Renault Laguna Coupé GT
Den Status des Topmodells unter den Laguna Coupés mit Allradlenkung trägt der 238 PS starke 3.5 V6. Was der 2.0 Turbo mit 204 PS und manuellem Getriebe entgegenzusetzen hat, klärt der Vergleich.
Beim Blick auf die Papierform scheint die Sache klar zu sein: 238 zu 204 PS und sechs statt vier Zylinder. Da kommt dem 3.5 V6 wohl zu Recht die Rolle des Topmodells unter den Laguna Coupés zu - ganz so, wie es von den Marketing-Strategen des französischen Herstellers Renault gedacht ist.
Aber Halt. Ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht: Bleiben bei dieser simplen Sicht der Dinge mit dem Gewicht und der Kraftübertragung doch zwei wesentliche, das fahrdynamische Geschehen erheblich tangierende Punkte gänzlich ungestreift. Punkte, bei denen das leistungsschwächere Turbomodell vergleichsweise gut aussieht: Mit 1.557 Kilogramm bringt der Zweitürer mit Vierzylindermotor exakt 64 Kilo weniger auf die Waage als jener mit dem V6. Außerdem gibt es ihn im Gegensatz zu seinem großen Bruder mit manuellem Sechsganggetriebe, was dem Temperament des Coupés fraglos zugute kommt.
Tatsächlich kann das zum Topmodell erkorene V6-Auto dem 2.0 Turbo dann auch nicht einmal auf der Messgeraden die Endrohre zeigen. Landstraßentempo liegt hier wie dort binnen 7,9 Sekunden an, die 180-km/h-Marke knackt der 3.5 V6 gerade einmal zwei Zehntelsekunden früher als der Zweiliter-Vierzylinder (25,0 zu 25,2 Sekunden). Bei der Elastizitätsmessung, die das Durchzugsvermögen innerhalb eines Ganges beziffert, schlägt das Pendel gar klar zugunsten des Turbos aus: Beim Zwischensprint von 80 auf 120 km/h nimmt das 204-PS-Coupé der 238-PS-Version im sechsten Gang stattliche sechs Sekunden ab. Ein Grund hierfür ist die ellenlange Übersetzung der zwangsweise an den V6 gekoppelten Sechsstufenautomatik, die auch im Alltag nicht generell überzeugen kann.
Schaltstrategien können nur wenig überzeugen
Das kleine GT-Coupé weiß mehr zu überzeugen. Den forschen Tritt aufs Gaspedal bei Überholmanövern quittiert der Schaltautomat mit ausgeprägtem Aktionismus: Wenn es flott vorangehen soll, sieht sich das Getriebe aufgrund der bereits erwähnten Übersetzung gezwungen, ein bis zwei Stufen hinunterzuschalten. Da die Gangwechsel leicht verzögert eingeleitet werden, ist der Gesamteindruck etwas unharmonisch. Im Test konnten die vom Rechner der selbst lernenden Automatik entwickelten "Schaltstrategien" ebenso wenig überzeugen wie das manuelle Fahrprogramm, das diesen Namen streng genommen schon deshalb nicht verdient, weil sowohl der Kick-down-Modus als auch die automatische Anwahl des nächst höheren Gangs bei Erreichen der Drehzahlgrenze erhalten bleiben.
Das im kleinen GT Coupé geschnürte Antriebspaket aus Turbo-Power unter der Haube und manuellem Sechsganggetriebe mit Schaltpunktanzeige weiß da weit mehr zu überzeugen. Die Kraftschlüsse fallen passgenauer, die Fahreindrücke in der Folge deutlich sportiver aus. Allerdings sei empfindsamen Piloten an kalten Wintertagen das Tragen von Handschuhen ans Herz gelegt: Der metallene Schaltknauf ist bei niedrigen Temperaturen nämlich allemal für reichlich frostige Finger gut.
Allradlenkung in beiden Autos
Großes Lob verdient die im Verbund mit der GT-Ausstattung serienmäßige und daher in beiden Autos an Bord befindliche dynamische Allradlenkung. Das bei Renault 4Control genannte System verleiht dem mit 4,64 Meter Länge und 1,81 Meter Breite durchaus stattlichen Coupé einen angenehm kleinen Wendekreis von rund zehn Metern. Oberhalb 60 km/h schlagen die Hinterräder dann nicht mehr in entgegengesetzer Richtung zu den Vorderrädern ein, um die Agilität zu erhöhen, sondern steuern in dieselbe Richtung. Das wirkt den Fliehkräften entgegen und hält das Heck länger sicher auf Kurs. Die mit der aktiven Hinterradlenkung einhergehende direktere Lenkübersetzung der Vorderachse bringt ein anfangs etwas leichtgängig anmutendes, unterm Strich aber sehr direktes und präzises Lenkverhalten mit sich, was sowohl im Alltag als auch bei der Rundenzeitenhatz auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim positive Wirkung zeigt.
Solide Rundenzeiten in Hockenheim
Beide Autos waren im Badischen mit soliden 1.22,1 (2.0 Turbo) beziehungsweise 1.22,0 Minuten (3.5 V6) unterwegs, wobei das einen Tick komfortabler abgestimmte V6 Coupé insgesamt noch eine Spur sanftmütiger agierte als das Vierzylinder-Modell. Für Narrensicherheit im Grenzbereich sorgt das nominell zwar deaktivierbare, jenseits 50 km/h jedoch selbsttätig wieder ins flotte Geschehen eingreifende elektronische Fahrstabilitätsprogramm ESP. Bei den allradgelenkten Modellen erfolgen die Regeleingriffe angenehm sanft und etwas später als bei den Basisvarianten. Entmündigt fühlen muss man sich bei sportlicher Fahrweise also nicht.
Im Alltag fallen das angenehm üppig gehaltene Raumangebot auf allen vier Plätzen und im Gepäckabteil sowie die gefällig anmutende Cockpitgestaltung auf. Langen Reisen würde somit nichts im Wege stehen, wäre da nicht das bei beiden Coupés zu verzeichnende auffallend präsente Abrollverhalten. Leisetreter sind weder der mit Bridgestone Potenza bereifte 2.0 Turbo GT noch der mit Conti SportContact3 angetretene 3.5 V6 GT. Was mit dem Untergrund gerade los ist, lässt sich hier wie dort recht ungefiltert registrieren, was insbesondere im V6 Coupé erstaunt. Scheint doch das Topmodell sowohl in Bezug auf seine etwas weichere Fahrwerksabstimmung als auch mit der wenig sportliche Gefühle vermittelnden Automatik eher auf die komfortorientierte Klientel abzuzielen, was auch den wenig kernig ausgelegten Sechszylinderklang erklären würde.
Schwächen beim Bremsen
Das Sitzgestühl ist bei beiden Autos identisch: bequem und ausreichend konturiert. Auf eine ausziehbare Oberschenkelauflage verzichten die Franzosen auch in dieser Wagenklasse. Ansonsten war bei den Testwagen selbstredend alles an Bord, was in der gehobenen Mittelklasse heute zum guten Ton gehört - von einer den anspruchsvollen Hörgenuss unterstützenden Audioanlage über mattes Aluminium auf der Mittelkonsole bis hin zum Navigationssystem. Auch hinsichtlich Ergonomie und Materialanmutung gibt es nichts zu meckern. In Bezug auf die bei beiden Coupés identisch dimensionierte Bremsanlage hätte man sich insgesamt etwas mehr Biss erhofft. Mit mittleren Verzögerungsleistungen von 10,1 bis 10,5 m/s² operieren die zweitürigen Laguna nur im Mittelfeld. Beim V6-Modell war zudem ab der sechsten Vollbremsung aus 100 km/h eine gewisse Fadingneigung zu verzeichnen.
Hier, wie auch im Slalom, den das Vierzylinder-Coupé mit einer um immerhin einen Stundenkilometer schnelleren Durchschnittsgeschwindigkeit durcheilt, präsentiert sich also der 2.0 Turbo GT als sportlich besser aufgestellt. Die Messwerte unterstützen somit den subjektiven Eindruck, dem gemäß die Fahrfreude im Vierzylinder-Laguna dank Turbo-Motor und manuellem Getriebe größer ausfällt. Die mit 245 km/h minimal höher angegebene Höchstgeschwindigkeit des 3.5 V6 GT dürfte demnach allenfalls hart gesottene Bleifußfahrer mit Hang zu Stammtischgesprächen locken. Alle anderen Coupé-Fans - auch jene mit Blick fürs Wirtschaftliche - dürfte das Gesamtpaket Laguna Coupé 2.0 Turbo GT locken. Schließlich ist der kleinere Benziner bereits ab 34.900 Euro zu haben. Der V6 wechselt erst für 5.000 Euro mehr den Besitzer.
Beide besitzen den GT-Topmodell-Status
Und an der Zapfsäule ist beim 3.5 V6 auch viel früher Schluss mit lustig. Während sich das Topmodell im sport auto-Test auf 100 Kilometer 15,2 Liter Super durch die durstige Kehle rinnen ließ, begnügte sich der Vierzylinder-Turbo im Testmittel mit deutlich moderateren 12,5 Liter auf 100 Kilometer. Da könnte so mancher Sechszylinder-Fan dann doch ins Grübeln kommen. Schließlich sind im Fall des Renault Laguna Coupé 2.0 Turbo GT beim Downsizing nicht einmal optische Einbußen in Kauf zu nehmen: Von den anders gestylten, aber gleich dimensionierten 18-Zoll-Leichtmetallrädern einmal abgesehen, unterscheidet die beiden Benziner äußerlich nichts. Wer auf das Typenschild am Heck verzichtet, kann somit auch im kleinen GT ungestraft den Topmodell-Status reklamieren.