Andy Cowell über Mercedes-Motor 2017
Mercedes Motoren-Chef Andy Cowell spricht im Interview mit auto motor und sport über die neuen Regeln für 2017, die höheren Belastungen für die V6-Triebwerke und die Weiterentwicklung über den Winter.
Cowell: Da hat sich im Vergleich zur Vergangenheit nicht viel geändert. In den letzten beiden Jahren gab es immer ausreichend Token. Wenn man das mit den erlaubten Änderungen aus Zuverlässigkeitsgründen verbindet, waren unsere Entwicklungspläne nicht eingeschränkt. Die neuen Regeln machen uns das Leben aber etwas einfacher. Wir können uns jetzt voll um die Entwicklungsarbeit kümmern und müssen nicht zeitaufwändig erklären, warum wir bestimmte Änderungen vorgenommen haben. Es war das Ziel in den Gesprächen mit der FIA, dass die Regeln vereinfacht werden und wir uns effizienter um unsere Arbeit als Ingenieure kümmern können.
Cowell: Das ist eine Option. Aber wir sind ja insgesamt durch die limitierte Anzahl an Motoren eingeschränkt, die wir jedem Fahrer zur Verfügung stellen dürfen. Das begrenzt natürlich auch die Entwicklungsschritte. Ob man mehrere kleinere Upgrades bringt oder wenige große, muss jeder Hersteller für sich entscheiden. Das ist abhängig von der Philosophie und den unterschiedlichen Prozessen. Da kommt es immer auf eine gesunde Balance an. Manchmal eröffnen sich auch unerwartet Möglichkeiten. Da stolpert man über etwas, das mit wenig Aufwand und ohne Risiko einen großen Leistungsgewinn verspricht. Das lässt sich nun einfacher implementieren, ohne dass man lange auf das nächste große Upgrade warten muss.
Cowell: Was wir machen, fühlt sich momentan ziemlich aggressiv an. Wir haben uns also nicht einfach zurückgelehnt und nur kleine Modifikationen vorgenommen. Die Veränderungen sind beachtlich im Vergleich zu den Vorjahren. Einiges davon wurde durch das neue Reglement vorangetrieben, anderes kommt durch Effizienzsteigerungen.
Cowell: Wir sehen immer noch relativ große Fortschritte. Meiner Meinung gibt es solch eine Barriere nicht.
Cowell: Der erste Schritt im Umwandlungsprozess ist das Freisetzen der Energie, die im Benzin gespeichert ist. Daran hat sich seit der Zündung unseres ersten V6 Turbo-Motors nichts geändert und das wird auch immer so bleiben. Im Sprit stecken 1.240 Kilowatt an potenziell verfügbarer Energie und momentan bekommen wir nur knapp 50 Prozent davon heraus. 2014 glaubten die Leute schon an ein Wunder, dass wir 40 Prozent nutzbar machen konnten. Auf dem Bereich der Verbrennung liegt also immer der Hauptfokus, weil hier einfach die größte Energiemenge drinsteckt. Natürlich gibt es dahinter aber auch viele andere Bereiche, die man bei der Energiegewinnung nicht außer Acht lassen darf. Dazu zählen die Effizienz des Turbos oder der MGU-H bis hin zu den ganzen Nebenaggregaten wie effiziente Wasser- und Ölpumpen oder die Luftversorgung des Motors. Natürlich muss auch das Kühlsystem optimiert werden, damit die Druckverluste nicht zu groß werden. Auf der anderen Seite dürfen die Systeme nicht zu schwer werden. Da muss man immer Kompromisse eingehen. Die kontinuierliche Verbesserung einzelner Bereiche bringt vielleicht nur 10 Millisekunden. Aber wenn man zehn davon kombiniert, dann ist das schon ein guter Fortschritt.
Cowell: Ich bin sicher, dass wir diese Marke früher oder später erreichen werden. Wann genau? Einer der Hersteller wird das sicher noch in der aktuellen Generation der Power Units schaffen.
Cowell: Die Herausforderung ist viel härter. Mit größeren Reifen und höherem Abtrieb werden die Autos in Kurven deutlich schneller. Die Power Unit ist ein wichtiges, tragendes Element am Auto. Die Belastungen übertragen sich durch die Motorhalterung, durch das Kurbelgehäuse bis hin zum Ventildeckel. Darauf muss man reagieren. Mit den neuen Regeln ist außerdem der Vollgas-Anteil gestiegen. Damit erhöht sich auch die Gesamtzeit, die der Motor unter maximaler Last läuft. Deswegen wurde ja auch das Spritlimit hochgesetzt. Im Motor reagieren alle Teile miteinander. Der Druck im Zylinder wird durch die Pleuel bis auf die Zahnräder übertragen. Die Belastung ist also höher und wirkt über einen längeren Zeitraum. Dazu hat der Motor auch noch mehr Leistung als im Vorjahr. In Sachen Dauerhaltbarkeit erwartet uns also eine ungleich schwierigere Aufgabe. Das gilt übrigens nicht nur für den Verbrennungsmotor sondern auch für das ERS-System. Ein unbekannter Faktor ist dabei noch, wie schnell die Autos pro Runde überhaupt werden.
Cowell: Wenn man länger auf dem Gas steht, dann vergrößert sich dieser Vorteil natürlich. Aber es ist nun das vierte Jahr mit dieser Motorengeneration und alle haben viel gelernt. Ich bin schon ganz neugierig, was die anderen Hersteller und besonders Honda gemacht haben. Sie sind jetzt im dritten Jahr, haben ihre Entwicklungsabteilung etabliert und viel Wissen angehäuft. Ich denke, das wäre der Zeitpunkt für einen großen, mutigen Schritt.
Cowell: Ich glaube, dass es ziemlich ähnlich sein wird, wie in der vergangenen Saison. Da hat das Verhältnis zwischen Spritsparen und Vollgas ganz gut gepasst. Zur Not kann man ja immer noch relativ gut den Luftwiderstand anpassen, um beim Thema Spritverbrauch gegenzusteuern.
Cowell: Die maximale Leistung der MGU-K ist auf 120 Kilowatt festgelegt. Wenn die Bremsphase kürzer ist, kann man natürlich auch weniger Energie gewinnen. Das wird also eine größere Herausforderung. Wir haben unsere Technik für die Rekuperation weiterentwickelt. Auf der anderen Seite sind die Vollgaspassagen länger geworden. Um zu verhindern, dass es häufiger zum Leistungsabfall der Hybridenergie am Ende der Geraden („De-Rate“) kommt, muss auch die MGU-H optimal und effizient funktionieren. Da muss man eine gute Balance finden. Das wird interessant, wie das von Auto zu Auto unterschiedlich aussieht.
Cowell: Wir berechnen stets mit den Chassis-Ingenieuren zusammen, wie hoch ist die maximale Gesamtleistung auf einer Quali-Runde, auf einer Renn-Runde und wie lange man diese im Rennen abrufen kann. Natürlich müssen wir auch kalkulieren, wie leicht oder schwer das Überholen wird. Im Idealfall will man ja immer ganz vorne in der Startaufstellung stehen und dann vorne wegfahren, so hätten wir das am liebsten. Sollte es dagegen plötzlich einfacher sein zu überholen, dann werden vielleicht diejenigen gewinnen, die eine starke Rennpace zeigen.
Cowell: Es ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe, dass die Leistung in der kritischen Phase der Drehmomentkurve auf die Straße gebracht wird. Da kommt es auf die Kalibrierung der Power Unit und die konstante Leistungsabgabe an. Aber auch auf das Zusammenspiel mit der Kupplung. Sie wird von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Fachleuten der Bereiche Power Unit und Kraftübertragung entwickelt. Es ist toll zu sehen, wie gut die verschiedenen Ingenieure aus den beiden Fabriken zusammenarbeiten.
Cowell: Es muss künftig mehr Drehmoment anliegen, bis die Reifen die Traktion verlieren. Es gibt also neue Arbeitsfenster für den Motor. Auch die Kupplungsanordnung ist anders. Die neuen Regeln wirken sich auf viele Bereiche aus, ob es um den Launch von der Startlinie geht oder das Hineinbremsen in Kurven. Ein Problem ist zum Beispiel auch, das Öl in direkt folgenden Kurvenkombinationen immer an den richtigen Platz zu bringen. Oder dass die Benzinversorgung auch in der letzten Runde des Rennens oder im Qualifying gewährleistet ist. All diese Fahrzustände und die dabei auftretenden Belastungen sind dieses Jahr anders. Das wird eine große Herausforderung für alle Beteiligten.
Cowell: Wir müssen in der kommenden Saison diskutieren, was das Beste für den Sport ist. Damit wir danach einen vernünftigen Zeitrahmen zur Vorbereitung haben. Wir müssen zusehen, dass wir genug Zeit haben, um die neuen Motoren in der Fabrik fertig zu entwickeln. Wenn man Entwicklung betreiben muss, während man schon Rennen fährt, dann ist das schmerzhaft und teuer. Wir sollten also noch in diesem Jahr herausfinden, was gut für den Sport und die beteiligten Hersteller ist, die den Sport als Plattform für Technologie-Entwicklung nutzen.
Cowell: Das Thema Motorsound verfolgt uns nun schon seitdem die aktuelle Motorenformel eingeführt wurde. Alle Hersteller hatten zunächst Probleme. Wenn man das mit der Leistung und dem Sound aus dem vergangenen Jahr vergleicht, dann sind die Fortschritte beachtlich. Wir haben wieder mehr Familien auf den Tribünen gesehen. Ich denke, vor allem in der zweiten Saisonhälfte waren die Zuschauer an der Strecke generell zufrieden mit dem Motorensound. Wir könnten noch mehr tun, was die Platzierung der Mikrofone am Auto angeht. Aus dem Bereich des Turbos kommen fast schon musikalische Klänge, wenn sich die Wellen mit hoher Geschwindigkeit drehen. Da sind also noch Verbesserungen für die TV-Zuschauer möglich. Was wir natürlich nicht sehen wollen, ist eine Reduktion der Leistung. Alle Power Units leisten zwischen 900 und 1.000 PS. Wenn man das aus einem Saugmotor holen will, dann benötigt man jede Menge Sprit – fast doppelt so viel wie bei der aktuellen Antriebsformel. Die Autos wären also deutlich größer und schwerer. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das wollen.