Eine weibliche Morgenlatte? Was Frauen noch nicht über sich wussten...
"Viva la Vagina" ist das neue "Darm mit Charme": In ihrem Buch erklären die beiden Medizinstudentinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl den Leserinnen, wie der weibliche Körper und insbesondere die Vagina funktioniert.
Die beiden Norwegerinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl haben ein Buch über das weibliche Geschlecht geschrieben. In "Viva la Vagina!" (S. Fischer, 400 Seiten, 16,99 Euro) dreht sich alles um den weiblichen Körper, Sex und vor allem auch die Gesundheit. Was die Medizinstudentinnen bei den Recherchearbeiten am meisten überrascht hat und wieso ihr Buch nicht unbedingt etwas mit Feminismus zu tun hat, verraten sie der Nachrichtenagentur spot on news im Interview.
50 kuriose Fakten über das weibliche Geschlechtsteil
Ein paar Zahlen: Die Vagina ist zwischen 7,5 und 10 Zentimeter lang. Sie ist um ein Vielfaches dehnbar, schließlich muss ein Baby hindurch passen können.
Nicht schlecht: Der längste weibliche Höhepunkt, der je gemessen wurde, dauerte 43 Sekunden mit 25 aufeinanderfolgenden Kontraktionen.
Das natürliche Milieu der Scheide besitzt einen pH-Wert von 4,0, ist also eher sauer. Krankheitserreger werden dadurch besser abgewehrt.
Das Wort "Muschi" ist nicht nur in Deutschland ein Kosename für die Vagina. In vielen Ländern wird eine Katze schon seit Jahrhunderten mit weiblicher Sexualität in Verbindung gebracht.
Tatsächlich glauben viele Frauen, dass ein Tampon im Körperinneren verschwinden kann. Das ist aber anatomisch überhaupt nicht möglich.
Die Klitoris ist ein winziger Knubbel und befindet sich knapp über dem Eingang zur Vagina, dort, wo die inneren Schamlippen aufeinander treffen. Sobald die Klitoris erregt wird, schwillt sie an.
Der Orgasmus der Frau dauert länger als der eines Mannes. Das fand man mit einer Studie heraus, für die man Männer und Frauen an EKG-Geräte anschloss und die Orgasmusdauer aufzeichnete.
Wenn es um das selbstgemachte Vergnügen geht, sind Frauen eher zurückhaltend: Nur jede zweite gibt an sich regelmäßig selbst zu befriedigen.
In einer Studie hat man herausgefunden, dass Frauen Oralsex intensiver genießen können, je höher der Grad ihrer Ausbildung ist.
Über seine Existenz wird viel spekuliert: Der G-Punkt, der in Scheideninneren sitzen soll. Männer, es gibt ihn! Ist nur nicht so leicht zu finden.
Die Durchschnittsfrau bekommt zwischen 35 und 40 Jahren ihre monatliche Blutung. Das sind pro Leben etwa 450 Mal.
Das Jungfernhäutchen ist genau genommen ein Gewebe, das am Scheideneingang sitzt und beim ersten Geschlechtsverkehr einreißt. Es ist allerdings durchlässig, sonst könnte kein Menstruationsblut durchfließen.
Die Entjungferung war nicht immer ein Vergnügen: In der Antike wurden Frauen vor der Hochzeit mit einem Stein in Penisform entjungfert.
Hormonelle Verhütungsmittel aber auch bestimmte Medikamente werden heutzutage über die Vagina verabreicht wie zum Beispiel Insulin oder Schmerzmittel.
Spezielle desinfizierende Reinigungsmittel für die Vagina sind überflüssig: Sie reguliert sich selbst, klares Wasser reicht aus.
Wer zu viel pflegt, erreicht oft das Gegenteil: Wer es mit der Intimpflege übertreibt, riskiert Austrocknen, Juckreiz und Schmerzen.
Wer auf parfümierte Produkte wie Tampons oder Slipeinlagen zurückgreift riskiert, dass die natürliche saure Scheidenflora gestört wird.
Im sechzehnten Jahrhundert herrschte der Glaube, dass man als Mann von der Syphilis geheilt wird, wenn man mit einer Jungfrau schläft. Ein fataler Irrtum.
Früher glaubte man, dass Fischer auf hoher See von Unglück verschon bleiben, wenn ihre Ehefrauen dem Meer ihre nackte Vulva zeigten.
Bei der so genannten Beschneidung, die in manchen Ländern immer noch durchgeführt wird, entfernt man jungen Mädchen die Klitoris. Dieses äußerst schmerzhafte Prozedere kann nicht nur schwere Folgen für den Körper sondern auch für sie Psyche haben.
Natürlicherweise wachsten Schamhaare nur bis zu einer bestimmten Länge. Das längste gemessene weibliche Schamhaar ist allerdings stolze 71,12 Zentimeter lang.
Die Schamhaare stammen noch aus Zeiten, in denen Körperbehaarung vor Kälte schützte. Warum sie sich bis heute nicht zurückgebildet haben könnte daran liegen, dass darin sexuelle Lockstoffe festgehalten werden.
Aristokratinnen ließen sich im sechzehnten Jahrhundert die Schambehaarung so lang wie möglich wachsen, bändigten sie mit Pomade und verzierten sie mit kleinen Schleifen.
Die Beschaffenheit der Schambehaarung ist so unterschiedlich wie die Frau, die sie trägt: fein, dick, störrisch – alles ist möglich.
Genauso wie die Kopfhaare ergrauen auch die Schamhaare im Laufe des Lebens. Allerdings etwas langsamer.
Trends ändern sich auch was die Schamhaar-"Frisur" betrifft: Während man heute gerne glatt rasiert, trug man in der 90er Jahren einen schmalen Streifen und in den 80ern wilden Wuchs.
Wer kahl rasiert glaubt oft, es sein hygienischer. Das stimmt nicht. Man riskiert sogar, dass sich die empfindlichen Haarwurzeln entzünden.
Wer sich waxen lässt und Entzündungen vermeiden will, sollte kurz vor dem Strandurlaub ins Haarentfernungsstudio gehen, damit sich die Haarfollikel im Bikinizonenbereich beruhigen können.
Beim Rasieren entfernt man die Härchen am besten in der Hocke sitzend. Das zieht die Haut straff und man erreicht auch die hintersten Winkel. Tipp: Spiegel benutzen!
Was viele als schick empfinden, ist für Ärzte ein Graus: Häufig sind Stringtangas für Reizungen und Genitalinfektionen verantwortlich, weil sie zu eng sitzen.
Um einen Mann zu verführen, tupfen manche Frauen Vaginalsekret hinter das Ohr. Der Duft soll ihn unbewusst beeinflussen.
Befragt man Frauen nach ihrer Vorliebe antworten 70 Prozent, dass sie Schokolade lieber mögen als Sex. Schokolade macht bekanntlich glücklich. Beim Sexualleben besteht anscheinend Nachbesserungsbedarf.
Manchmal kommt ein Geräusch aus der Vagina, das sich anhört wie ein Pups. Ursache sind häufig Stellungen beim Sex, die zu viel Luft hinein pumpen. Auch zu wenig Spannung in der Beckenbodenmuskulatur kann Schuld sein.
Auf "Dry Sex" stehen viele Männer im südlichen Afrika. Um die Vagina möglichst trocken zu halten, behandeln Frauen ihre Scheide dafür mit Kräutern oder sogar Haushaltsreiniger. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern begünstigt auch die Ansteckung mit HIV.
In bestimmten Teilen der Erde wie beispielsweise auf den Mangaia-Inseln gilt es als Pflicht, dass der Mann zuerst die Frau befriedigt, bevor er selbst an sein Vergnügen denkt. Tut er das nicht, gilt er offiziell als Schlappschwanz.
Auch Frauen können "feuchte" Träume haben. Laut einer Studie aber seltener als Männer.
Manchmal kommt es zu Schwierigkeiten beim Einführen eines Tampons oder des Penis´ in die Vagina. Ursache können zu stark angespannte Beckenbodenmuskeln sein. Das passiert ganz automatisch und kann willentlich nicht beeinflusst werden. Unbewusste Ängste vor Schmerzen oder negative Gedanken und Gefühle beim Sex können dahinterstecken.
Scheideninfektionen, die schnell zur Blasenentzündung werden können, bekämpft man am besten, wenn man Unterkühlung vermeidet, nasse Badekleidung nach dem Schwimmen wechselt und nicht zu eng sitzende Hosen trägt.
Viele Frauen leiden unter einer zu trockenen Vagina, was zu Problemen beim Sex führen kann. Ursachen können zu schwache Erregung, die Einnahme von Medikamenten oder die Wechseljahre sein. Gleitgel und/oder ein ausgedehntes Vorspiel können helfen.
Chlamydien gehören zu den am meisten unterschätzten Geschlechtskrankheiten bei Frauen, weil sie keine auffälligen Beschwerden verursachen. Bleiben sie jedoch unbehandelt, können sie eine Eileiterentzündung auslösen, die unfruchtbar machen kann.
Viele erschrecken zunächst, wenn sie sie entdecken: Genitalwarzen. Sie sind allerdings harmlos und verschwinden oft von selbst. Übertragen werden sie durch ungeschützten Geschlechtsverkehr. Ärzte behandeln sie meist durch Laser oder Vereisung.
Auch nicht angenehm: Filzläuse, die ebenfalls beim Sex übertragen werden können, aber zum Beispiel auch durch fremde Bettwäsche. Filzläuse kann man selbst behandeln.
Im Mittelalter legten viele Männer ihren Frauen angeblich Keuschheitsgürtel aus Eisen um, um zu verhindern, dass sie in ihrer Abwesenheit fremdgehen. Wissenschaftler bezweifeln inzwischen jedoch, dass es diese Gürtel überhaupt gegeben hat.
Ein Penis, der von einer bezahnten Vagina "abgebissen" wird? In vielen Kulturen gibt es tatsächlich diesen Glauben.
Mit der so genannten Triller-Technik der Zunge können manche Männer mit hoher Frequenz die Klitoris stimulieren. Angeblich können das die Männer im Norden Ugandas besonders gut.
Viele Frauen finden es schick, ihre Vagina zu piercen. Es besteht allerdings die Gefahr, jegliches Lustgefühl zu verlieren. Ein Schamlippenpiercing ist dagegen weniger gefährlich.
Masturbation sollte noch im 19. Jahrhundert verboten und junge Mädchen dafür bestraft werden.
Heute gibt es sie in jeder erdenklichen Ausführung, aber auch schon im Altertum waren sie beliebt: Dildos aus Holz, Jade oder Elfenbein.
Geleichberechtigung jetzt auch beim Toilettengang: Damit auch Frauen im Stehen pinkeln können (zum Beispiel auf dem Campingplatz) gibt es jetzt den so genannten P-Mate: Eine trichterförmige Vorrichtung, durch die der Urin in die gewünschte Richtung fließt.
Auf der Haut juckt es unangenehm, an den Genitalien soll es verführerisch prickeln: Brennessel! Aua.
Was hat Sie bei der Recherche für Ihr Buch "Viva la Vagina! Alles über das weibliche Geschlecht" am meisten überrascht?
Nina Brochmann & Ellen Støkken Dahl: Es gibt so viele aufregende und überraschende Fakten über den weiblichen Körper. Unser Favorit: Frauen haben Erektionen! Die meisten Menschen wissen über männliche Erektionen Bescheid. Das lernt man in vielen Ländern bereits in der Grundschule in Sexualkunde. Aber die meisten von uns wissen nur sehr wenig über das weibliche Geschlechtsorgan: die Klitoris. Der kleine Knopf vor der Vulva, den man Klitoris nennt, ist nur die Spitze des Eisbergs.
In Wirklichkeit ist die Klitoris ein großes Organ, das die äußeren weiblichen Genitalien unter der Oberfläche umgibt. Es hat eine ähnliche Anatomie wie der Penis und es besteht aus erektilem Gewebe, das auf die doppelte Größe anschwellen kann, wenn Frauen erregt sind. Frauen haben nächtliche und sogar morgendliche Erektionen. Soweit wir das verstanden haben, wird das auf Deutsch Morgenlatte genannt - ein sehr lustiger Name. Deshalb mögen wohl viele Frauen Sex am Vormittag.
Außerdem ist es faszinierend, dass Menschen zu den wenigen Säugetieren mit Perioden gehören. Die Leute denken, dass zum Beispiel Hunde Perioden haben, aber das stimmt nicht. Hunde bluten, wenn sie fruchtbar sind und einen Eisprung haben, während Frauen bluten, wenn es zu spät oder zu früh für die Befruchtung ist. Tatsächlich sind einige Primaten und eine Fledermausart die einzigen Lebewesen, die die Periode mit uns Menschen gemeinsam haben. Eine seltsame Bande.
Warum sollten junge Frauen oder Frauen allgemein ein Buch über ihre Vagina lesen?
Brochmann & Støkken Dahl: Frauen brauchen unser Buch, um besser zu verstehen, wie sie funktionieren. Unserer Meinung nach haben Frauen ein Recht auf diese Informationen. Unser Bildungssystem ist nicht gut für eine gesunde Sexualität. Viele Quellen im Internet verbreiten Mythen und Missverständnisse, die schädlich oder verwirrend sein können.
Wir wollen fundierte, wissenschaftliche Informationen über ein normales Sex-Leben, den weiblichen Körper, Empfängnisverhütung, Erregung und Verlangen sowie viele andere Themen anbieten. Wir wissen zum Beispiel, dass eine von zehn Frauen unter Endometriose leidet. Es ist verrückt, dass die meisten so wenig darüber wissen. Indem sie unser Buch lesen, können Frauen lernen, sich selbst zu verstehen.
Was sind die größten Mythen über die weiblichen Geschlechtsorgane?
Brochmann & Støkken Dahl: Die schlimmsten Mythen sind die über das Jungfernhäutchen. Die Vorstellung, dass Jungfrauen bluten sollen, wenn sie vaginalen Sex haben und die Idee, dass man sehen kann, ob eine Frau Jungfrau ist oder nicht, indem man ihre Genitalien untersucht, ist sowohl schädlich als auch falsch. Die Gesellschaft hat diesen Mythos lange benutzt, um Frauen zu kontrollieren.
In Wirklichkeit wird das Jungfernhäutchen nach dem Sex nicht zerstört, nur die Hälfte der Frauen blutet beim ersten Geschlechtsverkehr und die sogenannten Jungfräulichkeitskontrollen sind medizinisch ungültig. Wenn dieser Mythos zerstört wird, wird es schwerer, die weibliche Sexualität zu kontrollieren. Der einzige Weg, um herauszufinden, ob eine Frau Jungfrau ist oder nicht, ist, sie zu fragen.
Unser TEDx Talk "The Virginity Fraud" befasst sich mit diesem Mythos. Das Video wurde bis jetzt etwa drei Millionen Mal angesehen und wir erhalten dazu fast täglich Nachrichten von Männern und Frauen weltweit. Es ist seltsam, zu wissen, dass die Medizin lange Zeit, über 100 Jahre über die Unwahrheit dieser Mythen Bescheid wusste, aber diese Information nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben hat.
In einem deutschen Magazin wurde Ihr Buch als Empfehlung für "Feministinnen, die besseren Sex wollen" angekündigt. Was halten Sie von dieser These in Bezug auf "Viva la Vagina"?
Brochmann & Støkken Dahl: Nun, wir bezeichnen uns selbst als Feministinnen, aber das tun nicht alle Frauen. Man muss sicherlich keine Feministin sein, um unser Buch zu lesen. Wir möchten allen Frauen medizinische Informationen an die Hand geben, Feministin oder nicht. Nur ein Kapitel in unserem Buch handelt von Sex. Wir schreiben viel mehr über gesunde weibliche Sexualität. Wir thematisieren auch Empfängnisverhütung, Krankheiten und normale Anatomie. Wir glauben daran, dass Wissen und Bildung allen Frauen dabei helfen könnte, ein besseres Leben zu führen, es geht also nicht nur um "Feministinnen" und "Sex".