar als auch Mercedes einen Vergleich solcher Fahrzeuge mit der Einführung einer neuen Karosserievariante (Jaguar XFR-S Sportbrake) und einer Modellpflege (Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake) rechtfertigen und uns die energieraubende Suche nach Gründen ersparen.
Jaguar XFR-S Sportbrake mit 550 PS
Den Briten muss ohnehin hoch angerechnet werden, dass sie die Kombi-Variante des XF im Prinzip nur für Großbritannien und Deutschland bauen, im Rest der Welt interessiert sich eigentlich niemand für das praktische Heck. Schön auch, dass nun der Fünfliter-V8 mit 550 PS in den Jaguar XFR-S Sportbrake einzieht, den der CLS mit dem 5,5-Liter-Biturbo-V8, 585 PS stark, kontert. Und ja, wir wollten natürlich den CLS 63 AMG ohne S, also ohne Allradantrieb und 557 PS stark, doch den hatte Mercedes nicht im Fuhrpark.
Andere Wettbewerber? Fehlanzeige, abgesehen vom Alpina B5 Touring, doch der war ebenfalls nicht verfügbar, weil verkauft, was uns für Alpina natürlich freut. Also bespielt Jaguar vorerst allein das Feld üppig motorisierter hinterradgetriebener Kombis – und wie! Nein, nicht hooliganmäßig-brachial, sondern mit einer Art athletischer Gewalt. Beim Druck auf den rot aufglimmenden Startknopf fällt keiner der Nachbarn aus dem Bett, kein Porzellan scheppert leise angstvoll, keine Fensterscheiben zittern. Vielmehr kommt der kehlige V8-Bass aus der Tiefe des (Brenn-)Raums, voluminös, mild-bedrohlich.
Im V des Achtzylinders mit Aluminium-Block und -Zylinderkopf sowie eingegossenen Stahlzylindern sitzt ein Twin-Vortex-Kompressor, der die entsprechende Leistungscharakteristik verantwortet. Der Direkteinspritzer schultert lässig den 2.019 Kilogramm schweren Jaguar XFR-S Sportbrake im Vergleichstest, beschleunigt ihn mit schon fast saugmotorgleichem Schub, unnachgiebig und harmonisch, ganz ohne Ladergeheule.
200 km/h nach 14,6 Sekunden
Tempo 100 ist nach 4,3 Sekunden Geschichte, 200 km/h erreicht der Jaguar XFR-S Sportbrake nach 14,6 Sekunden und beschleunigt bei Bedarf weiter, bis die Tachonadel an die Ziffer 300 auf der nur mäßig ablesbaren Skala ditscht. Das maximale Drehmoment von 680 Newtonmetern stellt das Triebwerk des Jaguar XFR-S Sportbrake zwischen 2.500 und 5.500 Umdrehungen bereit und lässt es von einer Achtstufenautomatik verwalten, was das Wandlergetriebe mal eben so im Vorbeigehen erledigt, zumindest wirkt das so.
Es wechselt die Übersetzungen sanft und ausreichend schnell, reagiert im manuellen Modus angemessen fix auf die über Lenkradpaddel erteilten Befehle, kommt aber auch prima klar, wenn sich der Fahrer nicht einmischt.
Speziell bei aktiviertem Dynamic-Modus leugnen Motor und Getriebe geradezu ihre Identität, wenn der mit einer variablen Ventilsteuerung ausgerüstete Achtzylinder sabbernd auf Gaspedalbefehle reagiert, ganz ohne Zögern oder Wandlerschlupf, und auch aus dem mittleren Drehzahlbereich bis über 6.000/min tobt. Übrigens: Jegliche Geschwindigkeit vernichtet der Jaguar XFR-S Sportbrake im Vergleichstest auch wieder zuverlässig, denn die Bremsanlage liefert konstante Verzögerungswerte von knapp 11 m/s² – was helfen sollte, um auf der Rennstrecke ein paar flotte Runden hinzulegen.
Jaguar XFR-S Sportbrake hängt sein Heck raus
Auf dem Kleinen Kurs funktioniert die Bremse tatsächlich ebenso gut, zumindest was die reine Verzögerungsleistung angeht, denn die Dosierbarkeit fällt ein bisschen mau aus. Der Pedalweg bis zum Druckpunkt entspricht in etwa der Distanz Dover – Calais, das erfordert Gewöhnung – das Fahrverhalten ebenfalls, denn was Jaguar freundlich mit "erlaubt kontrolliertes Übersteuern bei hohem Leistungseinsatz" untertreibt, stellt sich in Hockenheim schnell als eine Jubelarie an den Heck.ntrieb heraus.
Einen Moment zu lang auf der Bremse am Einlenkpunkt, etwa in der Nordkurve? Schwups, hängt der Jaguar XFR-S Sportbrake im Vergleichstest das lange Heck heraus, etwas überraschend, was sich mithilfe der elektronisch geregelten Differenzialsperre gut einfangen und kontrollieren lässt. Munter driftend schwänzelt der Brite im Vergleichstest so über die Strecke, die etwas zu leichtgängige Lenkung arbeitet direkt, wenngleich nicht besonders präzise, doch das passt schon alles.
Ja, die Freude ist groß, nur eine Top-Zeit lässt sich so nun mal nicht realisieren, da immer mit sehr zurückhaltendem Gasfuß gefahren werden muss, um die Kombi-Fuhre stabil zu halten. Dafür kann der Jaguar XFR-S Sportbrake präzise durch den 18-Meter-Slalom gescheucht werden, kaut dem Mercedes aufgrund des mitarbeitenden Heck. sogar ein paar Zehntel ab.
Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake die Ruhe selbst
Doch der Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake bleibt die Ruhe selbst, sofern man das über ein Automobil mit diesen irren Leistungswerten überhaupt sagen kann: 800 Newtonmeter! Bei 1.750 Umdrehungen. Es ergibt durchaus Sinn, diese Kraft nicht allein einer Antriebsachse zu überlassen, der hauseigene 4Matic-Antrieb verteilt 67 Prozent des Antriebsmoments auf die Hinterachse, schickt den Rest nach vorne – und tritt daher als Spaß-Polizei auf?
Nun, aufgrund der im Vergleich zum Jaguar etwas ungünstigeren Achslastverteilung untersteuert der Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake leicht, verbeißt sich dann aber auf der Ideallinie, folgt ihr neutral und präzise, lässt sich sogar mit etwas weniger Karosseriebewegungen in die nächste Kurve werfen.
Beim Herausbeschleunigen hilft der Allradantrieb, natürlich, ebenso dass der Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake nur ein Kilogramm mehr wiegt als der Jaguar XFR-S Sportbrake, also das bessere Leistungsgewicht bietet. Werfen Sie mal einen Blick auf das Geschwindigkeitsdelta der beiden auf der Start-Ziel-Gerade. Noch Fragen? Ach so, ja: 1.15,2 Minuten.
Bessere Dosierbarkeit der Bremse
Doch dazu tragen auch das Zusammenspiel von Fahrwerk und Lenkung bei, denn das Einlenkverhalten wirkt weniger nervös, der Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake lässt sich im Vergleichstest konsequenter platzieren. Ein weiterer Grund: die bessere Dosierbarkeit der optionalen Carbon-Keramik-Bremse, wenngleich die Verzögerungsleistung etwas zu wünschen übrig lässt. Zugegeben, der von AMG gewählten Abstimmung mag der Unterhaltungsfaktor abgehen, sie ist zielorientierter.
Der Unterhaltungsfaktor sitzt dagegen im Bug des Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake, ganz klar, auch wenn der V8 zunächst spaßbefreit wirkt, denn er erfüllt brav die Euro-6-Norm und verfügt in vorauseilendem NEFZ-Gehorsam über eine Start- Stopp-Automatik. Sobald sich aber der Zündschlüssel dreht, schafft das Biturbo-Triebwerk Fakten. Nein, dieses Aggregat ist nichts für Typen, die Sex im Dunkeln bevorzugen.
Ab dem ersten Arbeitstakt brennt der Baum, der Achtzylinder, donnert, droht, wütet – und zwar immer, dabei aber gekonnt diesseits der Grenze zum Nervtötenden. Klasse, denn so macht der Motor unmissverständlich klar, was er ist: ein mächtiges Stück Maschinenbau, dazu in der Lage, einen über zwei Tonnen schweren Kombi in nur 3,7 Sekunden von null auf 100 km/h zu katapultieren und in 12,4 Sekunden die 200-km/h-Marke zu demütigen.
Mercedes CLS 63 AMG S stürmt zum Leistungsgipfel./strong>
Mit dem Jaguar XFR-S Sportbrake teilt er sich im Übrigen die Eigenschaft, dass sich der Antrieb so gebärdet, wie er klingt. Im Fall des AMG bedeutet das also: Kurz Luft holen, und dann beginnt der barbarische Sturm auf das Drehmoment-Plateau, weiter bis zum Leistungsgipfel. Mehr als 6.000/min? Mag er nicht besonders, muss er auch nicht.
Bis dahin ist der Kampf gegen sämtliche Fahrwiderstände gewonnen, und zwar ohne nennenswerte Gegenwehr. Jenseits von 4.000 Umdrehungen mischt sich noch eine Prise metallisch-hämmerndes SLS-GT3-Stakkato in die Geräuschkulisse, was den Fahrer noch etwas tiefer in den vorzüglichen Sportsitz sinken lässt. Übrigens: Im Jaguar sitzt man genauso hervorragend wie im Mercedes.
Ganz so besessen wie der Jaguar XFR-S giert der Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake nicht nach Gaspedalbefehlen, es scheint fast so, als fühlte er sich davon zunächst etwas belästigt, um dann mit der ihm eigenen Urgewalt zu explodieren. Angesichts der überbordenden Kraft muss sich das Automatikgetriebe auch nicht vorwerfen lassen, dass es mit nur sieben Stufen auskommt. Die Übersetzung passt, bei der Schaltgeschwindigkeit ist der Mercedes dem Jaguar ebenso überlegen wie bei den Reaktionen auf manuelle Befehle.
Hinzu kommen noch die bestens abgestimmten Schaltprogramme S und S+, wobei letzteres selbst auf der Rennstrecke bestens funktioniert. Gewaltige Zwischengas-Eruptionen entfahren beiden mit einer Intensität, dass die Farbe von den Curbs bröselt. Nur der Schaltkomfort ist im Mercedes CLS 63 AMG S Shooting Brake nicht besonders ausgeprägt, es ruckt doch hier und da im Antriebsstrang.
Teurer Mercedes mit Mehrwert
Bevor allerdings der Verdacht aufkommt, dass der AMG ausschließlich von seinem Klang lebt: Nein, der CLS 63 AMG S lebt von seiner heutzutage geradezu unanständigen Gewalt des Antriebs, die so mit weniger Hubraum wohl nicht annähernd erlebbar wäre – und davon, dass dank des Allradantriebs die Kraft unter allen Bedingungen auch immer genutzt werden kann.
Natürlich lässt sich Mercedes das alles fürstlich honorieren, gibt aber noch das eine oder andere mit obendrauf, was so nicht in die sport auto-Punktewertung einfließt. Den Federungskomfort beispielsweise, der angesichts der Agilität ein Extralob verdient. Obwohl der Jaguar – mit über 110.000 Euro auch nicht gerade billig – über eine ähnliche Fahrwerkskonfiguration mit Luftfederung an der Hinterachse, wenngleich bei größeren Rädern (20 statt 19 Zoll), verfügt, spricht der Mercedes auf die Unzulänglichkeiten handelsüblicher Landstraßen zweiter und dritter Ordnung viel souveräner an, verarbeitet sie deutlich eleganter.
Im Jaguar XFR-S Sportbrake verliert sich das Heck dann schon mal in störenden Vertikalbewegungen, zudem decken miese Straßen knisternd die schlechtere Verarbeitungsqualität auf, die sich zum Teil auch nicht übersehen lässt. Über die antiquierte Infotainment-Ausstattung sei besser kein Wort verloren, zumal der Brite ja eine ganz andere Art des Infotainments bietet – Übersteuern, Drift, Sie wissen schon. Und dann ist da ja schließlich noch der Luxus des dicken Motors. Es ist wirklich an der Zeit, diesen zu genießen.