Lada 4x4 Urban im Fahrbericht
Ach je, denkst du dir, nun haben sie den Lada 4x4 (für uns noch immer Niva) zum Lifestyle-Modell Urban aufgerüscht. Aber keine Sorge, er bleibt, was er seit 40 Jahren ist: sich treu.
Es ist ja nicht so, dass bei langjährigen Weggefährten des Lada 4x4 Zweifel an der Lifestyligkeit erst bei der Lektüre der Bedienungsanleitung aufkämen. Doch dann findet sich da der mahnende Pflegehinweis, man möge „das Fahrzeug niemals mit Abwässern waschen“ . Schließlich informiert die Preisliste über die Installationsmöglichkeit eines Gewehrhalters (280 Euro), spätestens dann weißt du: Der Lada bleibt ein Auto für den handfesteren Lebensstil. Dieses Lifestyle-Urban-Gedöns hat nur den Zweck, den Klassenfeind zu übertölpeln. Echt jetzt.
Der 4x4 – ach was, wir sagen weiter Niva, die Namensrechte gehören zwar GM, aber uns wird schon keiner verhaften – feiert seinen 40. Geburtstag. Während wir über die Entstehung von Land Rover und Mercedes G wohl schon mehr geschrieben haben, als sich tatsächlich zutrug, haben wir die Geschichte des VAZ 2121 nie ganz erzählt.
VAZ bisher geschah
1971 gefällt sich das Politbüro der UdSSR darin, drei staatseigene Betriebe mit der Entwicklung eines Dorfautos zu beauftragen. Neben AZKL aus Moskau, wo man die Moskvich-Modelle baut, und IzhMash (die stellen die Kalaschnikow her) hat sich AvtoVaz in Togliattigrad zu beteiligen. Projekt 2121 entsteht unter Generalingenieur Piotr Prusov und Entwicklungsleiter Vladimir Solovjev. Dazu gibt es – doch, wirklich – einen Designer, Valeri Semuschkin. 1973 wird entschieden, den Niva bauen zu lassen. Der feiert nach Tests in Usbekistan im Herbst 1976 Premiere, im April 1977 startet die Produktion.
Mit selbsttragender Karosserie, Schraubenfedern und permanentem Allrad ist der Lada einst unter all den rumpeligen Geländewagen der Range Rover des Ostens. Seither aber hat sich nicht viel getan. Ab 1993 gibt es den 50 Zentimeter längeren Viertürer, an dem kein Designer beteiligt gewesen sein kann. 1995 bekommt er die größere Heckklappe, alle paar Jahre neue Überwürfe für die Sitze, das Ersatzrad teilt sich den Raum unter der Motorhaube mit wechselnden Verbrennungsmaschinen.
Bei solch verhaltenem Modernisierungsdrang war nicht zu erwarten, dass sich der Niva auf die unsentimentalen EU-Zulassungsvorschriften einrichtet. Ja, man versteht sogar, dass Fußgängerschutz dem Prinzip dieses Autos widerspricht, das seit 40 Jahren darin besteht, nie nachzugeben. Doch Lada findet eine Gesetzeslücke und ersinnt den Urban, der als Kleinserienmodell gilt, von dem pro Jahr 1.000 Stück einreisen dürfen.
Verjüngungskur für den Lada
Er kostet 1.000 Euro mehr als der Standard-Niva, fährt in Broschüren auf breiten Fünfspeichen-Alus herum. Der Testwagen trägt dürre 175er-16- Zoll-Reifen. Die Front haben sie ihm gebotoxt, die Stoßfänger teillackiert, und der 1.700er-Benziner erreicht nun Euro 6. Fenster und Außenspiegel des Niva lassen sich jetzt elektrisch bewegen – welch leichtfertige Extravaganz in seinem Alter.
Vor dem Start gilt es, die Wegfahrsperre APS-4 zu deaktivieren, wozu ein Stift auf einer Kontaktfläche punktlanden muss. Schlüsseldreh links, und der Motor röhrt los. Ersten Gang über den Schaltstock reinhakeln, Kupplung kommt, der Niva ruckt antriebsheulend los.
Man mag den Reiz des Niva in seinen erheblichen Geländefähigkeiten finden. Oder mehr noch in seinem Überlebenstalent. Imperien zerfielen, Mauern bröckelten, aber er kurvt noch immer durch die Weltgeschichte. Er hat einen Status erreicht, in dem seine reine Existenz bejubelt werden sollte, immerhin ist er nach den Morgan-Roadstern das älteste Modell auf dem Markt. Dass er sich wie ein fabrikneuer Oldtimer fährt, liegt also daran, dass er ein fabrikneuer Oldtimer ist – aber völlig neidfrei, ersatzteilabgesichert, günstig (11.990 Euro) und ersetzlich.
Handling aus dem Jahre 1973
Nun röhrt er den Berg empor, der Motor dreht eher zornig als begeistert die Drehzahltausender hoch. Wegen der kurzen Übersetzung des Fünfganggetriebes wirkt der Vierzylinder temperamentvoller, als er ist. Mag aber auch daran liegen, dass der Niva schon bei niedrigen Geschwindigkeiten ein beachtliches Tempo draufhat. Es gibt so viel zu tun, Gänge zu finden, Bodenwellen auszuweichen, den schlechten Orientierungssinn der Hydrolenkung, wie sie die Servolenkung nennen, zu berücksichtigen. Handling? Keines. Gar keines. Also überhaupt gar keines. Für Ideen der vergnüglichen Kurvenfahrerei war das Zentralkomitee der KPdSU 1973 aber wohl auch nicht so zu haben.
Nachdem er den Gipfel auf der einen Seite beherzt erklommen hat, strauchelt der Niva nun auf der anderen durch die Serpentinen wieder hinunter. Ach, wäre es jetzt leicht, über den Niva zu spotten, wie ungeschickt er da herumfuhrwerkt, wie alt und primitiv er doch ist. Dabei ist er einzigartig: Der Land Rover Defender ist in Rente, das Mercedes G-Modell wühlt nicht mehr Pfade auf, sondern nur noch die Society mit Geschichten, was für ein Wilder er früher war. Bleibt der Niva als unverändert rustikaler Geländewagen, der auch als Urban gleich jeden vergrault, der ihn nur zur Schau fahren will.
Und so enden wir mit dem Motto des XXVII. Parteitags der KPdSU vom Februar 1986 – oder war es das von Klosterfrau Melissengeist? Egal: Niva er so wertvoll wie heute.