Besonderer Roadtrip mit einem gemieteten Campervan

Auf dem Highway ist die Hölle los? Von wegen. Im Nordwesten Australiens sagen sich Känguru und Krokodil gute Nacht. Dennoch kann man in dieser menschenleeren Gegend als Mieter eines Campervans sein ganz persönliches Roadmovie erleben.
Sehnsuchtsort Broome – seit der Lektüre eines Romans, in dem die kleine Küstenstadt im Nordwesten Australiens zwar nur eine untergeordnete Rolle spielt, geistern fantasievoll zusammengereimte Bilder in meinem Kopf herum: Meeresrauschen vom Indischen Ozean, pralle Sonne und voller Mond, türkisfarbenes Wasser, weißer Sandstrand, Palmen, rote Erde, bunte Holzhäuser, kauzige Menschen.
Jetzt sind wir auf dem Weg dorthin. In der mit tausend toten Fliegen verschmutzten Windschutzscheibe des Toyota Hiace taucht das Ortsschild von Kununurra auf. Die 5000-Seelen-Gemeinde am Rande der Kimberly-Region ist der letzte echte Zivilisationsposten und bereits so etwas wie eine Metropole in dieser Gegend. Broome liegt nun „nur“ noch 1000 Kilometer vor uns. Dazwischen in erster Linie: nichts und noch mal nichts. Die einzige durchgehend asphaltierte Straße, der Highway 1, zieht sich als wichtigste Lebensader durch die Savannen-, Busch- und Wüstenlandschaft, in unregelmäßigen Abständen sind verstreute Farmen und kleinere Siedlungen angegliedert, zur nächsten Tankstelle sind es mitunter 400 Kilometer. Auf dem Weg bis hierher haben wir feststellen müssen, dass der rustikale 2,7-Liter-Vierzylinder bei flotter Fahrt den 70-Liter-Benzintank überraschend schnell leersaugt. Ein sensibler Gasfuß ist nun also gefragt …
Die Kimberlys sind flächenmäßig größer als Deutschland und die Schweiz zusammen – es wohnen dort aber nur 38.000 Menschen, die Hälfte davon sind Aborigines. Hier sagen sich Fuchs und Hase respektive Känguru und Krokodil gute Nacht. Definitiv kein Urlaubsziel für Partygänger und Ballermann-Urlauber. Und abgesehen vom langen Flug nach Down Under, sollten sich Budget-Touristen Gedanken darüber machen, mit welchem Reisemittel sie diesen abgelegenen Teil von Mutter Erde am besten „erobern“ wollen. Bei der Vorbereitung dieses Trips stand aus verschiedenen Gründen schnell fest: Mit einem gemieteten Campervan soll es von Darwin nach Broome gehen.
Nun sitze ich am Steuer, rechts natürlich, von eben solch einem Gefährt, auf dem Beifahrersitz meine zwölfjährige Tochter, die ihre Sommerferien dazu nutzt, „old Daddy“ auf seinem Trip zu diesem seltsamen Sehnsuchtsort Broome nicht allein zu lassen. Angesichts der Weite und der landschaftlichen wie kulturellen Leere inmitten der Kimberlys merkt auch sie so langsam, dass dies kein normaler Urlaub wie sonst am Mittelmeer ist. Seit Stunden hört sie ihre Musik-Playlist und starrt geradeaus auf die Straße. Radioprogramm gibt es nur in der Nähe von bewohnten Gebieten – also so gut wie nie. Das an die Bordlautsprecher angeschlossene Smartphone sorgt stattdessen für eigenes Entertainment, bestehend aus Teeny-Pop-Hits von 2018 und Hörbüchern. Ab und zu schütteln mächtige Road-Trains beim Vorbeirauschen mit ihrem Luftsog unseren Kleinbus durch, dessen Blattfeder-Fahrwerk alles andere als sportlich-straff ausgelegt ist. Die Karre schaukelt sich jedenfalls bei der kleinsten Bodenwelle auf wie eine Jolle in der Gischt, fängt sich zum Glück aber wieder und findet leicht taumelnd wie ein besoffenes, der Herde folgendes Schaf wieder zurück in die Spur.
Heikel wird es, wenn man mit teils erlaubten 130 Sachen in einen der sogenannten Floodways reinrauscht. Das sind Senken in der Straße, die sich in der Wet-Season als Ablaufkanäle in bis zu über zwei Meter tiefe Wasserfurten verwandeln und die die Strecke auch mal unpassierbar machen können. Aber auch jetzt in der Trockensaison bergen diese Mega-Bodenwellen je nach Fahrzeug und (mangelndem) Fahrkönnen ungeahnte Gefahren – schwarz auf den Asphalt gezeichnete (Ver-)Bremsspuren und verrostete Autowracks weisen häufig in die Richtung, wo so mancher nach allzu forscher Durchfahrt gelandet ist: im Busch. Frage: Warum bauen die Aussies hier keine Brücken? Gegenfrage: Für wen? Lohnt nicht, zu geringe Verkehrsdichte. Als Touri fährt man also besser stets mit allen Sinnen. Zu Hause bewege ich normalerweise nur Kleinwagen, deshalb dauert es eine Weile, bis ich mich an den fünf Meter langen und 2,70 Meter hohen Van gewöhnt habe. Klappt alles eigentlich ganz gut, nur beim Überholen der über 50 Meter langen, manchmal mit drei Anhängern bestückten Giga-Trucks, die einen auf dem mitunter schmalen Asphaltband zu millimetergenauen Überholmanövern zwingen, bekomme ich des Öfteren Muffensausen.
Das Ziel Broome jedoch unbeirrt vor Augen, spulen wir Kilometer um Kilometer ab, fahren von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Bizarre Felsformationen ziehen an uns vorbei, manchmal säumen Buschbrände den Horizont. Leuchtend rote Erde überall, gelbes Spinifex-Gras, vereinzelte grüne Bäume sowie tiefblauer, wolkenloser Himmel bilden ein farbliches Gegengewicht und komplettieren unseren impressionistischen Roadmovie. Kängurus, Aasgeier und gelegentlich entgegenkommende andere Touristen beleben die ansonsten menschenleere Landschaft.
Halls Creek (1500 Einwohner), Fitzroy Crossing (unter 1000 Einwohner) und einzelne Roadhouses bieten Tankmöglichkeiten, die man unbedingt auch wahrnehmen sollte, um nicht bei 40 Grad im Schatten (den man aber vergebens sucht) inmitten des Nichts liegen zu bleiben. Das beruhigende am Campervan: Für den Worst Case haben wir genügend Proviant und Wasser gebunkert und können ja an jeder beliebigen Stelle theoretisch auch kampieren. Was wir bei Einbruch der Dunkelheit auf einem der vielen kostenlosen Stellplätze an bestimmten Picnic-Areas tatsächlich machen. Es ist zwar saukalt (nachts unter zehn Grad Celsius), aber unterm Strich: No worries!
Doch als wir nach der objektiv öden, aber erstaunlich belebenden und faszinierenden Marathonfahrt endlich den Sehnsuchtsort erreichen, geht das Herz auf. Der Badestrand am Cable Beach – in der Tat ein Paradies für Wasserratten. Die Atmosphäre in der Stadt: gelassen, laid back.Unglaublich, wie man nach der wüstenhaften Einöde wieder die Vorteile einer modernen Zivilisation zu schätzen weiß. Supermärkte, tolle Restaurants und Bars, perfekt ausgestattete Campingplätze mit Pool und allem Pimpampum sorgen für ausgelassene Stimmung. Einmalige Sonnenuntergänge, nette Stellplatznachbarn sowie nach der strapaziösen Fahrt ein ausgeprägtes Erholungsbedürfnis überzeugen uns, hier ein paar Tage zu verbringen.
Der Plan geht auf. Relaxt machen wir uns in kürzeren Etappen entlang ausgewählter Sehenswürdigkeiten der Kimberlys und des Northern Territory auf den Rückweg: Geiki Gorge, Bungle Bungles, Mirima Rock Formations, Lake Argyle, Zebra Rock Mine, Gregory National Park, Bitter Springs, Kakadu und Litchfield National Parks, Krokodile, Papageien, Kängurus, einmalige geologische Besonderheiten, mächtige Baobab-Bäume, kristallklare Thermalquellen, erfrischende Wasserfälle – hautnah erlebbare touristische Highlights, die sich nachhaltig einbrennen.
Wieder zurück in Darwin, bleibt uns noch etwas Zeit, in aller Ruhe den Campervan für die Übergabe zu reinigen und uns vom treuen Gefährt zu verabschieden. Am Mindil-Strand sinkt die Sonne in die Timor-See, bei frischem Eistee, Pizza und Crocodile-Burger lassen wir die Reise Revue passieren. Ich frage meine Tochter: „Wo würdest du jetzt am liebsten sein?“ Sie: „Zu Hause. Endlich mal wieder im eigenen Bett schlafen.“ Dann lächelt sie: „Und danach zurück nach Broome.“
Reise-Infos Australien
Vernünftige Flüge (Gesamtreisezeit nicht länger als 25 Stunden) von Deutschland nach Darwin kosten je nach Saison ab 1200 Euro. Spartipp: Nur bis Südostasien (z. B. Singapur, Kuala Lumpur, Bali) Fernflug buchen, dort Relax-Pause einlegen und mit Billigflieger weiter. Das erforderliche Touristen-Visum für die Einreise nach Australien (kostenloses eVisitor Visum Subclass 651) sollte vorab unter www.homeaffairs.gov.au beantragt werden.
Es gibt zwar günstige Greyhound-Busse für Backpacker mit Zelt, die aber spärlich verkehren und meist an wenig reizvollen Orten zu unmöglichen Zeiten stoppen. Mit Miet-Geländewagen (inkl. Dachzelt) kommt man zwar in jeden Winkel der Wildnis, sie sind aber auch teuer (ab ca. 140 Euro/Tag). Und vielleicht weiß auch nicht jeder Naturverbundene die Nähe zu Giftschlangen, Spinnen, Skorpionen und anderem Getier zu schätzen – bevorzugt daher lieber ausgewiesene Campingplätze. Dort könnte man auch mit Zeltausrüstung und preiswertem Rental-Car (ab ca. 40 Euro pro Tag) nächtigen.
Unsere bevorzugte Option: der nur wenig teurere Campervan (ab ca. 50 Euro/Tag). Wir haben über camperdays.de gebucht. Die Vans bieten mindestens zwei Schlafplätze, Herd, Spüle, Kühlschrank, Küchengeschirr und Sitzgarnitur. Die Ausstattung ist vermutlich für deutsche Standards gewohnte Campingbus-Nerds eher spartanisch, Basic-Reisende hingegen fühlen sich luxuriös versorgt. Manche Landschafts-Highlights sind allerdings für 2WD-Campervans nicht erreichbar. Organisierte 4WD- und Bootstouren sind möglich, aber recht teuer. Für die Bungles ein besonderes Erlebnis mit grandiosen Fotoshoot-Möglichkeiten: Hubschrauber-Rundflüge ab ca. 280 Euro ( www.helispirit.com.au)
Campingplätze sind meist sehr gut ausgestattet, in der Hochsaison (August) allerdings auch teuer (für Stellplatz mit Strom bis ca. 40 Euro). Staatlich geführte Plätze in den Parks bieten eher einfache Sanitäranlagen, kosten aber nur ab 10 Euro pro Tag. Direkt am Highway und teilweise auch etwas abseits davon finden sich zudem ausgewiesene, kostenfreie Stellplätze an Picnic-Areas mit einfachen Plumpsklos – voll okay für einen Nachtstopp. In größeren Städten wie Darwin, Katherine, Kununurra und Broome kann und sollte man sich in Supermärkten eindecken. Lebensmittel sind etwas teurer als in Deutschland. Snackbars, Cafés und Restaurants finden sich überall entlang der Strecke an Roadhouses und auch in kleineren Orten, wenngleich die Distanzen dazwischen bis zu 400 Kilometer betragen können.
In dieser Region fast nur in der Trockenzeit von Mai bis September möglich, da wichtige Strecken in der Wet-Season wetterbedingt mitunter gesperrt sind.
Der umfangreiche Reiseführer „Australien – Westen und Zentrum“ von Veronika Pavel aus dem Reise Know-How Verlag (23,50 Euro) hat sich auf Tour sehr bewährt.