Provisionsabgabeverbot
Schließt ein Versicherungsvermittler mit seinem Kunden einen Vertrag ab, so darf er von der daraus hervorgehenden Provision seinem Kunden nichts abgeben - so besagt es eine 1934 vereinbarte Regelung. Das Provisionsabgabeverbot ist weltweit einmalig und findet sich so in keiner anderen Dienstleistungsbranche wieder. Der Verbraucher würde von Abschaffung des Verbots eigentlich profitieren, doch die Versicherungslobby wehrt sich vehement gegen den Wettbewerb.
Weder Transparenz noch Sondervergütungen für Kunden
Die meisten Versicherten haben gar keine Ahnung, dass in der Prämie, die sie an ihre Versicherung zahlen, Provisionen an ihren Vermittler enthalten sind. In jedem anderen Dienstleistungsbereich sind Auftraggeber und -nehmer frei darin, die Bezahlung für die getane Arbeit miteinander auszuhandeln. Wird eine Versicherung erfolgreich vermittelt, so darf der Makler jedoch nichts von seiner Prämie abgeben. Viele fordern, dass Teile der Abschlussprovision an den Kunden zurückgegeben werden dürfen. Einzelne Firmen haben auch ein Geschäftsmodell entworfen, das eben diese Teilung der Vermittlungsprovision enthält. Laut Provisionsabgabeverbot ist diese Form von Versicherungsvermittlung jedoch illegal: Das Verbot untersagt es den Vermittlern, ihren Kunden Sondervergütungen zu gewähren.
Woher kommt das Verbot?
Es mag schon eigenartig erscheinen, dass eine solche Regelung in der Versicherungsbranche einzigartig ist. Deutschland steht mit seinem Provisionsabgabeverbot völlig allein zwischen allen anderen Staaten. Dass diese Vorschrift noch aus dem Jahr 1934 stammt, macht sie nicht weniger anfechtbar. Dabei gab es in den letzten Jahren immer wieder Schritte, die auf die endgültige Abschaffung hinzuführen schienen. Schon 2012 erklärte das Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main das Verbot als verfassungswidrig, 2017 wurde es jedoch noch einmal neu bekräftigt.
Im August 2017, kurz vor der Sommerpause und kurz vor der Bundestagswahl, sicherte die GroKo das Verbot noch einmal gesetzlich. Die Motivation dahinter war wohl die Gefahr, abgewählt zu werden, und dass neue Regierungsparteien die endgültige Abschaffung der Regel durchsetzen könnten. Denn die Grünen hatten einen entsprechenden Gesetzesentwurf bereits vorgelegt. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) wusste dies offenbar zu verhindern. Der Erfolg des Lobbyverbands zeigte sich an dem Gesetz, das CDU/CSU und SPD noch zügig abschlossen. Der Tagesspiegel berichtete erst kürzlich darüber.
Nachteil der Verbraucher
Die deutsche Versicherungsbranche wehrt sich vehement gegen den Wettbewerb mit neuen Anbietern, die durch einen geringeren Provisionsanteil Kunden anlocken wollen. Das Provisionsabgabeverbot wird von vielen Seiten hinterfragt, scheint eine Abschaffung doch schließlich viele Vorteile für den Verbraucher mit sich zu bringen. Nicht jeder Kunde benötigt gleich viel Beratung. Manche Verbraucher sind bereits gut informiert und haben eine gute Ahnung davon, was sie wollen. Ihnen die gleich hohen Beratungsprovisionskosten aufzuzwingen, scheint Verbraucherschützern ungerecht. Eine Abschaffung des Verbots könnte dem Kunden mehr Transparenz und Mitbestimmung einbringen.
Alternative Geschäftsmodelle
Manche Start-Ups haben sich diesem Wunsch der Verbraucher angepasst: Nach ihren Geschäftsmodellen erhält der Kunde mehr Transparenz über seine Provision, oder wird sogar daran beteiligt. Die Vermittlungswebseite 'kinder-privat-versichern.de' zahlt Beiträge an Tippgeber, die ihre Expertise im Bereich Kinderkrankenversicherungen an andere weitergeben. Mit ihrem Tippgeber-Modell wirbt die Firma offen - und dafür wurden die Unternehmer von der Konkurrenz angezeigt. Ähnlich erging es dem jungen Versicherungsportal 'GoNetto': Das Start-Up verzichtet gänzlich auf Provisionen, nimmt von seinen Kunden lediglich einen Euro Verwaltungsgebühr im Monat ein. Überträgt eine Kunde seine Verträge an GoNetto, so erhält er selbst die Bestandsprovisionen. Der BVK zeigte das Versicherungsportal daraufhin bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wegen Verstoßes gegen das Provisionsabgabeverbot an.
Interesse der Lobby an dem Verbot
Befürworter des Verbots argumentieren, dass es zum Verbraucherschutz diene: Ohne das Verbot bestehe die Gefahr, dass nur noch ein möglichst hoher Rabatt bei der Versicherung angestrebt und eine Optimierung des Versicherungsschutzes zur Nebensache wird. Mögliche Fehlanreize sollten vermieden werden. Der BVK argumentiert, dass zwischen Vertretern und Maklern keine Konkurrenz bestehen dürfe, die Frage dürfe nicht sein, wer am meisten abgibt. Wichtig sei schließlich, dass die Qualität im Sinne des Verbrauchers gesichert ist. Damit der Kunde auch in Zukunft das Produkt nimmt, das für ihn am besten ist, sollte er nicht durch einen möglichen Provisionsanteil zu Fehlentscheidungen verlockt werden. Der Vermittler fungiere als Anwalt zwischen dem Kunden und dem Versicherer, dieser Aufgabe könne er ohne das Provisionsabgabeverbot nicht zuverlässig nachkommen.
Die Berufung der Verbotsbefürworter auf den Verbraucherschutz wird von vielen Seiten kritisiert. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen vermutet, dass es eher darum gehen könnte, das eigene Geschäft zu schützen. Für die Versicherungslobby geht es schließlich um sehr viel Geld. Allein für Lebensversicherungen wurden im Jahr 2017 insgesamt 4,7 Milliarden Euro an Provisionen bezahlt. Wer sich aktuell nach der Dieselaffäre über den großen Einfluss gewundert hat, den die Automobillobby auf die Regierung auszuüben scheint, dürfte zur Macht der Versicherungsbranche bloß noch den Kopf schütteln.