So geht Stellplatz - Reportage
Dass ein Reisemobilstellplatz ein Wohlfühlort ist, das ist keine Selbstverständlichkeit. promobil hat sich einen Tag lang an die Fersen eines beliebten Stellplatzbetreibers geheftet. Folgen Sie uns auf den Reisemobilhafen Bad Dürrheim.
Gerade noch rechtzeitig treffen wir an diesem frühen Vormittag in Bad Dürrheim im Schwarzwald-Baar-Kreis ein, um ein Foto von dem dicken Gas-Lkw zu schießen. Andreas Bertsch, der 28-jährige Chef des Reisemobilhafens, verstaut mit seinem Onkel Martin Bertsch die Flaschen hinter der Rezeption.
„Im Winter“, erklärt Martin, „kommt der Gasmann täglich.“Ein Fahrer bringt den vollen Lkw und fährt mit dem leeren (der am Vortag noch voll war) zurück. Verkauft wird oft direkt von der Ladefläche weg. Die Preise sind marktüblich.
07:00 Ab sieben Uhr ist immer mindestens einer der beiden Bertschs vor Ort, um 300 bis 400 Backlinge in den Ofen zu schieben. „Die frisch gebackenen Brötchen sind bei uns der Renner!“ Martin bestückt Tüten, bald strömen die ersten Abholer in die Rezeption.
Einige Brötchenholer interessieren sich auch für die diversen Helferlein, die im Rezeptionsvorraum ausgestellt sind – zum Beispiel die Flat-Jack-Reifen-Luftkissen, mit denen sich der Niveauausgleich bequem bewerkstelligen lässt. Sanitär- und Reinigungsprodukte sind ebenfalls zu haben, weiterhin auch Andersen-Shopper, vielseitige und nützliche Transportwägelchen. Füllen lassen sich diese dann direkt mit dem daneben feilgebotenen Rapsöl oder der feinen Konfitüre aus der Region. „Schon seit ich denken kann,sind meine Eltern selber mit dem Reisemobil unterwegs, und ich bin quasi im Alkoven aufgewachsen. Da kriegt man schon mit, worauf es beim mobilen Leben ankommt“, lächelt Andreas.
07:30 Von halb acht bis elf Uhr öffnen die Bertschs die Rezeption – nachmittags noch einmal von vier bis fünf – , da wollen vor allem die Neuankömmlinge bedient werden. Ihr Job: Personalien aufnehmen, Meldeformulare ausfüllen, Gästekarten ausstellen, Preise erläutern, kassieren, Platzaufteilung und Einrichtungen erklären, auf Regeln hinweisen, wertvolle Tipps zu Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten, Wander- und Fahrradwegen geben, Brötchenbestellungen aufnehmen und tausend Fragen der Gäste beantworten.
Und was tut ein Stellplatz.etreiber sonst noch so den lieben langen Tag? Für Andreas kommt es dick heute, denn auf neun Uhr hat sich die Spedition angemeldet, die Metallteile für seine Einbauregale liefert ( siehe unten). Also flugs ins Auto gestiegen und zum 15 Minuten entfernten Wohnhaus gefahren, damit der Spediteur nicht warten muss.
09:15 Gekonnt hievt Andreas mit dem betagten gelben Gabelstapler die auf Paletten ruhenden Pakete aus dem 18 Meter langen Sattelzug, der sich ins Wohngebiet gezwängt hat. Jeder Packen wiegt rund 500 Kilogramm, und insgesamt bewegt Andreas in dieser halben Stunde mehr als zwei Tonnen an Aluminiumschienen. Er setzt die Pakete vor dem Garagentor ab, prüft kurz ihren Inhalt, unterschreibt die Quittung. Nachher wird er die Teile auspacken, sortieren und in seiner Werkstatt einlagern.
Ein Familienbetrieb in allen Bereichen
10:30 Wir haben unterdessen die Gelegenheit, einen Blick ins Büro im Bertsch’schen Wohnhaus zu werfen. Das kleine Reich teilen sich Andreas’ Mutter Heidi Bertsch und Schwiegermutter Pirko Winterhalter. Sie beantworten freundlich Anfragen aller Art per Telefon und Mail, nehmen Reservierungswünsche entgegen, vereinbaren Regal-Termine.
Alles, was den Stellplatz betrifft, wird von hier aus verwaltet, seien es Bestellungen wie die frischer Backlinge oder neuer Gasflaschen, sei es die vorschriftsmäßige Ablage der Meldeformulare samt Abrechnung der Kurtaxe; Rechnungen und Gutscheine müssen ausgestellt werden, Bestellungen im Online-Shop bearbeitet, Lieferantenrechnungen beglichen, Kontoführung und Buchhaltung erledigt werden.
Heidi und Pirko werten die Meldeformulare auch statistisch aus. So erfahren wir zum Beispiel, dass die durchschnittliche Verweildauer auf dem Platz rund drei Nächte beträgt, dass im Sommer vermehrt Familien zu Gast sind, ebenso Besucher aus Frankreich, Italien, Belgien und der Schweiz. „Mit 40 Prozent machen die Schweizer einen erheblichen Anteil an unseren Gästen aus“, freut sich Heidi. Wenn es um die Pflege der Homepage geht, ist wieder Andreas gefragt. Und es packt auch Vater Michael nach Kräften überall mit an, wo Not am Mann ist. Bei unserem Fototermin konnte er leider nicht anwesend sein.
2002 hatte der gelernte Elektriker Michael Bertsch, damals technischer Leiter des Thermalbads Solemar, den bis dato infrastrukturfreien Stellplatz für 30 Mobile erweitert und mit Stromanschlüssen sowie einer Ver- und Entsorgungseinrichtung aufgewertet. In den Folgejahren nahm die Anlage unter seiner Leitung einen stetigen Aufschwung. Heute können auf fünf Platzteilen insgesamt bis zu 418 Mobile stehen, Strom ist überall vorhanden, ver- und entsorgen kann man an zwei Stationen. Wenn die Ausweichflächen mitgenutzt werden, kommen sogar über 700 Fahrzeuge unter, an mobilen Stationen mit Strom versorgt. „ Stellplatz.Notstand? Den kennen wir hier nicht“, schmunzelt Andreas und packt einen Stapel folierter Reservierungsbögen unter den Arm.
Auf Sanitäreinrichtungen direkt am Platz wird nach wie vor bewusst verzichtet: „Eine Toilette hat doch jeder Reisemobilist an Bord, und wer gemütlich duschen will, muss nur die paar Schritte ins Solemar gehen. Das nehmen unsere Gäste in der Regel in Kauf, zumal der Thermen-Eintritt im Stellplatz.reis ja schon enthalten ist“, ist sich Bertsch sicher. Zugleich macht der ausgebildete Industriekaufmann deutlich, dass Erstellung und Pflege eigener Sanitäreinrichtungen die Stellplatz.ebühren unverhältnismäßig in die Höhe treiben würden.
13:30 Nach kurzer Mittagspause in einem Bistro auf halbem Weg sind wir wieder auf dem Stellplatz. Fürs Foto steigt Andreas auf den Rasentraktor, wechselt eine LED-Birne, kontrolliert einen Sicherungskasten und einen WLAN-Sender. Natürlich sind genau diese Arbeiten nicht jeden Tag fällig, „aber“, sagt Andreas, „hier gibt’s immer was zu tun“, und verschwindet kurz mit einem Gast, der ein Problem mit seinem Fahrzeug hat. Klar, dass ein rund 20 Hektar großes Areal eine Menge Arbeit macht, nur um in Schuss gehalten zu werden. „Unser nächstes großes Projekt ist eine schönere gärtnerische Gestaltung“, stellt Andreas in Aussicht.
14:15 Mit den Reservierungsbögen aus dem Büro eilt er über den Platz und bringt einen nach dem anderen mit Kabelbindern an passenden Stellflächen an, wobei er Platzierungswünsche möglichst berücksichtigt: „Der eine will nah am Solemar stehen, der andere auf dem hundefreien Platzteil, der dritte am liebsten ganz am Rand mit Blick ins Grüne.“ Zugleich checkt er stichprobenartig, ob auch alle brav ihre Anmeldekarte hinters Fenster gesteckt haben – und sammelt nebenbei Dinge ein, die die Gäste eigentlich selbst hätten in den Müll werfen können ...
15:00 Andreas schaut auf die Uhr: Es ist Zeit für den nächsten Regaleinbau. Brigitte und Peter-Paul Misiak aus Celle haben die beidseitig geöffnete Heckgarage ihres Hymer Exsis-i perfekt auf- und ausgeräumt, picobello gereinigt und stehen schon erwartungsvoll vor ihrem Mobil. Routiniert macht sich Andreas ans Werk – 360-mal hat er das im Verlauf der letzten zwölf Monate getan –, und nach kaum mehr als 15 Minuten können die Misiaks ihr neues Regal einräumen.
16:00 Andreas eilt, um die Rezeption zu öffnen. Später wird er noch eine Heckgarage ausmessen und schließlich abends in seiner Werkstatt die Regalteile konfektionieren.
Regale nach Maß für die Heckgarage
Kein Stellplatz gleicht dem anderen. Der Blick hinter die Kulissen des Reisemobilhafens Bad Dürrheim ist insofern nur ein Beispiel unter vielen möglichen. Erfolg als Betreiber hat, wer mit den Gegebenheiten vor Ort klug und kreativ umgeht und die Bedürfnisse seiner Gäste gut einschätzt. Wenn einer dann noch mit so viel Freude und Elan sein Geschäft betreibt wie Andreas Bertsch und sein Familien-Team, dann ist das ein Glücksfall für alle Beteiligten.
An pfiffigen Ideen herrscht kein Mangel bei der Familie Bertsch. Vater Michael und Sohn Andreas haben schon vor ein paar Jahren ein Regalsystem ausgetüftelt, das mittlerweile in vielen hunderten Reisemobil-Heckgaragen für Ordnung und verbesserte Nutzung der dort vorhandenen Staukapazitäten sorgt – und zwar individuell angepasst an die jeweiligen Platzverhältnisse und Bedürfnisse.
Der Clou dabei: Andreas Bertsch garantiert den Einbau innerhalb von 24 Stunden. In der Praxis funktioniert das so: Wer sich für ein Regal entscheidet, vereinbart einen Termin, bei dem Bertsch Maß nimmt und die gewünschten Dimensionen mit dem Kunden abspricht. Während Letzterer ein paar entspannende Stunden im Solemar und eine Nacht auf dem Stellplatz verbringt, macht sich Ersterer in der heimischen Werkstatt daran, die eloxierten Aluminiumprofile entsprechend abzulängen, die Schraubverbindungen vorzubereiten und die freien Schnittflächen mit Kunststoffkappen zu schützen.
Anderntags liefert er das teilmontierte System samt der gewünschten Anzahl an Kunststoffboxen direkt an den Stellplatz und baut die Streben vollends zusammen. Weil die senkrechten Streben des Regalsystems in der Mobilgarage lediglich zwischen Boden und Decke mittels Rändelschrauben fest verklemmt werden, muss am Mobil selbst nichts gebohrt, geschraubt oder verklebt werden. Auch ist ein Ausbau, etwa zu Reinigungszwecken, jederzeit mit wenig Aufwand möglich.
Unterdessen hat manch ein frischgebackener Regalbesitzer Geschmack am Solemar und anderen Attraktionen der Region gefunden und verlängert seinen Aufenthalt um ein, zwei Tage...
Das Wellness- und Gesundheitszentrum
Eine Hand wäscht die andere: Das darf bezüglich der Kooperation zwischen dem Reisemobilhafen und dem Wellness- und Gesundheitszentrum Solemar in Bad Dürrheim fast wörtlich genommen werden. Das Bad residiert in der Huberstraße 8, der Stellplatz in der Huberstraße 34 – macht nur wenige Minuten Fußweg vom Reisemobil bis zur Badkasse. Zwei Drei-Stunden-Tickets für die Therme kosten regulär für Erwachsene 25 Euro – und sind im Stellplatz.reis von 14 Euro inklusive Kurtaxe bereits enthalten. Das macht den Stellplatz sehr attraktiv, andererseits profitiert das Bad von den mächtigen Übernachtungszahlen auf dem Reisemobilhafen: Rund 55.000 waren es im Jahr 2017. Mehr Infos: Solemar
Hinter den Kulissen
Dieser Artikel ist Teil aus unserer Reportage-Reihe, in der wir zeigen, wie die Freizeitfahrzeug-Branche arbeitet.