Porsche 911 GT3 RS (996) im sport auto-Supertest
Druck erzeugt Gegendruck: Das supersportliche, weil erleichterte
RS-Modell auf Basis des Porsche GT3 schickt sich an, die Maßstäbe
wieder zurechtzurücken, die BMW mit dem M3 CSL verschoben hatte.
Die Stellhebel, durch die der Grad der automobilen Faszination gesteuert wird, sind normalerweise vielfältig und in ihrer Ausprägung sehr individuell. Je näher sich aber ein Auto am Rennsport orientiert, desto mehr verlieren die gängigen Kriterien, wie etwa die Beschleunigung von null auf 100 km/h oder die Höchstgeschwindigkeit, an Bedeutung. So ordnet sich die Optik in dieser ersten Liga der Straßensportwagen zunehmend den aerodynamischen Notwendigkeiten unter – und nicht dem Allerweltsgeschmack. Hohe PS-Zahlen sind auch nur dann von Interesse, wenn sie in einer interessanten Relation zum Gewicht stehen. Und die Höchstgeschwindigkeit gerät mehr und mehr zur blanken Theorie, weil sie in der Praxis nicht den aus dem Autoquartett bekannten Bewertungsmustern nunmehr gänzlich entzogen. Dem Laien dürfte sich dieser hoch frisierte Supersportler tatsächlich kaum mehr erschließen. Es sei denn, er steht auf Flügel. Denn der GT3 RS ist beispielsweise auf der Autobahn kaum merklich schneller als das Ausgangsprodukt, und sein Imagewert wird durch die bonbonfarbenen Zierstreifen auf weißem Grund ebenfalls nicht erhöht. Aber er kostet trotzdem, sozusagen als Gegenleistung für weitere Komforteinbußen, einen satten Aufpreis von bis zu 20.000 Euro gegenüber der Basis 911 GT3 .
Der GT3 RS kostet satte 20.000 Euro mehr
Die Trümpfe dieses straßenzugelassenen Sportgeräts, das mit optischen Reminiszenzen an den 911 RS 2.7 des Jahrgangs 1972 wirbt, erschließen sich also bestenfalls Kennern der Materie – sofern sie diesen Ausnahmesportler für mehr als nur eine Sammlerinitiative halten. Aber nicht zuletzt auf Grund der Kleinserie von nur etwa 600 Exemplaren weltweit ist eine Rendite beim Wiederverkauf durchaus nicht ausgeschlossen. In der Liste der so genannten Alleinstellungsmerkmale gegenüber dem GT3 beziehungsweise dessen Clubsportvariante sind überwiegend Initiativen aufgeführt, die, wenn auch im Einzelnen nicht unbedingt erheiternd, in der Summe einen großen Benefit versprechen. Dort ist beispielsweise ein um sechs Kilogramm erleichtertes Instrumentenbrett aufgeführt, das in seinem schlichten Schwarz den stumpfen Reiz einer Schalttafel hat. Das erst vor kurzem im 911er eingeführte Handschuhfach ist ebenso abhanden gekommen wie die Sidebags und die schmeichelnden Lederbezüge. Diese Maßnahmen streichen weitere sechs Kiloramm vom Gewichtskonto. Kompensation leisten gewissermaßen die rennmäßig geformten, vorzüglich geschnittenen Schalensitze sowie das griffige Alcantara an Lenkrad und Schalthebel. Die Reduzierung auf das Wesentliche geht raumgreifend mit einer Vielzahl von technischen Modifikationen auch an Motor und Fahrwerk einher.
Neun Kilo Gewichtsreduktion bringt allein das Einmassenschwungrad mit angepasster Sportkupplung. Aufs Konto des im Gewicht optimierten Karosserierohbaus gehen 14 Kilo, acht Kilo sparen die Karbonhaube und zwei Kilo die Heckscheibe aus Polycarbonat. Minus dreitausend Gramm macht das neue Bugteil mit Abluftkanälen aus, durch deren obere Kühlluftführung der Auftrieb weiter reduziert werden konnte. Noch einmal 2.000 Gramm Gewichtsersparnis bringt der Heckflügel aus Karbon, der das Profil vom Cup-Renner imitiert und auf diese Weise sogar für Abtrieb an der Hinterachse sorgt. Im Schatten des dominanten Flügels arbeitet nun ein so genannter RAM-Luftsammler, dessen Staudruck bei hohem Tempo eine Zusatzleistung von immerhin 10 bis 15 PS generieren soll. Der nominellen Leistungsangabe von 381 PS hinzugerechnet, ergäbe das im günstigsten Fall also eine Leistungsausbeute von fast 400 PS. Die Gewichtsersparnis gegenüber dem 911 GT3, der im Juni 2003 den Supertest durchlief und dessen Gewicht voll getankt mit 1.420 Kilogramm gemessen wurde, summiert sich bis hierhin auf netto 47 Kilogramm. Die Tatsache, dass der RS aber voll getankt mit 1.373 Kilogramm inklusive Käfig, Feuerlöscher und Vierpunktgurten auf der Waage steht, schönt die Bilanz der Diät noch einmal ganz beträchtlich. Denn diese serienmäßig installierten Komponenten schlagen mit rund 25 Kilogramm extra zu Buche.
1.373 Kilogramm bringt der GT3 RS auf die Waage
Gerechterweise müssten sie dem normalen GT3 draufgeschlagen werden, um das Ausmaß der Abspeckaktion am RS richtig würdigen zu können. Die Unterscheidungsmerkmale am nochmals tiefer gelegten Fahrwerk sind ebenso relevant wie die Maßnahmen an Karosserie, Interieur und Motor. Diesem wurden neben einer aggressiver abgestimmten Motronic (ME 7) nun auch Zylinderköpfe mit einer modifizierten Geometrie der Einlasskanäle spendiert. Die Federraten sind höher, ihre Charakteristik progressiver. Spezielle Radträger an Vorder- und Hinterachse erweitern den Sturz- und Spureinstellbereich. Und die Doppelklemmung der Federbeine an den Radträgern soll die Steifigkeit und Spurtreue bei scharfen Bremsmanövern erhöhen. Auf den am Felgenkranz auf Hochglanz polierten und am Stern entsprechend der Farbe der Zierstreifen lackierten RS-Felgen weisen nun auch serienmäßige Sportreifen darauf hin, dass man den Affront, den sich BMW mit dem erstmals serienmäßig auf Sportreifen ausgelieferten M3 CSL gegenüber Porsche leistete, nicht unbeantwortet lassen will.
Vom Leistungsprofil her eher einem profillosen Slick als einem normalen Straßenreifen ähnelnd, zeigt auch der speziell für den GT3 RS angepasste Pirelli P Zero Corsa eine stark eingeschränkte Alltagstauglichkeit mit deutlichem Schwerpunkt auf Trockengrip. Wobei die Nässeeigenschaften zumindest im Neuzustand etwas besser zu sein scheinen als die des auf dem CSL montierten Michelin Pilot Sport Cup. Etwa so, als hätten die Porsche-Entwickler den Supertest des GT3 als Vorlage genommen, um darauf aufbauend das Lastenheft des RS zu formulieren, erobert der so präparierte 911 GT3 RS in sechs von sieben Supertestkriterien jeweils einen überaus wertvollen Punkt dazu. Er schafft es mit 65 von 70 möglichen Punkten, sich nicht nur deutlich vor den 911 GT3 (59 Punkte) zu positionieren, sondern auch den Herausforderer BMW M3 CSL zu überholen – wenn auch nur knapp mit einem Punkt Vorsprung. Allein in der Disziplin Aerodynamik kann sich der RS nicht signifikant von seinem Bruder GT3 absetzen, weil der gewonnene Abtrieb an der Hinterachse durch das Aufnickmoment zu leicht verstärktem Auftrieb an der Vorderachse führt. Darüber hinaus fällt der Luftwiderstandsbeiwert (cw) durch den Heckflügel geringfügig schlechter aus – 0,30 gegenüber 0,29 beim GT3. Wie segensreich sich umfassende Gewichtsreduzierungen auswirken, wird einem angesichts der Fahrleistungen, die der 3,6-Liter-RS nicht nur in Hockenheim beweist, wieder einmal deutlich vor Augen geführt.
Segensreiche Diät des 911 GT3 RS
In 4,2 Sekunden sprintet die Leichtbau-Variante auf Tempo 100 (GT3: 4,6 s). In 13,5 Sekunden ist die Übung bis Tempo 200 erledigt (GT3: 14,8 s). Infolgedessen lässt der RS seiner gleich starken, zivileren Basisvariante auch im Durchzug keine Chance. In Sachen Höchstgeschwindigkeit herrscht trotz des vermuteten Leistungszuwachses durch die Zwangsbeatmung bei hohem Tempo Gleichstand: 306 km/h. Laut Gangdiagramm würde im sechsten Gang bei ausgedrehtem Motor sogar ein Tempo von 323 km/h anliegen. Aber der etwas schlechtere cw -Wert fordert hier seinen, im Sinne des Fahrspaßes und der Fahrdynamik jedoch unmaßgeblichen, Tribut. In der kombinierten Beschleunigungs- und Bremssprüfung schlägt der RS den zivileren Bruder mit seinem günstigeren Leistungsgewicht (3,6 Kilogramm pro PS) gleich in doppelter Hinsicht. Denn nicht nur im Sprint, sondern auch in der Bremsprüfung positioniert er sich deutlich besser – obwohl auch der GT3 mit Keramik-Bremsscheiben ins Rennen gegangen ist, die bei der Basis allerdings nur gegen Aufpreis zu haben sind (7.830 Euro). Im RS zählen sie selbstverständlich zur Serienausstattung.
Die Bremsverzögerungen, die sich in grandiosen Werten von bis zu 12,8 m/s2 (Anbremszone Schwalbenschwanz/ Nürburgring) niederschlagen, sind neben den Abspeckmaßnahmen demnach eindeutig auch den Sportreifen zuzuschreiben. Die professionelle Handhabung und Funktionalität, die Autos der Marke Porsche im Allgemeinen und der Straßensportler 911 GT3 im Besonderen offenbaren, werden im GT3 RS noch einmal spürbar gesteigert. Das beginnt bei der perfekten Sitzposition und endet bei einer Unnachgiebigkeit und Direktheit im Umgang, wie sie sonst nur im echten Rennfahrzeug erlebt werden können. Sowohl die Härten des Abrollkomforts als auch die auf Dauer ermüdenden, lauten Fahrgeräusche treten selbst bei einem Anflug von Niedergeschlagenheit völlig in den Hintergrund, sobald die Gedanken in Richtung Motorsound, Leistungsentfaltung, Drehfreude, Kraftschluss, Traktion und Fahrdynamik driften. Denn was der Porsche RS diesbezüglich zu bieten hat, bringt jeden in Hitzewallung, der auch nur ein Milliliter Benzin im Blut hat. Das Begeisterungspotenzial lässt sich wie immer am anschaulichsten am Beispiel der Rundenzeiten aufdecken, die auf beiden Rennstrecken – Hockenheim (1.11,8 Minuten) und Nürburgring (7.47 Minuten) – beeindruckende Dimensionen angenommen haben.
Der GT3 RS bleibt auf der Nordschleife locker unter 8 Minuten
So distanziert der Porsche GT3 RS die gleichfalls auf speziellen Sportreifen angetretenen Ferrari Challenge Stradale und BMW M3 CSL auf der Nordschleife um neun, beziehungsweise drei Sekunden. Dem 500 PS starken Lamborghini Gallardo knöpft er an dieser Stelle fünf Sekunden ab, wobei dieser aber im Supertest noch mit Handicap, das heißt ohne Sportreifen, am Start war. Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim herrscht mit 1.11,8 Minuten allerdings Gleichstand zwischen dem italienischen Allradler und der Neuauflage der RS-Legende von 1972. Woraus sich durchaus ableiten lässt, dass die gerade bewiesene Spitzenstellung des RS in seiner Liga nicht unbedingt über einen längeren Zeitraum zementiert sein muss. Auch der Gallardo wird in diesem Jahr – so viel steht fest – dem Trend folgend mit Sportbereifung ins Geschehen eingreifen. Die Leistungen des RS sollen mit diesem Hinweis keinesfalls geschmälert werden. Allerdings bleibt festzuhalten, dass der fahrdynamische Fortschritt selbst vor ausgewiesenen Spitzensportlern, die noch vor kurzer Zeit ganz selbstverständlich die Spitze markierten, keineswegs Halt macht. Der Porsche 911 GT3 , der neben dem RS unverändert im Programm bleibt, ist das beste Beispiel dafür.