Am Kap der Blumen und der letzten Drachen
1544 sichtete ein portugiesisches Handelsschiff das östliche Kap von Flores und taufte es "Cabo des Flores" - Kap der Blumen. Dabei gibt es auf dem indonesischen Archipel nicht mehr Blumen als auf anderen dieser Gegend. Trotzdem offenbart sich hier ein fast unberührtes Paradies
Sumatra, Java, Bali Lombok - hat fast jeder schon einmal gehört, und jeder Asien-Fan will irgendwann einmal dorthin. Aber Flores? Hat kaum ein Traveller auf der Liste. Dabei liegt das Archipel nur rund 1,5 Flugstunden östlich von Bali und gilt als Geheimtipp Indonesiens - spätestens seit Lonely Planet die Vulkaninsel auf ihre Top-Ten-Liste der Trendregionen 2015 aufgenommen hat.
Gut, Flores kann weder nennenswerte Surfspots, noch aufregendes Nightlife bieten, und auch die touristische Infrastruktur ist bescheiden. Doch gerade ihre Ursprünglichkeit macht die rund 15.000 Quadratmeter große Insel so bereisenswert. Zumal nur knapp ein Prozent der jährlich rund 8,8 Millionen Indonesien-Besucher Flores ansteuert. Wer auf einer Reise also gerne fernab der gängigen Touristen-Hotspots wandelt, findet am Kap der Blumen ein fast unberührtes Paradies.
Ende ist ein guter Anfang für eine solche Reise. Die muslimisch geprägte Hauptstadt der sonst zu 90 Prozent von Christen bevölkerten Insel liegt rund zwei Busstunden vom Kelimutu Nationalpark entfernt. Vulkankrater und Regenwald bestimmen die Landschaft rund um den aktiven Kelimutu. Und wer es noch vor Sonnenaufgang auf den Aussichtspunkt auf rund 1.600 Metern Höhe schafft, kann ein ganz besonderes Naturspektakel erleben.
Himmel und Hölle liegen direkt nebeneinander
"Coffee?", fragt Robertus und lässt Kaffeepulver in einen Plastikbecher rieseln. Unbedingt! Es ist frisch hier oben. Aber sobald die ersten Sonnenstrahlen die morgendlichen Nebelfelder vertrieben haben, wird einem warm ums Herz. Drei Kraterseen entblößen dann plötzlich ihre ganze Pracht. Einer schimmert rot-braun, der andere grün, der Dritte tiefblau. Ihre Farben ändern sich wegen der vulkanischen Aktivitäten im Kelimutu Nationalpark. Ein Phänomen, das die Einheimischen glauben lässt, die Seelen ihrer Vorfahren würden sich in den Seen versammeln. Die Guten landen in dem grünen und blauen, die Sünder im rot-braunen. Himmel und Hölle liegen in Flores der Sage nach nah beieinander.
Robertus ist einer der Dutzend Händler, die sich jeden Morgen in aller Frühe auf den Weg zu diesem heiligen Ort machen, um für ein paar Cent Kaffee und Instant-Suppen an frierende Touristen zu verkaufen. Gegen elf marschiert er zwei Stunden zurück in sein Heimatdorf Moni, wo er dann selbstangebauten Reis auf dem Markt feil bietet. Gleich neben Robertus' Stand ragen die Köpfe von zwei Delfinen aus einem roten Plastikeimer. Mit einer Machete werden ihre Körper zu Filets zerteilt. Kein schöner Anblick für westliche Touristen. Und das Fleisch der Delfine gilt nicht einmal als Delikatesse. "Wir essen praktisch alles", erklärt Robertus ungerührt. "Ratten, Katzen, Schlangen, Frösche, sogar Hunde". Wobei er seine eigenen Hunde niemals verspeisen könnte, sagt er, die verkaufe er zum Schlachten lieber an Nachbarn. Himmel und Hölle...
Wo sich die letzten lebenden Drachen bestaunen lassen
Ein Trip über Flores ist wie eine Zeitreise ins Asien vor einem gefühlten Jahrhundert. Büffel werden auf den Feldern vor den Pflug gespannt, alte Frauen kauen unermüdlich die rote Betelnuss, während sie mit Rauten gemusterte Schals und Sarongs per Hand in der hiesigen Ikat-Technik weben. In fast allen historischen Dörfern, von denen sich etwa ein Dutzend über die Insel verteilen, wird diese Tradition gelebt.
Im gut 400 Jahre alten Saga führt einen der stellvertretende Dorfschef Maximus zwischen traditionellen Holzhäusern mit ihren hochragenden Palmenblattdächern sogar ins Allerheiligste - das Keda. Hier werden zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder zum Erntedankfest Tiere den Göttern geopfert. Das Keda ist aber mehr als Zeremonienhaus und Opferstätte, es ist gleichzeitig Dorfgericht und irgendwie auch Kneipe in einem. Zutritt haben nur Männer. Die geopferten Tiere werden nach jeder Zeremonie gegrillt, dazu Arak getrunken - der lokale Palmwein mit mindestens 60 Umdrehungen. Ein Grund, warum Frauen hier keinen Einlass haben. "Die sollen ja nicht sehen, wie sich der Hohepriester mit den wichtigsten Männern des Dorfes betrinkt", meint Maximus lachend.
Ein Strand voller türkis schimmernden Kieseln
Zeremonien, Tanz und traditionelles Handwerk werden in den Bergdörfern auf Flores noch gelebt - und das nicht nur für die Touristen. Die meisten von denen erreichen Flores ohnehin nur als Durchgangsstation, um neben dem einmaligen Kelimutu, den zweiten Touristenmagneten der Insel zu besuchen: Labuan Bojo. Das Fischerdorf ganz im Westen ist der Ausgangspunkt für Überfahrten zu den Inseln Komodo und Rinca - Heimat der nur hier vorkommenden Komodowarane. Die bis zu drei Meter langen Echsen werden als die "letzten lebenden Drachen" angepriesen und lassen sich in den Naturschutzgebieten in ihrer natürlichen Umgebung aus nächster Nähe bestaunen.
Die eigentliche Faszination Flores' liegt aber zwischen den Touristen-Hotspots Kelimutu im Osten und Labuan Bojo im Westen. Wer sich die Mühe macht, den halbwegs erschlossenen Süden der Insel entlang des einzigen Highways zu erkunden, steht oft vor den unzähligen Baustellen im Stau, und manche Hotels versprühen einen Charme, den man nicht wirklich länger als eine Nacht ertragen möchte. Doch dafür erschließt sich einem entlang der steilen Vulkanhänge eine authentische Welt, die so in Asien nur noch selten existiert. Kilometerlange, unberührte Strände erstrecken sich an der Südküste von Flores, einer davon, Pantai Pengajawa, der mit Millionen von türkis schimmernden Kieseln bedeckt ist. In der Region um Ruteng, dem Reisspeicher der Insel, bieten Veranstalter Trekking- und Mountainbiketouren an, die einen über die traditionellen Dörfer, die Reisfelder bis hinauf zu den unzähligen Vulkankrater führen. Und in den traumhaft schönen Quellen von Mengeruda bei Soa trifft man nur mit viel Pech auf andere Touristen, während man seine Füße neben wilden Ananassträuchen in das heiße Wasser taucht.
Noch ist Flores ein Paradies, also nichts wie hin, bevor die Insel ihre Unschuld verliert.
Infos: Beste Reisezeit ist Juli bis Oktober. Übernachten: Kelimutu, Kelimutu Craters Eco Lodge, DZ ab 65 Euro, www.ecolodgesindonesia.com/kelimutu. Labuan Bojo, Bintang Flores Hotel: DZ ab 90 Euro. www.bintangfloreshotel.com. Trekking- und Mountainbike-Touren: www.florescyclingtours.com