Porsche GT2, Lamborghini Gallardo, Ferrari 430
Sie schreien animalisch, ziehen viehisch: Wenn sich Stier und Pferde zum Showdown an der Ideallinie treffen, schlägt der Asphalt Wellen. Ferrari 430 Scuderia, Lamborghini Gallardo LP 560-4 und Porsche 911 GT2 rangeln um die Pole im Supersport-Lager.
Vorurteile halten an Bord des Ferrari 430 Scuderia genau 60 Millisekunden. So lange dauert es, bis sein automatisiertes Sechsgang-Getriebe einen Gang hochschaltet. Ach was, hochschaltet: reinschießt. Die ultraschnelle Schaltbox nennt sich F1 - und fühlt sich auch genauso an. Von wegen Ferrari als Strizzi-Marke gegelter Gockel. Der Mittelmotor-Thriller reißt jeden mit. Selbst Menschen mit ÖPNV-Faible wirken elektrisiert, wenn der durch befreite Atemwege spontanisierte 4,3-Liter-V8 sein Repertoire zeigt: entfesselt hochdreht, ab 6.500 die Schaltlampen am Lenkrad im 500/min- Takt anfeuert, um vorm Furioso jenseits 8.500/min nach Zug an der Karbon- Schaltsense sein mechatronisches Meisterwerk zu vollenden. Ein kurzes Querschläger-Pfeifen, der nächste Gang sitzt, und während man noch staunt, schreit sich das 510-PS-Paket bereits dem nächsten Höhepunkt entgegen. Sauger-typisch effektiv: der Ferrari Scuderia Sauger-typisch effektiv, nie überrumpelnd, höchstens begeisternd. Nockenwellen-Poesie eines Hochoktan-Benebelten, mögen Sie denken. Und liegen falsch, denn der Grat zwischen nüchterner Beschreibung und poetischer Hingabe ist beim Scuderia noch schmaler als sein Grenzbereich. Ähnlich wie beim Lamborghini Gallardo LP 560-4. Schlüpfen Sie mal in Gedanken in die mit gestepptem Leder tapezierte Tempo-Kanzel, drehen imaginär am Zündschlüssel und schließen die Augen: Genauso ist er. Laut, wild, herb. Bereits vor der letzten Intensiv- Überarbeitung des Lambo dürften sich nur chronische Leistungsfanatiker über Blutarmut unter der (gegen Aufpreis transparenten) Motorhaube beklagt haben. Der 560-4 kuriert nun auch den Letzten mit seinem 5,2-Liter-V10: hochdrehzahlaffin, per Direkteinspritzung ver- und freizügiger Auspuffanlage entsorgt. Kaum zu glauben, dass das Drehmomentmaximum erst bei 6.500/min anliegt. 6.500? Da liefert der Biturbo-Boxer des Porsche 911 GT2 bereits seine Spitzenleistung ab, fordert zum Hochschalten auf. Kein Wunder, liefert er doch schon zwischen 2.200 und 4.500/min ein 680-Newtonmeter-Hochplateau. Der alte Turbo-Schlingel. Flüsterleise, aber hocheffektiv lässt sich der Hubraum- David die Verbrennungsluft zufächeln, setzt überdies noch auf eine außergewöhnliche Expansions-Ansauganlage.
Wie beim Standard-Turbo-Elfer mit verstellbaren Laderschaufeln, aber größeren Verdichterrädern gerüstet, liefern die beiden Lader bis zu 1,4 bar Druck ab. Klingt nach permanentem Overboost - und fühlt sich auch so an. Nach einer klitzekleinen Verzögerung hängt der heckgetriebene 1,5-Tonner am imaginären Bungee-Seil, werden schon zarte Biegungen zu Kurven. Etwa auf dem Hockenheimring. Ausgang Sachskurve, rein in die folgende sanfte Links, normalerweise eine Wellness- Passage. Nicht beim GT2 unter Vollgas.
Er versucht die 325er-Michelin zu skalpieren
Der GT2 schiebt, presst, fordert, versucht die 325er-Michelin zu skalpieren. Traktionsfördernde Gewichtsverteilung (60 Prozent hinten), Sperrdifferenzial, Traktionskontrolle sowie klebrige Cup- Gummis hindern ihn daran. Es geht in mächtigen Sätzen vorwärts, unter leichtem Drängen des flügelbewehrten Hecks klatscht der Top-Elfer dem Piloten die folgende Rechts vor die Nase. Fast Forward im dritten Gang. Hart klackt der Schalthebel, imitiert eine Wegverkürzung. Leicht runterbremsen und rein in die Doppelrechts von Senke und Südkurve. Um die 100 km/h, über 1 g Querbeschleunigung. Hinten zischeln die Lader, vorn zirkelt der Pilot mit der vielleicht präzisesten Lenkung der Welt.
Wenig Servo, pur, direkt und mit mechanisch variabler Übersetzung. Damit lässt sich der GT2 sauber auf der gewünschten Linie führen, weich zwischen Eingangsuntersteuern und Leistungsübersteuern changierend. Sicher schnüffelt er mal links und rechts der Ideallinie, bleibt aber stets definiert. Auf der Bremse stabil, überrascht höchstens die Macht des Drehmoments. Bei deaktivierten Stabilisations-Kontrollen (TC und SC) kann daraus schon mal ein Dreh-Moment werden. Das wollte Lamborghini beim neuen Gallardo verhindern und stimmte den 560-4 zunächst betont untersteuernd, bis in hohe Tempobereiche neutral ab - inklusive zickiger Reaktionen am hoch angesiedelten Limit. Gallardo: Nicht schurkig, aber nachdrücklich Nach Kritik und Modifikationen an Dämpfern und Stabis darf der Gallardo nun wieder früher quer, bietet transparenteres Eigenlenken samt Heck-Aktivität. Rein in die Hockenheim-Querspange, rauf aufs Gas, und schon kommt er. Nicht schurkig, aber nachdrücklich. Auch beim Gaswegnehmen will der allradgetriebene Mittelmotor-Sportler zart eindrehen. Runde Fahrweise belohnt er dafür mit hohen Tempi und einem nutzbaren Grenzbereich. Der Gallardo stabilisiert und neutralisiert sich unter Last, gibt sich auf pitschnassen Pisten dank fein regelndem ESP handzahm wie ein Audi TT Quattro.
Auf zerfurchten Strecken rächt sich jedoch der Verzicht auf Adaptiv-Dämpfer, hier wird der 1.574 Kilo-Stier unruhig und tigert, woran selbst das straff abgestimmte Sportfahrwerk des Testwagens wenig ändert. Zu straff? Darüber kann der Ferrari 430 Scuderia nur wiehern. Er, der Meister der Verwandlung. Fünf Programme, schaltbar per Lenkrad-Drehknopf (Manettino), konditionieren Motor und Fahrwerk für Aufgabe und Fahrertalent. Elektronisches Sperrdifferenzial plus Traktionskontrolle leisten Hilfestellung bis hin zum netzlosen Drahtseilakt. Im Höllentempo über die Piste In Stellung "Wet" überwindet er selbst widrige Pisten- und Wetterbedingungen mit Anstand, flößt per softer Dämpfungsabstimmung und entschärfter Gasannahme Vertrauen ein. In Race-Position lässt sich der 1.364-Kilogramm-Athlet dann mit leichter Hand und Höllentempo über Piste und Straße führen, ohne dass unerwünschte Grenzbereich.- Erfahrungen drohen. Scuderia-Besitzer dürfen sogar ungepflegte Holperpisten in ihr Hausstrecken- Portfolio aufnehmen: Das mit Titan-Komponenten und einer 15 Millimeter- Tieferlegung perfektionierte Fahrwerk mit seinen adaptiven Dämpfern kassiert selbst grobe Unebenheiten. Auf der Rennstrecke läuft es dagegen erst nach ein paar Runden flüssig. Schon klar, die Diva zickt. Falsch, der kapriolenfreie Mittelmotor-Renner ist zu gut. Scuderia-Neulinge bremsen zu früh, rollen zu langsam durch die Kurve, gehen zu spät ans Gas, nutzen nur einen Bruchteil des Potenzials. Doch so unterschiedlich wie die drei Kontrahenten starten, so einträchtig passieren sie die Lichtschranke: Die Rundenzeiten sind pari.