Die Wirtschaft boomt, doch Löhne stagnieren

Deutschland geht es bestens. Dies sagen zumindest die aktuellen Zahlen. In Deutschland ansässige Unternehmen verkünden Woche für Woche neue prognostizierte Rekordumsätze. Den deutschen Fiskus dürfte dies aufgrund höherer Steuereinnahmen freuen. Nur die Arbeitnehmerschaft profitiert allem Anschein nach nicht. Erstmals seit 2011 droht die Inflation die durchschnittliche Lohnsteigerung einzuholen. Nur vereinzelt sind Branchen nicht betroffen.
Eigentlich könnte es ja gar keine besseren Nachrichten zum Jahresende geben. Der deutschen Wirtschaft geht es so gut wie lange nicht. Die Exportzahlen steigen und auch in der Industrieproduktion herrscht nahezu Vollauslastung. Die Konjunkturprognosen wurden 2017 monatlich neu angepasst – und immer mit besseren Zahlen. Die Wirtschaftsleistung könnte Ende des Jahres um zwei Prozent steigen. Dies wäre der beste Wert seit 2011, obwohl die Bundesregierung in ihrem Jahreswirtschaftsbericht aus dem Januar nur von einem Wachstum von 1,4 Prozent ausgegangen war.
Viele Experten befürchten deswegen bereits eine Überhitzung der deutschen Wirtschaft und sehnen schon fast eine Rezension herbei bzw. Abwärtsimpulse aus dem Ausland. Andere Fachleute verweisen hingegen auf die deutsche Lohnentwicklung. Zwar haben die Bruttoverdienste die Verbraucherpreise in den letzten zwei Jahren überflügelt, aktuell sieht es aber gänzlich anders aus.
Löhne und Gehälter werden aller Voraussicht nach dieses Jahr um 2,4 Prozent ansteigen. Was gut klingt, erscheint bei etwas näherer Betrachtung aber gar nicht mehr so viel. Denn zugleich steigen die Verbraucherpreise um 1,7 Prozent. Damit bleibt den deutschen Arbeitnehmern gerade einmal ein Kaufkraftplus von 0,7 Prozent, aktuellen Prognosen zufolge soll sich dies auch 2018 nicht großartig ändern. Experten machen unter anderem die Digitalisierung dafür verantwortlich.
Wenn die Maschine zur Konkurrenz wird
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, gab jüngst bekannt: „Wir nähern uns dem Zustand der Vollbeschäftigung.“ Wenn es in der deutschen Wirtschaft so weitergeht wie bisher, dürfte die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland schon bald auf das Rekordhoch von 45 Millionen steigen. Für 2018 würde dies ein Arbeitsvolumen von 60 Mrd. Stunden bedeuten. Das gab es hierzulande noch nie. Aktuellen Hochrechnungen zufolge sollen in Deutschland sogar weniger Menschen auf Jobsuche sein als im Land des Wirtschaftsprimus, den USA. Experten gehen davon aus, dass sogar eine große Anzahl der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden kann, weil die notwendigen Stellen vorhanden sind.
„All diese Zahlen kümmern den einzelnen Arbeitnehmer aber natürlich herzlich wenig, wenn dieser sich am Ende von seinem Gehalt weniger leisten kann als die Jahre zuvor und er selbst notwendige Anschaffungen über einen Kredit finanzieren muss“, erklärt der Kreditgeber von sofortkredite-24.com. Hinzu kommt ein gänzlich anderes Problem: die Digitalisierung bzw. Mechanisierung von Arbeitsprozessen, durch die viele Arbeitnehmer schon bald den Verlust ihres Arbeitsplatzes befürchten. Ganz so ist es aber nicht, denn Technologiesprünge sollen auch Neubeschäftigung ermöglichen.
Zwar prognostiziert der Industrie-Soziologe Knut Tullius von der Universität Göttingen, dass circa 12 bis 15 Prozent aller Arbeitsplätze durch die Digitalisierung und Industrieroboter bedroht sein könnten, er verweist allerdings auch auf die achtziger Jahre, in denen viele Menschen meinten, der Computer könnte den Menschen den Arbeitsplatz schon bald streitig machen. Am Ende kam es jedoch ganz anders. Allerdings bleibt nicht zu vergessen, dass neue Techniken auch neue Aus- und Weiterbildungen einfordern, die gerade ältere Menschen überfordern könnten.
Lohndumping von Arbeitgebern immer häufiger registriert
Doch damit noch nicht genug der Probleme für die deutsche Arbeiterschaft. Denn trotz der gesetzlichen Einführung des Mindestlohns kann längst nicht jeder Arbeitnehmer darauf vertrauen, mindestens 8,84 Euro in der Stunde zu erhalten. Dies liegt vor allen Dingen an den Lohndumping-Tricks vieler Unternehmer. Im ersten Halbjahr 2017 wurde über 2.400 Mal wegen Nichtzahlung des Mindestlohns ermittelt. Das ist im Vergleich zum ersten Halbjahr 2016 eine Steigerung um 40 Prozent. Und es gibt noch weitere illegale Tricks, wie Unternehmer die Löhne ihrer Angestellten drücken:
- Unbezahlte Überstunden: Geleistete Überstunden werden nicht ausbezahlt.
- Freie Mitarbeiter: Feste Mitarbeiter werden genötigt, ihrer bisherigen Tätigkeit fortan als freie Mitarbeiter nachzugehen, andernfalls droht ihnen ein Rauswurf. Bei freien Mitarbeitern gilt der Mindestlohn nämlich nicht.
- Unrealistische Zeitangaben: Unternehmer kalkulieren für Tätigkeiten zu wenig Zeit. Wird die Arbeit nicht im vorgegebenen Zeitraum erledigt, zahlt der Arbeitgeber ganz einfach nicht.
- Trinkgeld wird angerechnet: Vor allen Dingen in der Gastronomie verrechnen Arbeitgeber die Trinkgelder oft mit dem Gehalt.
Aus Angst den Job zu verlieren, verzichten viele Arbeitnehmer auf rechtliche Schritte bzw. Klagen gegen den eigenen Arbeitgeber. Der Arbeitsrechtler Alexander Bredereck erklärt diese Sorge aber für unbegründet und verweist darauf, dass betroffene Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, anonyme Klagen einzureichen.
Eine andere Möglichkeit ist die Mindestlohn-Hotline. Beim „Bürgertelefon“ können sich Bürger nicht nur Informationen zum Thema Mindestlohn einholen, sondern auch Verstöße gegen das Lohnrecht melden. Die zuständigen Mitarbeiter setzen daraufhin die Hauptzollämter in Kenntnis, die wiederum die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ kontaktieren.
Nicht alle Branchen von geringer Lohnsteigerung betroffen
Allerdings gibt es für die Arbeitnehmerschaft auch Positives zu vermelden – zumindest für einige Berufsgruppen. Dies betrifft Angestellte in der Gesundheitsbranche, im Chemiesektor sowie in allen Bereichen der Hochtechnologie. Hier liegt die Lohnsteigerung nämlich auf einem überdurchschnittlichen Wert von 2,7 Prozent.
Doch überdurchschnittliche oder mäßige Lohnsteigerungen sagen noch nichts darüber aus, wie zufrieden oder eben unzufrieden Arbeitnehmer mit ihrem Gehalt sind. Blickt man auf aktuelle Umfragen des Portals kununu, so zeigt sich, dass man vor allem im Süden und Westen mit seinem Gehalt zufrieden ist, ganz anders als im Osten des Landes.
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Nicht immer versprechen deutsche Großstädte einen besseren Lebensstandard.
- Hohe Gehaltszufriedenheit in:
Frankfurt, Stuttgart, Bielefeld, Münster, Wuppertal, Bonn, München
- Unzufriedenheit mit dem Gehalt in:
Duisburg, Leipzig, Bremen, Dresden, Berlin
Schaut man auf die Branchen, bestätigt sich, was man erwarten konnte. In zukunftsorientierten Branchen wie der Energiewirtschaft, dem Beratungs- oder Finanzsektor herrscht die höchste Zufriedenheit mit der Bezahlung vor. In anderen, oft nicht technologie-orientierten Berufen aus dem Kultursektor oder dem Handwerk herrscht hingegen große Unzufriedenheit mit dem persönlichen Lohn.