Opel Vectra CD 2.0 16V und Saab 900 S 2.0i im Test
Der neue Opel Vectra und der Saab 900 machen aus Partnern gleichzeitig Konkurrenten. Für uns Grund genug in einem Vergleichstest die beiden Fahrzeuge genauer zu beleuchten.
Dass der amerikanische General Motors-Konzern, zu dem auch die deutsche Tochterfirma Opel gehört, 1990 mit 50 % bei Saab einstieg, war für die kleine schwedische Marke überlebenswichtig. Doch als GM den bis dahin unrentabel arbeitenden Saab-Leuten ein kostensenkendes Rationalisierungs- und Gleichteilekonzept verordnete, machten die eingefleischten Saab-Fans in der Sorge um das Renommee die Gegenrechnung auf: Wieviel Prozent Opel verträgt ein Saab? Beim 900, der im Herbst 1993 als erstes Saab-Modell nach dem GM-Engagement auf den Markt kam, sind Opel-Elemente nur schwer zu entdecken. Daß die Bedienknöpfe für die elektrische Spiegelverstellung von Opel stammen, merkt nur der Fachmann – völlig unsichtbar bleibt, daß der Saab 900 auf der Bodenwanne des Opel Calibra ruht und die Hinterachse mit der des Astra identisch ist. Was der Kunde nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Auch äußerlich bleibt der Saab-Anschein gewahrt. Hinter der viertürigen Schrägheck-Karosserie – daneben ist noch ein zweitüriges Coupé im Angebot – im Look der sechziger Jahre vermutet nun wirklich keiner einen Opel. Doch es genügt nicht, nur die Form zu wahren. Auch saabgemäße innere Werte wie Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit sind gefragt. Gerade daran aber, das deckte ein Dauertest von auto motor und sport mit einem 900 2.3 über 100 000 Kilometer auf (Heft 17/95), hapert es. Zahlreiche Verarbeitungs- und Sicherheitsmängel ließen Zweifel am Saab-Image aufkommen – die Verantwortung dafür schoben sich die beiden Entwicklungspartner hinter verschlossenen Türen gegenseitig zu. Das Saab-Team fühlte sich von GM in der Entwicklungsund Erprobungszeit gedrängt, während von der anderen Seite zu hören war, daß Saab in puncto Qualität von Opel noch einiges lernen könne.
Wie dem auch sei: Nimmt man die aktuellen Modelle beider Hersteller zum Vergleich, den neuen Vectra und den Saab 900 Jahrgang 1996, an dem gegenüber der ersten Serie mehr als zwei Dutzend Nachbesserungen durchgeführt wurden, scheinen sich die Qualitätsverhältnisse verschoben zu haben. Denn nicht der Saab, sondern der Opel wirkt fest wie eine Burg. Da klappert selbst auf schlechten Straßen nichts, während sich die Saab-Karosserie auf welliger Fahrbahn leicht verwindet und durch Geräusche aus dem Bereich der großen Heckklappe auf sich aufmerksam macht. Trotz intensiver Modellpflege plagen den Saab 900 auch in der neuesten Version altbekannte Mängel: eine langsam ansprechende Heizung mit unzureichender Defrostwirkung, eine knorpelige und störrische Schaltung, lästig laute Windgeräusche und zu kurze Rücksitzgurte, die kein optimales Befestigen von Fangtisch- Kindersitzen erlauben. Saab bietet im Gegensatz zu Opel zwar ein eigenes maßgeschneidertes Kindersitzprogramm an, aber die gängigen Modelle aus dem freien Handel sind im Vectra-Fond viel besser zu fixieren. Auch erwachsene Personen sitzen hier bequemer. Denn obwohl der neue Vectra kein Raumwunder ist, genießen die Passagiere mehr Bein- und Ellenbogenfreiheit als im Saab. Gemessen daran, daß der Saab 15 Zentimeter länger als der Vectra ist, geht es im Innenraum ziemlich eng zu. Die kleinen Fensterflächen, die hohe Gürtellinie, das hoch aufbauende Armaturenbrett und die tiefe Sitzposition sorgen zwar für jenen Burgcharakter, den Saab-Fahrer seit jeher schätzen, verstärken aber zusätzlich das Gefühl von Enge, das allein schon aus den geringeren Innenabmessungen resultiert.
Wirklich großzügig ist am Saab allerdings der Kofferraum, der zwar nur bei umgeklappten Rücksitzen mehr Gepäck als der des Vectra schluckt, sich aber aufgrund der großen Heckklappe viel leichter beladen läßt. Die größten Unterschiede offenbaren sich jedoch beim Fahren. Wo der Vectra, an dem nur die etwas zu hohe Sitzposition stört, leichtfüßig und handlich wirkt, fühlt sich der Saab schwerfällig an. Das liegt zum einen an den höheren Kräften für Lenkung, Schaltung und Pedalerie, andererseits aber auch an der stärkeren Tendenz zum der ausgeprägteren Seitenneigung der Karosserie. In puncto Fahrsicherheit profitiert der 900 von der Verwandtschaft zu Opel. Nachdem Saab die fadingempfindliche Bremsanlage des 900 gegen die des neuen Vectra getauscht hat, läßt die Verzögerung auch bei härtester Beanspruchung nicht mehr nach. Gleichwohl sind die Verzögerungswerte beim etwas leichteren Vectra noch eine Spur besser.
Auch das Kapitel Fahrkomfort entscheidet der Opel für sich, weil er auf Querfugen besser federt, eine wirksamere Heizung hat und die komfortablere Fondbank bietet. Die Innengeräuschpegel sind hingegen ähnlich, aber aus ganz unterschiedlichen Gründen. Während im Saab der Fahrtwind für Getöse sorgt, ist es im Opel der Motor. Denn der Vierventiler dröhnt jenseits von 4000/min so stark, daß Opel durch eine extrem lange Übersetzung das Drehzahl- und damit auch Geräuschniveau drosseln mußte. Allerdings hätte man dies nicht übertreiben müssen, denn der ehemals 150 PS starke und kürzlich auf 136 PS abgemagerte Zweiliter wirkt im Vectra totübersetzt. Auch wenn die Elastizitätswerte eine andere Sprache sprechen, fühlt sich der Vectra schlapper als der Saab an, dessen ebenfalls zwei Liter großer Vierventil-Vierzylinder trotz geringerer Leistung (130 PS) und schlechteren Drehmomentverlaufs besser aufs Gas anspricht, spontaner hochdreht und dank zweier, seit Herbst 1994 eingesetzter Ausgleichswellen viel kultivierter läuft. Daß er allerdings 1,3 Liter mehr Benzin verbraucht, erscheint ebensowenig gerechtfertigt wie der um fast 3000 Mark höhere Preis des Saab 900, der selbst in der S-Version nicht so üppig ausgestattet ist wie der Vectra CD und bei dem alle Extras mindestens 30 Prozent teurer sind als beim Opel.