Fäkalien im Meer – Urlaub durch Brechdurchfall nutzlos

Sonne, Strand und Meer – für die meisten Urlauber unverzichtbare Elemente für ihre Traumreise. Ärgerlich ist es, wenn der wohlverdiente Erholungsurlaub zum Horrortrip wird. Genau diese Erfahrung musste eine deutsche Familie machen, die ihren Sommerurlaub im August 2014 in der Türkei gebucht hat. Jedoch verlief dieser Urlaub alles andere als entspannt und erholsam.
Badeurlaub in Side gebucht
Ein Familienvater buchte für August 2014 für sich, seine Frau und die beiden 6- und 11-jährigen Kinder einen 14-tägigen Badeurlaub. Dieser sollte vom 14.08.2014 bis zum 27.08.2014 in einem 5-Sterne-Hotel in der Türkei stattfinden und kostete insgesamt 6143 Euro.
Das gebuchte Hotel hatte einen hoteleigenen Strandabschnitt und bot seinen Besuchern speziell Bade-, Strand- und Erholungsurlaub.
Am ersten Urlaubstag erkrankt
Ihren ersten Urlaubstag, den 14.08.2014, verbrachte die gesamte Familie am Strand bzw. im Meer.
Noch am selben Abend erkrankte die 6-jährige Tochter an Brechdurchfall. Am nächsten Tag, dem 15.08.2014, erkrankte der 11-jährige Sohn der Familie, am 17.08.2014 die Frau und am 18.08.2014 schließlich auch noch der Mann an einem schweren Brechdurchfall.
Später stellte sich heraus, dass allein in diesem Hotel 129 Personen an Brechdurchfall erkrankt waren und sogar eine größere Anzahl Einheimischer an dieser Krankheit litt. Am 18.08.2014 verlangte der Familienvater von der örtlichen Reiseleitung Abhilfe.
Familie im Krankenhaus und in neuem Hotel
Nachdem der Hotelarzt die Familie am 18.08.2014 untersucht hatte, wies er alle vier am 19.08.2014 in ein Krankenhaus ein. Dort wurde, wie erwartet, eine akute Gastroenteritis diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Reiseleitung immer noch nicht vor dem Baden im Meer gewarnt.
Am 20.08.2014 wurde ein Schreiben ausgelegt, dass es in der örtlichen Kläranlage einen technischen Defekt gebe, aber trotzdem nur geklärte Abwässer ins Meer gelangten, und es zu keiner Gesundheitsgefährdung komme.
Um wenigstens noch ein wenig Urlaub genießen zu können, rief der Mann am 21.08.2014 bei seinem Reisebüro in Deutschland an und bat um eine Umbuchung in ein anderes Hotel. Zusätzlich übergab er der örtlichen Reiseleitung ein Schreiben, in dem er darauf hinwies, dass seine komplette Familie seit dem 15.08.2014 unter einer Magen-Darm-Grippe leide.
Am 22.08.2014 wurde die 4-köpfige Familie in ein anderes Hotel in Belek umgebucht. Die für die Taxifahrt entstandenen 60 Euro und den Aufpreis für das neue Hotel i. H. v. 276 Euro zahlte der Familienvater zunächst selbst.
Reisepreisminderung und Schadensersatz
Zurück in Deutschland wollte der Mann vom Reiseveranstalter eine angemessene Minderung sowie Schadensersatz für nutzlos aufgewandte Urlaubszeit und Ersatz materieller Schäden, die er mittels Anwaltsschreiben vom 03.09.2014 unter Fristsetzung bis 17.09.2014 einforderte.
Als der Reiseveranstalter nicht auf das Schreiben reagierte, reichte der Mann schließlich erfolgreich Klage beim zuständigen Landgericht Köln ein.
Minderung möglich
In ihrem Urteil stellten die Richter fest, dass der Mann einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises i. H. v. 3949,07 Euro nach den §§ 346 Abs. 1, 651d Abs. 1, 638 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat. Eine Magen-Darm-Erkrankung stellt tatsächlich einen Reisemangel dar.
Da die Reise durch die Erkrankung aller Familienmitglieder in ihrer Tauglichkeit gemindert wurde, kann der gesamte Reisepreis gemindert werden. Dies gilt auch dann, wenn das Wasser durch den Defekt einer örtlichen Kläranlage verunreinigt wurde und nicht der Reiseveranstalter selbst Verursacher des Reisemangels war.
Außerdem hat das Reiseunternehmen selbst den Defekt der örtlichen Kläranlage als Auslöser für die große Anzahl an Magen-Darm-Erkrankungen angenommen.
Der Mann hatte das Abhilfebegehren gemäß § 651d Abs. 2 BGB schriftlich formuliert und auch die Ausschlussfrist nach § 651g Abs. 1 BGB eingehalten, sodass er einen Anspruch auf Reisepreisminderung i. H. v. 3949,07 Euro hat.
Schadensersatzanspruch für verschiedene Ausgaben
Die Richter urteilten, dass der Familienvater zusätzlich Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB i. H. v. 341,75 Euro für Rezeptgebühren, Taxikosten in das neue Hotel und Mehrkosten für das neue Hotel vom Reiseveranstalter verlangen kann.
Dies gilt insbesondere, da der Reiseveranstalter ungefähr seit 04.08.2014, also bereits 10 Tage vor Anreise der Familie, Kenntnis von den Problemen der defekten Kläranlage und der damit verbundenen Verunreinigung des Meer.s hatte. Schon zu diesem Zeitpunkt erkrankten die ersten Urlauber an Brechdurchfall.
Der Reiseveranstalter hätte die Pflicht gehabt, die Familie über die örtlichen Umstände aufzuklären und an einem anderen Ort unterzubringen. Dies hat er pflichtwidrig unterlassen.
Aus diesem Grund ergeben sich die materiellen Schäden der Familie aus der Pflichtverletzung des Reiseveranstalter. und müssen von diesem zusätzlich ersetzt werden.
Nutzlos aufgewandte Urlaubszeit – Schadensersatzanspruch
Zusätzlich hat der Mann einen Schadensersatzanspruch i. H. v. 1974,51 Euro wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB gegen den Reiseveranstalter.
Ein solcher Anspruch ist gemäß § 651f Abs. 2 BGB dann gegeben, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird. Diese erhebliche Beeinträchtigung lässt sich schon an der zuerkannten Minderungsquote erkennen.
Da die komplette Familie erkrankt war, konnten in der ersten Urlaubwoche weder Aktivitäten unternommen noch konnte normal gegessen werden. Aus diesem Grund liegt unzweifelhaft eine erhebliche Beeinträchtigung vor.
Auch die Urlaubszeit wurde nutzlos aufgewendet, da schon aufgrund der hygienischen Zustände der Zweck eines Urlaubs, nämlich die Erholung, verfehlt wurde.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch Kindern und Schülern ein Anspruch auf Ersatz nutzlos aufgewandter Urlaubszeit zusteht.
Die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB hat der Familienvater ebenfalls eingehalten. Folglich steht ihm pro Reiseteilnehmer ein Schadensersatzanspruch i. H. v. 987,25 Euro zu, insgesamt 3949 Euro.
Anspruch auf Schmerzensgeld für die gesamte Familie
Der Mann hat zusätzlich einen Schmerzensgeldanspruch nach § 280 Abs. 1 i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte.
Die Erkrankung der Familie hätte der Reiseveranstalter nämlich verhindern können, wenn er sich frühzeitig und ausreichend über die hygienischen Zustände vor Ort informiert hätte und die Familie bereits vorab in eine andere Urlaubsregion umgebucht hätte.
Daher steht dem Mann ein Schmerzensgeld i. H. v. 500 Euro pro Person zu, also insgesamt 2000 Euro.
Erfolgreiche Klage
Die Klage des Familienvaters war somit erfolgreich und der Reiseveranstalter musste insgesamt 10.351,95 Euro zuzüglich einer Auslagenpauschale und Umsatzsteuer an den Mann zahlen.
(LG Köln, Urteil v. 24.08.2015, Az.: 2 O 56/15)
AG Köln wies die Klage ab
Das Amtsgericht (AG) Köln wies eine ähnlich lautende Klage in seinem Urteil vom 07.09.2015 jedoch ab.
Es kam zur Entscheidung, dass für den Reiseveranstalter keine Informationspflicht gegenüber den Reisenden besteht, falls etwaige Risiken vor dem Antritt der Reise nicht bekannt sind.
Der Reiseveranstalter ist folglich nicht für die Verschmutzung des Meer.assers durch die defekte Kläranlage verantwortlich.
(AG Köln, Urteil v. 07.09.2015, Az.: 142 C 80/15)
Neue EU-Pauschalreiserichtlinie seit Juli 2018
Am 1. Juli 2018 trat die neue EU-Pauschalreiserichtlinie in Kraft, die Pauschalurlaubern und Individualreisenden in Europa mehr Rechte einräumt und gleichzeitig den Verbraucherschutz stärkt.
Die neuen Regelungen sehen beispielsweise vor, dass Reisemängel innerhalb von zwei Jahren geltend gemacht werden können und nicht mehr – wie zuvor – innerhalb von vier Wochen.
Darüber hinaus werden die Informationspflichten ausgeweitet. Das heißt, mittels Standard-Informationsblättern sollen Reisevermittler oder Reiseveranstalter Urlauber unter anderem über Rücktrittsrechte oder über mögliche Ansprüche auf Preismängel nach einer missglückten Reise informieren.
Des Weiteren ist der Reiseveranstalter nun dazu verpflichtet, seine Kunden vor Vertragsabschluss über wichtige Informationen bezüglich der Reise in Kenntnis zu setzen, wie über die Reiseroute, die im Urlaubsland gesprochene Sprache oder über die Eignung der Reise für eingeschränkte Personen.
Ferner muss der Reiseveranstalter die Kosten einer vereinbarten Rückbeförderung und für eine weitere Unterbringung der Reisenden – und das bis zu drei Übernachtungen – tragen, sollten diese aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände nicht zurückbefördert werden können.
Haben Sie Fragen zum Thema Reiserecht? Bei anwalt.de wird Ihnen geholfen!