Audi Aicon Concept Car IAA 2017
Mit dem Aicon hat Audi auf der IAA 2017 die Studie eines Reisefahrzeugs mit Autonomie nach Level 5 vorgestellt.
Audi zeigt auf der IAA ein Showcar, das versucht mehr als 15 Jahre in die Zukunft zu blicken. Das große Luxusauto soll elektrisch und autonom fahren – ein Zukunfts-A8?
- Karosserie und Abmessungen
- Interieur des autonomen Autos
- Die Technik des Audi Aicon
- Luxus-Auto zum Kaufen oder autonomes Car-Sharing?
Luxus in Zukunft, das heißt für Audi offenbar Größe: Mit 5,44 Meter Außenlänge überragt der Aicon den neuen Audi A8 L um 15 Zentimeter, die 2,10 Meter Breite verstehen sich ohne Spiegel und der Radstand der 26 Zoll großen Felgen liegt mit 3.47 Meter sogar 24 Zentimeter über dem des neuen Audi A8 in der Langversion. Nur bei der Höhe von 1,51 Meter ist das Bemühen um eine sportliche wirkende Karosserieform zu erkennen. Das ist gelungen: Die flach stehende Frontscheibe, die ausgeformten Radhäuser und das kurze Heck sorgen dafür.
Außerdem haben die Audi-Designer um ihren Chef Mark Lichte die langen Schweller eingezogen und der weit unten angesetzten Fensterlinie im unteren Drittel einen Knick verpasst, was die Fensterfläche deutlich kleiner wirken lässt und den Passagieren einen besseren Blick nach draußen bietet, auch wenn die Scheiben stark abgedunkelt sind.
Interieur des autonomen Autos
Der Aicon hingegen übernimmt die volle Kontrolle über Längs- und Querführung und benötigt in keiner Situation die Hilfe des Fahrers. Bedienelemente wie Lenkrad oder Pedalerie braucht so ein Auto nicht mehr. Und der Aicon hat sie auch nicht mehr. Sein Interieur wirkt eher wie eine Lounge oder wie der First-Class-Bereich im Flugzeug: Zwei luxuriöse, um 50 Zentimeter längs verschieb- und um 15 Grad drehbare Vordersitze und eine ausfahrbare Rückbank warten auf die Reisenden.
Wenn vorne nicht profan chauffiert werden muss, sind dort die Premium-Plätze – wobei die 2+2-Sitz-Konfiguration des Aicon natürlich Concept-Car-spezifisch ist. Aber sie illustriert die Idee von viel Bewegungsfreiheit für die Reisenden, die im Aicon vor allem die lange Reisen von Tür zu Tür absolvieren sollen, von München-Solln nach Hamburg-Osdorf oder von Santa Monica nach San Francisco. Wenn das Auto selbst fährt, so ist sich Mark Lichte sicher, muss es auch in der Lage sein, mit seiner Umwelt zu kommunizieren: Wie schon beim Audi E-Tron Sportback sitzen an der Front Hunderte von LEDs, die mit animierten Grafiken Fußgänger am Zebrastreifen etwa vor im Hintergrund herannahenden Autos warnen können oder sie auf die andere Straßenseite „winken“ sollen.
Head-Up-Winschutzscheibe statt Bildschirm
Die Passagiere blicken nämlich auf eine riesige, aber ziemlich dunkle Windschutzscheibe – dabei sehen sie zwar trotzdem die Außenwelt, aber vor allem blicken sie in einem formatfüllenden Head-up-Display auf Filme, Bilder und Informationen, die sie in einer Menüleiste per Blicksteuerung oder im Dialog mit der virtuellen Assistentin „Pia“, so was wie der Audi-Variante von Amazons Alexa, ausgewählt haben.
Als Zukunftsszenario vielleicht gar nicht so überraschend, aber im Aicon funktioniert das bereits: Obwohl das Eyetracking noch auf die freundliche Audi-Mitarbeiterin justiert ist, kann ich per Blick die Bilder vom letzten Norwegen-Urlaub, die passende Lichtsstimmung und Klimaeinstellung aktivieren.
Fahren die Sitze in die Relax-Position zurück, folgt mir das Touch-Menü im Wrap-Around-Display (ein variables Screen-Feld, das die Passagiere vorn und in den Türen umgibt). Ich kann die vorlaute Pia auf introvertiert, die Musik leiser stellen und ausruhen, ohne dass mich ein Gurt stört. Level 5 soll so viel aktive Sicherheit bringen, dass Rückhaltesysteme entbehrlich werden – Sensoren und Vernetzung vermeiden Unfälle, bevor sie entstehen können.
Die Technik des Audi Aicon
Die Dynamik nimmt künftig offenbar längs ebenso ab wie quer: Aicon-Passagiere sollen zügig reisen, ohne vom rasant Fahren belästigt zu werden. Das aktive Luft-Fahrwerk will vor allem für wenig Karosseriebewegungen sorgen. Elektrisch angetriebene Aktuatoren an allen vier Rädern sollen gezielt jeder Karosserieneigung entgegenwirken, bei der Kurvenfahrt genauso wie beim Beschleunigen oder Bremsen. Das vollaktive Federungssystem soll außerdem die adaptive Luftfederung optimieren. Der Audi Aicon soll selbst über grobe Schlaglöcher buchstäblich hinwegschweben.
Bremsen durch Rekuperation, Wendigkeit dank Allradlenkung
Bremsen will der Aicon hauptsächlich via Rekuperation, um dabei die Batterien wieder aufzuladen. Die Scheibenbremsen haben die Entwickler darum aus den Rädern in eine antriebsnahe Position verlegt. Dies verbessert die Aerodynamik an den Rädern, denn die turbulente Luftkühlung im Rad kann entfallen. Ein weiterer Nebeneffekt: die Reduktion der ungefederten Massen, was wiederum die Passagiere des Aicon als besonders sensibles Anfedern bei Bodenunebenheiten registrieren sollen.
Die Achs- und Antriebseinheiten sind im Audi Aicon symmetrisch – also vorn und hinten identisch ausgelegt. Mechanische Komponenten wie Lenkwelle oder auch die Lenkhydraulik entfallen. Die Wendigkeit für die Fahrt vor jede Haustür, auch in der Innenstadt von Megacities, soll der Aicon dennoch haben: Das Konzept sieht eine komplette Allradlenkung vor, ohne Nachteile für den Bauraum und damit für das Passagierabteil. Trotz des langen Radstands von nahezu 3,47 Meter soll das Auto dank der beiden lenkbaren Achsen enorm wendig sein – den Wendekreis gibt Audi mit nur 8,50 Meter an.
Luxus-Auto zum Kaufen oder autonomes Car-Sharing?
Der Kompromiss zwischen schneller Reise und Manövrierfähigkeit in der Enge der Stadt ist ein Spagat, den der Aicon noch machen muss. Ansonsten glaubt Audi-Chef-Designer Mark Lichte: „Die Autos der Zukunft werden viel spitzer“. Und damit meint er nicht die Form, sondern die Funktion. Lichte ist überzeugt, dass wir künftig mehrere Autos für verschiedene „Use Cases“ nutzen werden, die wir nicht alle besitzen. Mit dem eigenen Stadtwagen täglich zur Arbeit, aber den Flitzer für die Rennstecke oder den SUV für den Ausflug in die Berge buchen wir nur bei Bedarf dazu.
Lichtes Team hat sich so gesehen mit dem Aicon nicht Gedanken um den Audi der Zukunft, sondern um den Luxus-Audi der Zukunft gemacht. Der ultimative Luxus des Aicon ist das komfortable Gleiten und vor allem: das Gefahren-werden. Ein sehr spitzer Anwendungszweck, den niemand ständig brauchen dürfte und bei dem sich die Frage stellt, ob jemand sich einen Aicon in die Garage stellen muss oder ob nicht eine ständig allein fahrende Aicon-Flotte die Zukunft ist. Lichte hofft, ein Design gefunden zu haben, das einen starken Kaufreiz auslöst. Und so gesehen steht auch das Zukunftsauto Aicon für den ganz klassischen Luxus: Sich Dinge kaufen zu können, die man nicht unbedingt braucht.