Blockade am Pissoir: Wenn es bei Männern nicht "läuft"

Das Phänomen der "Schüchternen Blase"
Pinkeln ist vermeintlich eine der einfachsten Sachen der Welt. Doch am Pissoir läuft es bei manchen Männern gar nicht, sobald sie nicht allein sind. Die Gründe dafür liegen im Kopf: Es sei wie eine kleine mentale Blockade, sagt der Psychotherapeut Enno Maaß. Und die kann auch zu einem massiven Leiden werden. Viele Männer dürften das kennen: Obwohl die Blase drückt, können sie am Pissoir nicht loslassen, wenn jemand direkt neben ihnen steht.
Die Psychologie hinter der Blockade
Zum Wasserlassen benötigen wir eine Entspannung des Blasenschließmuskels. Und die kriegt man nur hin, wenn man selbst auch einigermaßen entspannt ist. Nun ist es am Pissoir eine recht intime Lage, weil man sein Geschlechtsorgan in die freie Luft bewegt. Und wenn jemand neben einem auch pinkelt, kann das diese Intimität stören. Wird man dann angespannt, geht häufig ein Gedankenkarussell los. Man fragt sich: "Jetzt stehe ich hier schon eine Weile und kann gar nicht pinkeln." Dadurch wird man noch angespannter und es wird noch schwieriger, den Blasenmuskel zu lockern.
Parallelen zu Prüfungssituationen
Man kann das als kleine mentale Blockade betrachten. Mentale Blockaden im eigentlichen Sinne entstehen oft in ausgereiften Drucksituationen, etwa bei Prüfungen. Man steht in einer Bewertungssituation und funktioniert nicht mehr – die Situation am Pissoir weist da durchaus Parallelen auf. Es kann der Gedanke sein, dass man quasi seine Leistung am Pissoir gerade nicht bringt, während der Nebenmann problemlos laufen lässt. Dazu glaubt man vielleicht noch, dass man gerade andere aufhält, die hinter einem warten und ebenfalls pinkeln wollen.
Umgang mit Scham und Therapieoptionen
Im Grunde ist es ein harmloses Thema, über das wenig gesprochen wird, weil es so schambehaftet ist. Wenn sich das Ganze zu einer ausgewachsenen Angststörung ausweitet und zu massivem Leiden führt, spricht man von einer sogenannten Paruresis (umgangssprachlich "Schüchterne Blase"). Hier kann eine Psychotherapie helfen.
Mögliche Strategien zur Entspannung
Schafft man es, sich gedanklich aus der Situation herauszunehmen, kann das beim Lockerlassen helfen. Indem ich mich auf das Muster der Fliesen an der Wand vor mir fokussiere oder die Augen schließe und tief atme, kann der Druck abnehmen. Manche gehen vielleicht lieber direkt in die Kabine.
Über den Experten
Dr. Enno Maaß ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). Der Psychologische Psychotherapeut führt eine Praxis im ostfriesischen Wittmund.